Porsche 924 Carrera GT: Test, Daten, Preis

Hausfrau müsste man sein

verfasst am Sun Oct 09 08:00:45 CEST 2016

Vierzylinder haben bei Porsche Tradition. Im als Hausfrauenporsche geschmähten 924 sogar mit Turbo. Wir durften im besonders seltenen 924 Carrera GT auf Ausfahrt gehen.

Berlin – Die Explosion kommt bei knapp 4.500 Touren. Plötzlich werden die Arme lang. Das Lenkrad will sich aus den Händen winden, der Hinterkopf klebt an der Kopfstütze und die Pupillen werden weit, sehr weit. So fühlt sich ein Vierzylinder-Turbo an, wenn er nicht im Porsche 718 hinter dem Fahrer röhrt. Wenn er nicht aus dem Jahr 2016 stammt, sondern aus den 1980ern.

Erst vor ein paar Wochen brachte Porsche die 718er. Nicht nur die Ziffer ist neu, sondern auch der Motor. Statt eines Sechszylinders treibt Boxster und Cayman nun ein Vierzylinder an - mit Turbo. Pfui? Nun ja. Neu ist das für Porsche nicht. Schon der Porsche 924 wurde zwischen 1978 und 1982 von einem 2,0-Liter-Turbo angetrieben. Anfangs mit 170 PS, ab 1980 gab es sieben PS mehr.

Hausfrauenporsche wurde der 924 damals genannt. Das war nicht nett gemeint. Verdient hatte er das Label nie, am wenigsten der 924 Carrera GT, der 1980 kam. Sein 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo kam auf 210 PS. Das Porsche-Museum hat ihn uns für eine kleine Ausfahrt anvertraut. Und jetzt zieht er uns Arme lang.

Porsche 924 Carrera GT: Mit 0,75 bar auf 210 PS

Der kleine Schaltknüppel auf der breiten Mittelkonsole liegt gut in der Hand. Mit etwas Zwischengas rutscht er locker durch die fünf Gänge des modifizierten Getriebes. Neue Drehzahl, neues Spiel. Aus dem leichten Sportauspuff sprotzelt es heiser und der Motor dreht kreischend wie eine Turbine hoch.

Um 210 PS aus dem Carrera GT zu kitzeln, setzten die Ingenieure leichtere Schmiedekolben, gehärtete Nockenwellen und einen überarbeiteten Zylinderkopf für eine höhere Verdichtung ein. Der maximale Ladedruck des KKK-26-Turboladers wurde auf 0,75 bar angehoben und ein zusätzlicher Ladeluftkühler eingebaut. Viel Druck für viel Leistung. 1980er-Jahre-Tuning eben. Es ist ein Turbolader der alten Schule: Unterhalb von 3.000 Umdrehungen passiert so gut wie nix und der Motor brabbelt ruhig vor sich hin. Wenig später ist Konzentration angesagt.

Die Landstraße ist GT-Revier: Der Sitz mit dem schwarz-roten Nadelstreifenstoff liegt gefühlt nur ein paar Zentimeter über dem Asphalt. Über Fahrwerk, Unterboden und Sitzpolster drückt sich jeder Kieselstein in den Hintern. Federn und Dämpfer? Streiten vermutlich gerade, wer härter war, Alice Cooper oder Ozzy Osbourne, und haben darüber das Federn und Dämpfen vergessen.

Doch der Carrera GT rollt auf saugfähigen Walzen. Neutral wedelt er durch die Kurven, tänzelt kaum mit dem Heck und neigt sich kaum zur Seite. Der tief eingebaute Vierzylinder und das Getriebe an der Hinterachse sorgen für eine gute Gewichtsverteilung. Nur bei ganz ruppigen Fahrmanövern und hohen Drehzahlen kommt das Heck schön quer – Transaxle-Bauweise, wie sie sein soll.

