Mercedes C-Klasse C 350e im Elchtest
Hat die Plug-in-C-Klasse ein ESP-Problem?
Alle paar Jahre macht das schwedische Fachmagazin "Teknikens Värld" mit dem Elchtest Schlagzeilen. In diesem Jahr fiel die Hybrid-C-Klasse durch den Test. Aber warum?
Berlin – Die Mercedes A-Klasse machte "Teknikens Värld" 1997 weltberühmt. Im Ausweichtest des schwedischen Fachmagazins kippte Daimlers damals neuestes Modell spektakulär um. Seitdem gerieten im sogenannten Elchtest hin und wieder Autos gefährlich ins Straucheln. 2012 traf es den Jeep Grand Cherokee, im vergangenen Jahr den Porsche Macan. Vor Kurzem den Plug-in-Hybrid der Mercedes C-Klasse, den C 350e.
Was war passiert?
Teknikens Värld fuhr mit der Mercedes C-Klasse den speziellen Elchtest. Speziell, weil der Test von mittlerweile etablierten internationalen Normen abweicht. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hatte 1997 als Reaktion auf das A-Klasse-Debakel einen eigenen doppelten Spurwechsel entwickelt, der auch in die internationale Norm ISO 3888-2 einfloss. Neue Autos werden heute nach diesem Muster getestet – es unterscheidet sich allerdings deutlich vom ursprünglichen Test des Magazins.
Im VDA-Test werden die Gassen, in die das Auto einfahren muss, abhängig von der Breite des Fahrzeugs bemessen (1,1 mal Fahrzeugbreite plus 25 Zentimeter). Die deutlich breiteren Gassen (3 Meter) im Test von Teknikens Värld lassen nach Meinung des VDA zu, dass ein geschulter Fahrer das Testergebnis durch „die jeweils gewählte Fahrstrategie maßgeblich“ beeinflusst. Die Ergebnisse wären demnach nicht eindeutig und nicht streng reproduzierbar.
Jonas Borglund war der Redakteur, der die Geschichte für Teknikens Värld verfasste. Er erläutert im Gespräch mit MOTOR-TALK die Intention des Tests: Es gehe darum, eine Paniksituation darzustellen. Deswegen gebe es mehr Spielraum und deswegen werde besonders abrupt eingelenkt. Die Mercedes C-Klasse steuerte der Fahrer Ruben Börjesson. Er führt seit 20 Jahren Elchtests für Teknikens Värld durch und ist einer von zwei Testfahrern, die diese Aufgabe bei der schwedischen Zeitung übernehmen. Robert Collin, der vor vielen Jahren die A-Klasse zum Kippen brachte, arbeitet nicht mehr für Teknikens Värld.
Das Magazin veröffentlichte ein Video des strauchelnden Mercedes C350e. Es zeigt, wie der Mercedes mit für den Test üblichen 72 km/h in die Gasse aus Pylonen fährt und wie vorgesehen die Spur wechselt. Dabei bricht das Heck aus und räumt viele der Hütchen ab, mit denen die Gasse markiert wird. Normalerweise sollte hier das Stabilitätsprogramm ESP helfen, das Auto in der Spur zu halten. Laut Borglund habe das ESP im Test nicht spürbar eingegriffen. Im Video (siehe Artikelende) kann man keinen Bremseingriff erkennen.
Überrascht über das Ausbrechen wiederholte "Teknikens Värld" den Test mit einem weiteren Mercedes C350e. Dabei handelte es sich anders als beim ersten Auto nicht um einen Pressewagen von Mercedes, sondern um ein Fahrzeug von einem Händler. Einen Unterschied habe es dennoch nicht gegeben. Erst bei 64 km/h gelingt dem Mercedes das saubere Aus- und Wiedereinscheren. Laut einer Ergebnistabelle der Teknikens Värld meistern ein VW Transporter (68 km/h) oder ein Mitsubishi Outlander PHEV (67 km/h) das Manöver schneller.
Das Magazin vermutet im zugehörigen Artikel, das Stabilitätsprogramm der C-Klasse sei nicht ausreichend an das Mehrgewicht und die veränderte Lastverteilung der Hybridversion angepasst. Beim C 350e sitzt eine Lithium-Ionen-Batterie auf der Hinterachse, mit der Hybridtechnik wiegt das Modell 260 Kilogramm mehr als der C 300. Außerdem fährt das Modell mit Luftfederung.
Was sagt Mercedes?
Mercedes Schweden reagierte auf die Vorwürfe mit einem Statement und einem offenbar mit einer Handykamera gefilmtem Video. Man habe den Elchtest des Magazins nachgestellt und dabei keine Probleme festgestellt.
