European Bike Week am Faaker See
Harte Jungs am Fuß der Glatze
100.000 schwere Jungs auf schweren Maschinen machen aus einem idyllischen Flecken Erde das lauteste Familientreffen der Welt. MOTOR-TALK auf der European Bike Week.
Von MOTOR-TALK-Reporter Marco Stahl
Kärnten - Sie sehen furchteinflößend aus, sind aggressiv und wenn sie hungrig sind, töten sie. Die Hechte gehören zu den am meisten gefangenen Fischen im Faaker See. Doch an einem Wochenende im Jahr stehlen ihnen andere große Fische die Show: Auf der European Bike Week (3. bis 8. September) weichen die Klappstühle der Angler den Feuerstühlen der Harley-Fahrer. Wir haben die Hechte auf zwei Rädern besucht und festgestellt: Obwohl sie noch aggressiver aussehen als die Fische im See, sind sie die weitaus friedliebendere Spezies.
Die Holy Riders
"Am achten Tag schuf Gott eine Harley", dieser Satz von Firmengründer-Enkel Willie Davidson wird regelmäßig zitiert, wenn Männer mit schweren Motorrädern aufeinander treffen. Auch die Holy Riders müssen bei diesen Worten schmunzeln. Denn für sie gehört Glaube und Motorradfahren zusammen wie Lenker und Gabel.
Da nicht jeder Biker diese Ansicht teilt, kommt es zu intensiven Debatten. „Einige raten uns, besser abzuhauen. Aber die meisten sind neugierig“, sagt Alex. Und er hat recht. Während eines kurzen Besuchs bei den Holy Riders sehe ich viele Neugierige, die sich eine kleinformatige Biker-Bibel in ihre Lederweste stecken.„Darf ich für Dich beten?“, fragt mich Alex nach einem Gespräch über zwei Räder und die Dreieinigkeit. „Ja, klar“, sage ich und will gehen. Doch statt meine Hand zu schütteln, ergreift er sie und hält sie fest. Umringt von dunkel gekleideten Bikern sitze ich auf der Bike Week, Hand in Hand mit einem Wildfremden, und lausche seinen Fürbitten.
Vorurteile und XXXL
Es ist mein erstes Harley-Treffen und ich habe das ein oder andere Vorurteil im Gepäck. Schwerbewaffnete Rocker? Zwielichtige Gestalten aus schummrigen Milieus? Hmm, zumindest nicht hier und jetzt. Im Gegenteil. Bei strahlendem Sonnenschein begegne ich hungrigen Familien, neugierigen Anwohnern und kauffreudigen Männern auf der Suche nach einem XXXL-Shirt. Ok, ein wenig Klischee gehört eben doch dazu. Und natürlich gibt es jede Menge bärtige Jungs, tätowierte Muskelmänner und leicht bekleidete Damen.
Der Altersdurchschnitt der Anwesenden liegt bei knapp 50 Jahren. Midlife-Crisis? Von wegen. Die Männer um mich herum stehen zu ihrem Alter und tragen ihr lichtes Haupthaar mit Humor, wie der T-Shirt-Spruch „Glatze ist FKK
auf höchster Ebene“ beweist. Übrigens: Die Gerlitzer Alpe, an der die Harley-Parade mit 25.000 Bikes am Samstag vorbei fährt, trug ihren Spitzname "Die Glatze" wohl schon, als der erste Harley-Fahrer hier eintraf.Am Faaker See herrscht Friede. Ohne Widerworte befolgen die Biker die Anweisungen der Sicherheitskräfte, die geduldig wiederholen, dass es auf dem Festgelände seit Stunden keine freien Parkplätze mehr gibt. Selbst Nicht-Harley-Fahrer sind auf dem Treffen willkommen. So wie Bernd aus Berlin, der stolz sein Shirt vom letzten Honda-Wing-Treffen in Belgien trägt. Eine Harley? Für seine Zwecke ist so eine Maschine nicht geeignet, sagt er. Dennoch kann er sich an den vielen schönen Zweirädern um ihn herum nicht satt sehen.
Aus einer kleinen Garage in die ganze Welt
„Wir haben keine Möglichkeit, die Besucherzahl genau zu bestimmen“, sagt Günther Eder von Harley-Davidson Austria. Doch es sind auf jeden Fall mehr als 100.000 Motorradfahrer auf der diesjährigen Biker Week. Kein Wunder. Schließlich gibt es etwas Großes zu feiern.
Vor 110 Jahren, rund 7.500 Kilometer Luftlinie vom Faaker See entfernt, schieben drei junge Männer nach monatelanger Tüftelei ein Zweirad aus einem kleinen Schuppen in Milwaukee. Die Männer: der technische Zeichner William Harley, der Modellschreiner Arthur Davidson und der
Eisenbahn-Maschinist Walter Davidson. Das Werk der Drei: Die „Silent Grey Fellow“, ein Fahrrad mit einem 3 PS Einzylindermotor, ist der Startschuss für eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte einer kleinen Motorradschmiede.Mit der Roadking auf den Gipfel
„Harley fahren ist die Entdeckung der Entschleunigung“, sagt Erik aus dem Vogtland. „Durch das genüssliche und langsamere Fahren kann man die Umgebung viel intensiver aufnehmen und die Fahrt viel mehr genießen.“ William aus Rotterdam fasst sich noch kürzer: "Die Harley ist DAS Motorrad."
