Classic Driving News

Hobby oder Wertanlage

verfasst am Mon Sep 07 10:18:58 CEST 2009

Teurer Spaß?Unser rostiges Hobby dient so richtig zum „Entspannen“: „Die Pickelchen waren doch letzte Woche noch nicht da???“„Liebling, hast Du die ADAC-Karte dabei? Wir stehen hier schon seit zwei Stunden“„Ach, das Getriebe muss vor dem Motor rein?“„Kann es sein, dass der Tank nicht dicht ist?

Unser Hobby hat seine Höhen und Tiefen, so ein Auto ist ja auch nur ein Mensch. Die leichten bis derben Enttäuschungen werden bei den meisten von uns aufgewogen durch einmalige Erlebnisse wie den Genuss beim Fahren, die Fertigstellung von Baugruppen bei der Restaurierung oder das Ergattern eines mehrere Jahre lang gesuchten Ersatzteils. Andere erfahren ihre Erfüllung bei der Moderation des Clubabends und suchen die Gemeinschaft. Das Motiv für das Hobby reicht also vom Genuss- über Erfolgserlebnis, von Geselligkeit bis hin zur Lebensaufgabe.

Traditionell ist ein Hobby nur eine Lieblingsbeschäftigung, die freiwillig und aus Interesse, Faszination und Leidenschaft ausgeübt wird. Viel Zeit und Geld werden investiert. So manch einer erliegt der Versuchung und schätzt das Hobby sogar mehr als seinen Broterwerb. Daher verträgt es der Hobbyist nur ganz schlecht, wenn die Sinnhaftigkeit seines Tuns von Nachbarn oder der Ehefrau kritisch hinterfragt werden.

Das galt bisher auch fast uneingeschränkt für das Oldtimerhobby: Viel Geld floss bei der Restaurierung und dem Betrieb in Ersatzteile und Werkzeuge. Noch mehr Geld floss schon in teure Fehler bei Montage oder Demontage...Mit der verwendeten Zeit und der erworbenen Expertise für die originalgetreue Wiederherstellung einstiger Massenware hätte man im gleichen Zeitraum fünf Prototypen einer fortschrittlichen Eigenkonstruktion bauen können. Damit der Fahrspaß nicht auf der Strecke bleibt, kommen auch noch Kosten für Verschleissteile, Abstellplatz und Betriebsstoffe hinzu.

Money Money Money

Wer kommt also auf die Idee, dass unser rostiges Hobby monetäre Werte schaffen würde? Dieser Gedanke wurde von vielen Kommentatoren sehr kritisch beurteilt und in einem früherenBeitrag behandelt. Um aus unseren Autos eine Wertanlage zu machen, müssen sie begehrt werden. Und hier gibt es einen fast unaufhaltbaren Trend: Immer mehr Menschen scheinen sich einen Oldtimer zu wünschen und schließen sich an. Der Besitz eines Old- oder Youngtimers wird als Lebensgefühl vermittelt, zur Abgrenzung gegenüber einer als wenig individuell erfahrenen Alltagswelt.

In Filmen und Werbespots haben die 02er BMWs, Ford Consuls, Capris und Bullis ihren Weg aus den Garagen der Kreativen auf den Bildschirm gefunden – warum wohl? Der Oldtimer als Massenphänomen hat eine eine neue Industrie geboren. Die eigentlichen Werteschöpfer sind alle, die an der neu erschaffenen Oldtimerkultur beteiligt sind: Medien, Internetportale, der Gesetzgeber, Vereine, Dienstleister, Museen und nicht zuletzt die Hersteller. Die Zahl der Oldtimerevents ist in den vergangenen Jahren explodiert, und heute vertritt nicht mehr der schüchterne Deuvet die Interessen der Oldiebesitzer, sondern der übermächtige ADAC.

Eine große Rolle spielt sicherlich auch die Tatsache, dass etliche Oldtimer heute so potent sind, dass sie vielen aktuellen Autos noch die Rücklichter zeigen können. Was vor Jahren als wenig gesellschaftsfähiges, spritfressendes Umweltmonster galt, ist heute wieder Held der linken Spur.

Wertanlage

Eine Auswirkung der gestiegenen Akzeptanz von Oldtimern sind steigende Preise für unser altes Blech, besonders für beliebte Typen wie Mercedes, BMW, Jaguar & Co. Zweifellos haben die Preise für Oldtimer in den vergangenen 15 Jahren kräftig angezogen, ganz besonders für sportliche Fahrzeuge, die in die besten Jahre kamen und vom Young- zum Oldtimer reiften.

Warum also nicht einfach den Oldtimer auch als Wertanlage betrachten? Oder Oldtimer sogar aus genau diesem Grund besitzen? Gibt es die Vorteile eines soliden Investments einfach dazu oder was gibt es zu beachten?

Es gibt eine simple Regel: Der Oldtimer sollte so gefällig wie möglich und wartungstechnisch unproblematisch sein. Gängige Modelle sind zum Beispiel Porsche 911 oder Pagode. Es gibt reichlich davon in den Kleinanzeigenspalten wie auch hier im Carsablanca-Markt. Zudem sollte das Fahrzeug eine nachvollziehbare Geschichte haben, also zum Beispiel eine dokumentierte Restauration. Außerdem ist Originalität Pflicht, koste es, was es wolle – schon wieder eine Einschränkung der Individualität. Beachtet man diese Punkte, sind die Chancen auf Werterhalt oder sogar Wertsteigerung gut.

Der Anlagehorizont sollte nicht zu kurz sein, denn aus früheren Beiträgen wissen wir, dass sich Oldtimer nur wenig zum kurzfristigen Spekulieren eignen. Daher bleibt die Frage, ob die Wertsteigerung auch langfristig nachhaltig ist.

