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Japan-Barock in Reinkultur: Früher Mazda 929

verfasst am Mon Oct 19 10:19:12 CEST 2009

Konventionelle Technik, leicht antiquiert wirkende Karosserieformen: Die erste Generation der in Europa verkauften Japan-Pkws riss optisch niemanden vom Stuhl. Eine möglichst vollständige Ausstattung zu günstigen Preisen öffnete den Söhnen Nippons den hart umkämpften europäischen Pkw-Markt. Bernd besitzt eines der wenigen überlebenden Exemplare des Mazda 929, wie er ab 1973 hierzulande ausgeliefert wurde.

"Eigentlich war ich von jeher ein Ford-Fan“, erläutert Bernd. "Meine ersten Fahrversuche habe ich mit Vaters greisem 20 M TS gemacht, mein erstes eigenes Auto war ein Hundeknochen-Escort. Danach besaß ich einen Fiesta S, meinen ersten Neuwagen. Und der hat mich dann geheilt – musste noch vor dem ersten TÜV-Termin geschweißt werden! Meine damalige Freundin fuhr einen der ersten Mazda 323, der rostete kaum, und kaputt ging scheinbar gar nix“, wundert sich Bernd bis heute. „So habe ich mir dann auch einen Mazda 323 angeschafft. Die Freundin war irgendwann weg, die Vorliebe für Mazda blieb.“

Über ein 626 Coupé und ein kurzes Intermezzo mit einem RX 7 kam der selbständige Bauingenieur zu seinem heutigen Alltagsauto, einem Mazda 6. „Meine Autos habe ich seit Jahren in derselben Werkstatt warten lassen, bei einem alt eingesessenen Mazda-Vertragshändler im Dortmunder Osten. Dort habe ich auch unseren aktuellen Alltagswagen gekauft. Bei dem Händler stand, anfangs im Showroom, später im Fundus, dieser blausilberne 929er.“

Die viertürige Limousine interessierte Bernd nur am Rande, bis er davon erfuhr, dass der Händler seinen Betrieb aus gesundheitlichen und Altersgründen aufgeben wollte. Das war Anfang 2006. „Da habe ich dann bei einem Werkstattbesuch den 929er in der Ecke stehen sehen – sah irgendwie traurig aus.“ Spontan fragte Bernd nach, was mit dem inzwischen fast 30 Jahre alten Mazda geschehen solle.
Darüber hatte sich der Seniorchef des Autohauses noch keine konkreten Gedanken gemacht, aber er wollte ihn in guten Händen wissen. „Der 929 gehörte zu den ersten Exemplaren, die er als Mazda-Händler verkauft hat, so hat er mir berichtet“, erinnert sich Bernd. „Später hat er ihn dann zurück gekauft, aus zweiter Hand. Gewartet worden ist das Auto immer nur bei dieser Firma.“ Bernd dachte zu Hause über den japanischen Youngtimer nach, rief am nächsten Tag bei dem Händler an und machte ein Angebot.
Kurz darauf war er Eigentümer eines zwar zigtausendfach in Europa verkauften, aber längst aus dem Straßenbild verschwundenen Vertreters der oberen Mittelklasse. „Diese Fahrzeuge wurden gekauft, weil sie billiger waren als die europäische Konkurrenz, zumindest, wenn man ihre vergleichsweise opulente Ausstattung in Betracht zog. Das war etwas für Leute, die nüchtern kalkulierten und sich sagten: Besser einen Japaner bar bezahlen, als Schulden für einen deutschen Wagen machen.“

Weil diese Fahrzeuge aber von Pragmatikern gekauft und gefahren wurden, hat kaum ein Exemplar überlebt. Sie wurden gebraucht, verbraucht – und dann auf den Schrott gebracht. „Eine Mazda Limousine hat kaum jemand bewusst aufgehoben“, ist Bernd sicher. „Allerhöchstens die Modelle mit Wankelmotor hatten eine Überlebenschance.“
Schon 1961, nur gut ein Jahr nach Aufnahme der Pkw-Produktion, schloss das 1920 gegründete Unternehmen einen Lizenzvertrag mit NSU ab, der den Japanern die Nutzung und Weiterentwicklung des Motorkonzepts von Felix Wankel erlaubte. Bis heute hat Mazda Modelle mit Kreiskolbenmotoren im Programm, doch kamen sie über ein Nischendasein nie hinaus.
Auch Bernds Limousine gehört zu den konventionell angetriebenen Modellen, wobei das Temperament des 1,8 Liter Vierzylinders mit 83 PS eher behäbig ausfiel. „Das ist aber in Ordnung so, denn das Fahrwerk mit hinterer Starrachse hat ohnehin keine sportlichen Ambitionen“, weiß Bernd. Er bewegt seinen 929er Limousine vergleichsweise selten.
„Der Wagen ist auf dem roten Sammlerkennzeichen eines guten Freundes eingetragen, der mir auch eine Ecke in seiner Halle eingeräumt hat. Eine reguläre Zulassung – selbst mit H-Kennzeichen – wäre rausgeworfenes Geld. Ich komme einfach zu selten dazu, den Mazda mit seinem Wohnzimmer-Feeling zu fahren – leider.“

von Michael Grote

 

Quelle: Carsablanca