Karosserie-Verbreiterungen wie Schulterpolster bei Kiss

Der Museums-Porsche rollt auf geschmiedeten Fuchsfelgen mit Reifen der Dimension 205/55 VR16 vorn und 225/50 VR 16 hinten. Poplig nach heutigen Standards, doch dahinter greifen innenbelüftete Scheibenbremsen vom 911 Turbo 3.3. Gut zu wissen. Damit die Räder in die Radhäuser passen, musste Porsche die Karosserie mit Kunststoff verbreitern. Vorne gelang das noch harmonisch, hinten erinnern die Radhäuser an die Schulterpolster von Kiss-Bassist Gene Simmons.

Nicht der einzige optische Unterschied zum zahmen 924. Bugspoiler, Seitenschweller und ein Heckspoiler verbessern die Aerodynamik. Auffällig atmet der Turbo durch die breite Hutze auf der Motorhaube, zwischen den Scheinwerfern versorgen vier Kühlöffnungen den Vierzylinder mit noch mehr Frischluft. Damit sieht der Carrera GT schon auf dem Parkplatz wie ein Rennwagen aus. Das soll so.

Der 924 war ein Kompromiss. Er sollte eigentlich als Nachfolger des 914 unter Volkswagen auf den Markt kommen. Einige Bauteile wie Schalter, Hebel und das Knacken des Blinkerrelais stammen von VW, der Motor von Audi. Die Produktion schien VW aber zu teuer, außerdem wurde parallel der Scirocco entwickelt. Also entschied Porsche, den 924 selbst zu bauen. Beziehungsweise bauen zu lassen. Denn die Autos liefen ab 1976 im ehemaligen NSU-Werk in Neckarsulm vom Band.

Porsche 924: Zu praktisch für den deutschen Markt

In Deutschland galt der 924er als zu brav, zu komfortabel, zu leise und zu praktisch. Ja, praktisch. Denn dank der großen Heckklappe aus Glas war das Kombi-Coupé mit großer Heckklappe ein idealer Einkaufswagen. Und ist es immer noch. Trotz der Kritik verkaufte sich der 924er gut – allerdings gingen 80 Prozent der Autos ins Ausland.

Unser 924er ist ein ganz seltenes Stück. Nur 400 Straßenautos baute Porsche zwischen Herbst und Weihnachten 1980, die Hälfte davon blieb in Deutschland. Danach entstanden noch 50 Rennwagen vom Typ 924 Carrera GTS mit 245 PS und 924 Carrera GTR mit 280 PS für die Sportwagen-Weltmeisterschaft. 1981 wurden Walter Röhrl und Jürgen Barth auf einem 924 Carrera GTP beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans Siebte.

Gebrauchte Carrera GT sind nur etwas für Fans. Der Turbolader gilt nicht als besonders standfest und Ersatzteile sind teuer. Und sie sind selten. Bei mobile.de werden derzeit nur sieben originale Fahrzeuge angeboten – zwischen 60.000 und 180.000 Euro.

Außerdem ist der Porsche schwer zu handhaben. Jedenfalls im Regen. Nur reaktionsschnelle Hände können das Vieh bei einsetzendem Turbolader in einer Kurve noch einfangen. Das geht beim aktuellen 718 Cayman leichter. Sein Turbo setzt viel sanfter ein, er fährt sich gutmütig – 35 Jahren Entwicklung haben den Vierzylinder-Turbo bei Porsche gezähmt.

Technische Daten Porsche 924 Carrera GT

  • Motor: 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo
  • Leistung: 210 PS (154 kW) bei 6.000 U/min
  • Drehmoment: 280 Nm bei 3.500 U/min
  • Getriebe: Fünfgang-Handschaltung
  • 0-100 km/h: ca. 6,9 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 240 km/h
  • Verbrauch: ca. 15 l/100 km (NEFZ)
  • Länge: 4,21m
  • Breite: 1,73 m
  • Höhe: 1,27 m
  • Radstand: 2,40 m
  • Leergewicht: 1.180 kg
  • Bauzeit: 1980
  • Preis 1981: 60.000 Mark
  • Marktpreis heute: mindestens 60.000 Euro