Dazu merkt Mercedes Schweden an, dass das Magazin den Testwagen mit einem zu geringen Reifendruck zurückgegeben habe. Dies könnte laut Mercedes die Ursache für das schlechte Ergebnis im Test sein. In einen Statement an MOTOR-TALK erläutert Mercedes, dass es sich beim C 350e im Pixel-Video um exakt denselben Testwagen wie im Magazin-Test handelt, nur mit "richtigem" Reifendruck und vorgeschriebener Beladung. Der Elchtest sei souverän mit 75 km/h gefahren worden.
"Teknikens Värld" reagierte wiederum auf den Mercedes-Erklärungsversuch und versichert, dass der Reifendruck vor jedem Test überprüft und den entsprechenden Zuladungen angepasst werde. Das bestätigt auch Jonas Borglund im Gespräch mit MOTOR-TALK. Eine Foto- oder Video-Dokumentation dazu gibt es nicht.
Das bessere Abschneiden im Mercedes-eigenen Test erklärt der Redakteur hingegen mit einem sanfteren Einlenken des Fahrers. Das Auto könne den Test dadurch schneller meistern. Einen ähnlichen Zwist gab es vor einiger Zeit auch nach dem Macan-Test. Während das Fahrzeug bei "Teknikens Värld" durch einen ruppigen ESP-Eingriff auffiel, bestand es den VDA-Spurwechsel im Test der "Auto Motor und Sport" ohne Probleme.War falscher Reifendruck die Ursache?
Guido Naumann, Testfahrer für die „Auto Bild Sportscars“, schließt einen falschen Reifendruck als Ursache für ein Versagen des ESPs aus. „Geringer oder überhöhter Reifendruck hat in der Regel keinen Einfluss auf das Stabilitätsprogramm. Im Gegenteil: Bei zu geringem Luftdruck lässt sich das ESP in vielen modernen Fahrzeugen nicht mal mehr abstellen. Im Video von "Teknikens Värld" ist aber deutlich zu sehen, dass das ESP nicht eingreift.“
Mercedes hält nach Nachfrage von MOTOR-TALK an der Erklärung fest und sendet uns folgende Erklärung: "Ein veränderter Reifendruck führt nicht dazu, dass das ESP nicht regelt. Aber die Wirksamkeit der ESP-Eingriffe auf das Fahrzeug hängt selbstverständlich im Wesentlichen von den Reifeneigenschaften ab. Ein schlechter Fahrbahnkontakt (z. B. durch reduzierten Reifendruck) führt also auch zu einem weniger wirksamen ESP."
Muss Mercedes nachbessern?
Autohersteller kritisieren häufig, dass der Test des schwedischen Magazins von den international anerkannten Normen (ISO- und VDA-Norm) abweicht. Trotzdem gilt das Blatt als seriös, vor allem, weil es besonders strenge Kriterien anlegt. Jeep warf "Teknikens Värld" 2012 vor, einen Grand Cherokee im Test überladen zu haben. Selbst nach einem gemeinsamen Nachtest wurden sich Hersteller und Magazin nicht einig. Am Ende besserte Jeep nach.
Einen gemeinsamen Nachtest haben auch Mercedes und "Teknikens Värld" bereits hinter sich. Bei dem Test unter regnerischen Bedingungen konnte die C-Klasse etwas besser abschneiden. Laut Borglund lag das daran, dass der Untergrund nass war und das ESP dadurch wahrscheinlich früher reagierte. Die Tester konnten in diesem Test, laut Borglund, einen leichten Eingriff feststellen.
Das Magazin bleibt daher bei seiner Einschätzung und Mercedes in Erklärungsnot. Ein Auflösung kann nur ein transparenter und durchgehend dokumentierter Test bringen. Ein Mercedes-Sprecher sagte zu MOTOR-TALK, dass Mercedes Schweden weiterhin mit "Teknikens Värld" in Kontakt stehe und einen weiteren Nachtest plane: „Wir wollen verstehen, was dort gemacht wird und warum sich unser Fahrzeug so untypisch verhalten hat.“ Der Test soll Anfang nächsten Jahres stattfinden.
Quelle: Teknikens Värld, MOTOR-TALK
Damit die Aktionäre glücklich sind muss man halt sparen, da bleibt kein Geld für eine eigene ESP abstimmung für eine Auto mit komplett anderer Gewichtsverteilung übrig...
Na ich sach ja immer, Standard-Auto elektrifizieren bringt nix, aber auf mich hört ja keiner. 😉
Tesla Model S hat seine Akkus im Unterboden und zwar ganz unten - ergibt einen Schwerpunkt wie beim Gokart...naja fast.