Aha. Ob ich das auch so empfinden werde? Ich bin gespannt und schwinge mich auf eine 2014er Road King Classic mit 16-Zöllern und stilechten Weißwandreifen (ab 23.185 Euro inklusive Transport und Aufbaupauschale). Das ist zwar nicht die Captain America oder die Billy Bike, aber ich bin ja auch nicht Peter Fonda oder Dennis Hopper.
Ich ziehe den Gashahn. Und tatsächlich. Es ist Liebe auf den ersten Sitz. Ob ich mit der fremden Maschine gleich die engen Kehren der Villacher Alpenstraße ansteuern sollte? Scharfe Kurven eins bis vier durchfahre ich mit aufrechter Haltung und ohne Mühe. Das schweißt mich und die schwere Road King zusammen.
Wir passieren den Aussichtspunkt „Stadt- und Seenblick“ und klettern weiter auf fast 1.000 Meter Höhe. Nun sind wir gierig nach weiteren gemeinsamen Lastenwechseln. Der luftgekühlte 1,7-Liter-V-
Twin zieht uns nach oben. Schwungvoll wie beim Wiener Walzer führe ich meine schwergewichtige Dame durch weitere Kehren, vorbei am Dreiländerblick in Richtung Gipfel. Oder führt sie etwa mich? Keine Frage: Wir gehören zusammen, schwören uns ewige Liebe und erklären die „Rote Wand“ in 1.403 Metern Höhe zum Zeugen unseres Versprechens.Ich spüre ein leidenschaftliches Donnergrollen unter meinen Hüften, wie es nur aus einer Harley kommen kann. Nach einer weiteren Drehung sind wir dem Himmel nah. Auf dem Aussichtsplateau „Rosstratte“ endet unser Tänzchen. Vorerst. Wir brauchen eine Pause.
Bereits bei der Rückfahrt ergreift mich Melancholie. Denn ich weiß: Unten im Harley Village trennt sich mein Weg von dem der Road King. Aus ewiger Liebe wird ein schnelles Tête-à-tête. Mit dem Song „Only You“ von den Platters im Ohr verabschiede ich mich von meiner strammen Schönheit.
Dennoch gibt es für mich keinen Grund, traurig zu sein. Der Ritt hat mich zu einem Teil der Harley-Familie gemacht. Und die wird auch im nächsten Jahr wieder feiern. Denn das Treffen am Faaker See geht weiter. Harley hat den Vertrag gerade erst um weitere fünf Jahre verlängert.
Als ich meine erste Harley 1998 in Besitz nahm war ich auch dort. Und schon fing das Fremdschämen an. Letztendlich war dieses Fremdschämen mit ein Grund (aber nicht DER Grund), nach 14 Jahren zufriedenen Harley-Fahrens (1200er Sporty und 1300er Fatboy) das Thema erst mal ad acta zu legen.
Die Spitze des Fremdschämens kann man in Faak erleben. Spiesser, Neureiche und HOGler zelebrieren dort über's Wochenende Ihre Outlaw-Fantasien...
Aber wem's gefällt...
Die Fotos sind cool, so ist Anschauen ohne Fremdschämen möglich.
Ich selbst würde mein Leben auch nur ungern nach einer subtilen Fahrzeugherstellerphilosophie ausrichten - letztlich ist das auch bloß eine geschickte Form der Kundenbindung.
Wird das ganze von Jeep gesponsored?
Hiermit verglichen ist selbst der Musikantenstadel ein Tempel des guten Geschmacks und ein Jungbrunnen! 😆
Spiesser? Sind die Leute, die monate- oder jahrelang in ihren Garagen ihr persönliches Traumbike zusammenbauen wirklich Spiesser? Sind Leute, die sich an dem Event Harley-Davidson erfreuen wirklich Spiesser? Oder diejenigen, die mit ihren Kindern dorthin fahren, um dem Nachwuchs eine Freude zu machen? Mich haben als kleiner Junge Motorräder in allen Variationen fasziniert und ich war überglücklich über jedes Treffen, jedes Motorrad-Event auf das mich mein Vater mitgenommen hat.
Oder sind vielleicht eher die die Spiesser, die andere für ihren Lebensweg verurteilen?...
Neureiche? Darf etwa nur alter Geldadel Harley fahren? Und ist der alte Geldadel etwa schon reich zur Welt gekommen, oder gehörte er auch irgendwann einmal zu den "Neureichen"? Oder darf man nur Harley fahren, wenn man sich die Kohle für die 20 Jahre alte Karre vom Mund abgespart hat?
Und muss man wirklich reich sein, um eine (alte) Harley fahren zu können?
Und was ist mit den ganz normalen Leuten, die zufällig etwas mehr Geld besitzen und dieses nun einmal gerne in ihr Mopped investieren (ob für Anschaffung und/oder Umbau)? Was ist daran zu verurteilen? Nicht jeder kann oder will selbst schrauben, hätte aber gern ein eigenständigeres Mopped. Warum sollten diese Menschen es nicht umbauen lassen?