Die Entwicklung um den VW-Bulli zeigt, welche Blüten die neu erschaffene Oldie-Kultur treiben kann: Sind erst die Preise für die Ex-Hippie-Sambas in die Höhe geschossen, folgen nun die Campingausführungen. Während sich die Hersteller moderner Campingmobile nur mit Mühe durch die Krise schleppen, stürzt sich eine gut kapitalisierte Meute auf die alten Westfalia-Erzeugnisse.

Im Falle des Camping-Bulli werden viele neugewonnenen Fans vielleicht mittelfristig feststellen, dass die Lust am individuellen Campingoldtimer mit einem gewissen Masochismus erkauft werden muss. Der Bulli hat sicherlich seine Qualitäten als zuverlässiger Oldtimer, für das heutige Verkehrsgeschehen und längere Touren ist er aber untermotorisiert. Dazu kommen ausgelegene Polsterbetten und stinkende alte Zeltdächer. Dieser Hype war ganz klar Medien- und Herstellergetrieben. Ist das die Basis für eine nachhaltige Wertsteigerung oder sollte der Eigner nicht lieber ein Freak sein?

Das ist nur eine Beobachtung von Vielen. Was tatsächlich kommt, kann kein Mensch vorhersagen. Meine Kinder werden erst in einigen Jahren den Führerschein machen. Dreissig Jahre später werden sie vielleicht die ersten Tesla-Roadster interessant finden oder den Prius, aber womöglich nicht das stinkende, bollernde Ungeheuer von Papa.

Fazit

Je nach Geldbeutel und persönlichen Zielen muss jeder Leser selbst entscheiden, was für ihn am Wichtigsten ist: Hobby oder Investment.

Als kleine Hilfe haben wir drei Psychogramme zusammengestellt, in denen sie sich vielleicht wiederfinden:

Der Schrauber und Individualist

Der Hobby-Aktivist legt großen Wert auf die Einzigartigkeit seines ihm eng verbundenen Gefährts. Er tut alles, um Zeit und Geld in sein Kleinod zu stecken oder sich sogar eine Sammlung vom gleichen Typ anzulegen. Individueller geht es nicht, denn so eine Liebe fällt selten auf einen Boulevard-Oldie. Das Verhältnis zur Originalität ist gespalten: Schließlich will ja man auch mal was ausprobieren. Da wird ein SM zum knallroten Cabrio umgebaut, der Dino bekommt eine Servolenkung, oder der NSU-Innenraum wird beledert.

Viele schrullige Lösungen werden auch aus Geldnot geboren. Geld fällt nicht jedem Hobbyschrauber in den Schoß, und so wird denn auch das ein oder andere Detail wenig originalgetreu wieder hergestellt. Für den Werterhalt ist das tödlich. „Verbastelt!“, so spotten manche Oldtimerkenner, und verkennen den Spaß des Hobbyschraubers. Tatsächlich werden sich in absehbarer Zeit nur wenige Menschen finden, die den Geschmack des Hobbyisten teilen. Das macht seinen Spaß aber nicht geringer.

Schöngeister und Freiberufler

Mit etwas Geld auf der hohen Kante sieht er sich nach herrlichen Designklassikern um, um sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen. Gleichzeitig genießt er auch mal gerne bewundernde Blicke am Straßenrand. Die Kaufkandidaten fährt er vor dem Kauf erstmal ausgiebig zur Probe. Die technisch weniger Anspruchsvollen landen fast automatisch bei Mustang oder Corvette, die Anderen oft bei den Italienern, bei Jaguar oder eben beim 911. Vielleicht kommen auch noch eine DS in Frage oder ein 504 Cabriolet. Gegenüber den heutigen Einheitskarossen ist so ein Klassiker immerhin recht individuell. Besonders hoch scheint deren Vorkommen bei den Freiberuflern.

Etwas Bastelei kommt fast automatisch, damit keiner merkt, was man sich mangels Fachwissen eigentlich angelacht hat. Ordentliche Bildung, Fremdsprachenkenntnisse und eine digitale Arbeitswelt führen zu nächtelangen Suchen nach vermeintlichen Ersatzteilschnäppchen oder Antworten auf Technikprobleme im Internet. Wenigstens haben die gewählten Fahrzeugtypen einen recht guten Werterhalt. Die Aufwendungen liegen aber um ein Vielfaches höher.

Der Besitzer und Bewunderer

Wir haben es schon fast geahnt: Wer hauptsächlich auf Wertanlage aus ist, muss auf Individualität verzichten.

In der gut beheizten Garage stehen in gutem Zustand erworbene Schätzchen bekannter Modelle und bewährter Marken, die beim Fachmann gewartet werden. Die Technik ist meist komplex, der Besitzer bewundert selbstlos die gebotene Ingenieurskunst. Ausflüge zu Rennen oder Rallyes werden dagegen öfters unternommen, die Oldies werden zum Fahren durchaus genutzt.

Die Heuschrecke

Bestimmte Oldtimer versprechen Wertzuwachs. Der eiskalte Kapitalist hortet daher Oldtimer wie Goldbarren und selektiert eiskalt die vielversprechendsten Stücke. Die Autos werden in dunklen Garagen luftdicht versteckt und erst bei Veräußerung wieder herausgeholt. Trends werden analysiert, Autos je nach Marktmeinung gekauft und entsprechend wieder verkauft. Durch gezielte Verknappung werden Preise von Autos und Ersatzteilen in die Höhe getrieben. Fahrzeuge aus dem Bestand werden geschickt vor dem Verkauf in der Presse präsentiert.

Und nun Hand aufs Herz: Welchem Typ entsprechen Sie am ehesten?

von Jan Altmann

 

Quelle: Carsablanca