Man sollte nur aufpassen, wo man drüberrumpelt...sonst kanns verdammt schnell warm werden unterm Gesäß. 😉
naja, das sieht mehr eher nach schwarzmalerei aus.
und nein, ich fahre keine c-klasse oder einen mercedes...
lasst uns doch bitte bei den internationalen normen zur sicherheit von fahrzeugen bleiben.
Es geht ja nicht um den Schwerpunkt des Fahrzeuges, sondern darum, dass es hinten ausgeschert ist. In deiner Aussage gehst du davon aus, dass es bei einem tieferen Schwerpunkt nicht ausgeschert wäre, was wohl nicht richtig ist.
ja weil der auch wie ein bekloppter enlenkt.
Genau die Möglichkeit des unterschiedlichen Einlenkens aufgrund der breiten Gasse ist ein nicht wegzudiskutierender Kritikpunkt an diesem Test. Darüber hat der Fahrer enormen Einfluss auf das Verhalten des Fahrzeugs.
Davon unabhängig lässt die Perspektive des Videos meines Erachtens kaum Rückschlüsse darauf zu, ob und wie stark das ESP eingegriffen hat. Von der Seite wäre dies deutlich besser sichtbar als von vorn.
Oh ja, denn diese normierten Tests à la NFZ sind ja bekanntlich sooo aussagekräftig. Schon klar, dass Mercedes da heftig reagiert, wenn jemand mal einen Wagen ernsthaft prüft und sie das Fahrzeug nicht aufgrund minutiös vorgegebener Prozesse künstlich optimieren können. Könnte ja dabei herauskommen, dass ihre Fahrzeuge nicht perfekt sind.
Ich finde an dem Test gerade gut, dass die Spurgasse nicht 100% exakt vorgegeben ist. Dann passiert nämlich das Gleiche, wie bei allen Tests: es wird nur genau darauf hin optimiert. Was dabei passiert, sieht an der Einführung des Small-Overlap Tests.
Im Zweifel steht dann auf dem Grabstein: hatte leider einen Unfall der nicht den Testkriterien entsprach...
Ein Test macht nur dann Sinn, wenn er reproduzierbare und vergleichbare Ergebnisse liefert. Das ist bei diesem Test aber aufgrund des großen Fahrer-Einflusses nicht der Fall.
Haha, genau das sage ich doch immer. Hauptsache 500 PS unter´m Arsch aber in der Kurve dann Angst bekommen das die Karre umfällt 😆
Und was ist, wenn dir ein Elch, Reh, Wildsau vor die Karre springt und du nicht genau mit dem genormten Lenkwinkel ausweichst und dich danach um einen Baum wickelst? 🙄
Das ESP muss in JEDER erdenklichen Fahrsituation schützen und nicht nur bei streng genormten...
Edit: Blackhawk kam mir zuvor...
Aber auch ein ESP hat seine Grenzen.
das ist sehr bedenklich.
nicht nur das man in der Fahrschule schon lernt, dass man einem Wild nicht ausweichen soll. Nicht nur aus versicherungstechnischen Gründen (weiße einen Wildausweichschaden mal nach), sondern wie von Dir beschrieben ist es in der Regel deutlich gefährlicher auszuweichen, weil man in den Gegenverkehr / ins Schleudern kommt.
Auch sollte man als Teilnehmer am STraßenverkehr durchaus die Kenntnis erlangt haben, dass ESP sowie alle anderen Programme auch Hilfsprogramme sind, die nur in absoluten Notsituationen zum Einsatz kommen sollen und nicht im täglichen Fahren für ein schnelleres Vorankommen.
Und Elektronik überlistet nicht die Physik; auch wenn das hier anscheinend einige Glauben.
Über manche Posts kann man sich nur wundern.
Scheinbar hat Mercedes die C-Klasse fahraktiver ausgelegt mit der Konsequenz dass das ESP etwas mehr Spielraum erlaubt um vielleicht mehr Fahrspass zu erleben. Das dadurch in bestimmten Situationen die Regelung zu schwach oder spät kommt ist nachvollziehbar.
Sinnvoll finde ich das nicht, da ich sehen möchte wie man in einer Notsituation exakt im "vorgegebenen Prüfzyklus" lenkt. ESP soll zur Sicherheit beitragen was es hier nicht ausreichend tut.
Dieses Prüfinstitut überprüft seit Jahren laufend Fahrzeuge und nur weil jetzt ein Premiumhersteller Probleme damit hat, wird der Prüfzyklus in Frage gestellt? Da hat man dann eher den Eindruck, dass sich jemand ein Ergebnis so hinbiegen will, wie er es braucht.