Scheinbar darf man nur Harley fahren wenn man wirklich ein Outlaw ist. Sich seine Harley geklaut (oder per Bankraub finanziert) hat, den ganzen Tag auf der Maschine (wenn man nicht gerade mittels krimineller Energie den kommenden Finanzbedarf deckt) und seine Abende in schummrigen "Rockerkneipen" oder Stripclubs verbringt.
Alle anderen haben gefälligst Japaner oder Europäer zu fahren und sich gefälligst von jedweden Bikertreffen fernzuhalten, gell? 🙄
Fremdschämen? Wofür? Dafür, dass den Leuten dort Harleys gefallen? Dafür, dass sie da einfach unbeschwert ein paar Tage Party machen? Dafür, dass sie neben der Harley noch andere Lebensinhalte haben, denen sie unter der Woche nachgehen?
Wenn ich mir den Satz von dir so durchlese, ist wohl eher fremdschämen für deine Aussage angebracht.
Es soll sich doch jeder seinen Traum von der Harley oder vom Motorradfahren so verwirklichen, wie er es möchte. Ob es nun der Zahnarzt ist, der 2 Sonntage im Jahr morgens eine Runde mit seiner E-Glide Ultra Classic dreht oder ob es der Schrauber ist, der jeden Tag mit seiner alten Panhead zur Arbeit fährt oder ob es der neureiche Millionär ist, der sich eine Arlen-Ness-Harley bestellt hat um damit die Einkaufsstraße hoch und runter zu fahren.
Ich bin selbst jahrelang mit meinem alten Herrn zu Gold-Wing-Treffen gefahren. Das hatte bei 99% der dort Anwesenden nichts mit dem Ausleben irgendwelcher "Outlaw-Fantasien" zu tun. Es ging einfach darum, mit Gleichgesinnten ein paar Tage den Alltag auszublenden, Spaß zu haben, Benzin zu quatschen, gemeinsame Ausfahrten zu machen.
Ganz harmlos, ganz einfach.
So. Sorry für den langen Text, aber bei solch dämlichen Geblubber kommt's mir eben hoch..
Bitte mehr Fotos von den Bikes und weniger Fotos von Menschen mit seltsamer Kopfbedeckung. Titten wären auch noch ok.
😆 Du sagst es. 😆
@flosen
Sehr gut geschrieben!😊
Wahrscheinlich war nicht oft genug der Jeep drauf...
naja, auf eine selbstaufgebaute Original-Harley kommen 20 "custom-gekaufte" Zossen für Born-to-be-wild-Daddys in ihrer Midlifecrisis zwischen Zahnarztpraxis und erster Scheidung.
Und was ist falsch an Custom-Bikes die so gekauft wurden?
... ich kann der Aussage von glosen23 nur beipflichten. Ein wenig mehr Toleranz wäre angebracht. Ich fahre auch eine E-Glide Ultra Classic aus 2004 weil es einfach Freude macht mit dem Mopped durch die Gegend zu cruisen.
Aus dem ganzen HD-Kleidungsrummel mache ich mir auch nichts. Ist doch nichts weiter als eine Uniform. Ketten und anderes Gebamsel an denen Geldbörsen hängen gehören für mich vielleicht noch in einen älteren Western.
Und mit dem Spruch von einer "großen Familie" hat das auch wenig zu tun. Ist einfach nur eine gut gesteuerte PR-Masche.
In diesem Sinn - jedem das Seine. ;-)
Nur um es klar zu stellen: Harley fahren ist geil, ich hätte nie was anderes gewollt. Auch habe ich nix gegen die ganzen genannten Gruppen. Mir ist nur immer aufgefallen, dass gerade bei solchen Events gerade solche Leute einen auf Pseudo-Outlaw machen, nur weil sie am WE auf ne Harley steigen. Das ist das was ich kritisiere und was bei mir zunehmend fremdschämen verursachte. Das wurde in den letzten Jahren immer schlimmer...
Hast du dich mal gefragt warum das so ist? Die ganze Harley Szene ist doch verlogen bis zum geht nicht mehr. Vorne rum immer "wir sind eine Familie" usw, wird schön gemeinschaft gepredigt, aber wehe jemand entspricht nicht genau den "Anforderungen" die man an einen echten "wahren" Harley Fahrer stellt. Ne, man muss schon was auf dem Kerbholz haben, ein normaler Mensch, der kein Rocker ist, nicht dauernd böse guckt, der wird doch garnicht ernst genommen.
Wenn der Otto Normalverbraucher Harleys ganz toll findet und sich nur deswegen eine kaufen möchte, wird der doch auf nem Treffen ausgelacht. Deshalb werden die Leute zu "Pseudo-Outlaws", weil ihr sie dazu macht. Wenn ihr wirklich so tolerant, gemeinschaftlich und familiär wärt, wie ihr euch immer nach außen gebt, würde es diese Pseudos nicht geben. Das ist also ein hausgemachtes Problem.