Nachwachsende Rohstoffe im Autobau
Jute statt Plastik
Sechsmal leichter als Baumwolle und sehr haltbar: Die Kapok-Nuss wird bisher nur zu Matratzen verarbeitet. Bald soll sie auch in Autos zum Einsatz kommen.
München/Stuttgart - Statt Leder umspannen Ananasfasern die Sitze. Am Armaturenbrett aus Hanf kleben Zierteile aus Eukalyptus, dahinter stecken Flachs und Kenaf. Moderne Autos setzen im Innenraum auf nachwachsende Rohstoffe. Im Vergleich zu künstlich hergestellten Produkten besitzen sie Vorteile: Sie wachsen nach, sind theoretisch unendlich verfügbar, besitzen gute Dämmeigenschaften und ein positives Crashverhalten. Viele sind biologisch abbaubar. „Oft haben sie eine bessere CO2-Bilanz, sind leichter, besser zu recyceln und bieten Vorteile bei Haptik und Patina“, sagt Daniela Bohlinger, Leiterin „Sustainability in Design“ bei BMW.
Schurwolle statt Baumwolle, Olivenblattextrakt zum Gerben
Beim Elektrofahrzeug BMW i3 kommen rund 20 Prozent Recyclingmaterial zum Einsatz, bei herkömmlichen BMW 15 Prozent. Je nach Ausstattung sind bis zu 80 Prozent aller Flächen im Sichtfeld des Fahrers aus nachwachsenden oder nachhaltig verarbeiteten Rohstoffen. Darunter fallen Kenaf (eine Malvenart), europäischer Eukalyptus, Schurwolle (anstelle von Baumwolle) oder Olivenblattextrakt für gegerbtes Leder (statt Chemie).Die Möglichkeiten für weitere Einsätze seien unendlich. „Wir beschäftigen uns mit allem, wie dem Einsatz von Wolle aus Kapok-Nüssen oder der Aufbereitung von Fluss- und Seeplastik“, sagt Bohlinger. Neben nachwachsenden Rohstoffen forscht BMW auch an Rezyklaten, also recycelten Kunststoffen. Aus aufgearbeiteten Starterbatterien und alten Stoßfängern entstehen Kunststoffteile für Radläufe, Unterböden oder Kabelbäume. „Wichtig ist bei allen Werkstoffen: Sie müssen die gleiche Qualität erfüllen wie konventionelle Stoffe“, sagt Bohlinger.
Bei Volkswagen werden unter anderem Flachs, Hanf, Kenaf, Papier, Zellulose, Baumwolle und Holz in der Serienfertigung eingesetzt. Bauteile mit diesen Materialien sind beispielsweise in Tür- und Seitenverkleidungen, Ladeböden oder Bodenbelägen zu finden. Im aktuellen Golf finden sich mehr als 100 Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen.
Ganz problemlos sind die Produkte aber nicht: Insbesondere die Geruchsentwicklung stellt eine Herausforderung dar. „Dies ist aber durch geeignete Fertigungsverfahren beherrschbar“, sagt Peter Weisheit von VW. Auch die permanente Verfügbarkeit für eine ununterbrochene Produktion stellt die Industrie vor Probleme. Denn im Einzelfall können negative Umweltauswirkungen wie Wasser-, Dünger-, Energie- und Landbedarf sowie soziale Aspekte wie Nahrungsmittelkonkurrenz den Einsatz von Öko-Produkten verhindern.
Herausforderung: Eigenschaften und Versorgung
Audi verwendet in manchen Modellen bis zu fünf Prozent Öko-Materialien, darunter Baumwollvliese, Holz, Holzfaserwerkstoff in Verkleidungen sowie Leder. Auch für Audi muss die Beständigkeit gegen mechanischen Abrieb, Feuchtigkeit, Wärme, UV-Strahlung und Chemie gegeben sein. „Außerdem dürfen die Werkstoffe keine zusätzlichen oder schlechtere Emissionswerte aufweisen“, sagt Dieter Kraft, Leiter Materialentwicklung.Eine Herausforderung seien schwankende Eigenschaften der nachwachsenden Rohstoffe. Nur durch einen hohen Aufwand von Bearbeitungs- und Behandlungsprozessen werden dann die gewünschten Eigenschaften erreicht. „Wir arbeiten an verschiedenen Konzepten, die Nachhaltigkeit unserer Fahrzeuge weiter zu verbessern und den Anteil nachwachsender Rohstoffe zu erhöhen“, sagt Kraft. Dazu zählen holzbasierte Sandwichwerkstoffe, biobasierte Korrosionsschutzschichten oder Gerbstoffe zur Lederherstellung aus nachwachsenden Rohstoffen.
Mercedes setzt in den Tür-Innenverkleidungen Holz- oder Flachsfasern mit Harz ein und im Schiebedach-Rahmen eine Naturfasermatte. „In allen Modellen verwenden wir in verschiedenen Bereichen unter anderem Hanf, Kenaf, Baumwolle, Schurwolle, Leinen, Kokosfaser, Flachs, Zellulosefasern oder Holz“, sagt Anita Engler, Leiterin umweltgerechte Produktentwicklung bei Mercedes. „In erster Linie sind Naturfasern Träger für Verkleidungsbauteile und nicht sichtbar.“
Bei einer Motorabdeckung kommt ein Biopolymer zum Einsatz. Das Polyamid zur Herstellung besteht zu rund 70 Prozent aus pflanzlichen Rohstoffen, die aus Rizinussamen gewonnen werden. Mercedes will den Einsatz der Öko-Teile weiter erhöhen. „Wir entwickeln unter anderem Lösungen im Sichtbereich, die auch für den Kunden erlebbar sind“, sagt Engler. Nur bei crashrelevanten Bauteilen verzichtet Mercedes auf Rezyklate oder nachwachsende Rohstoffe: „Bisher konnte noch kein untersuchtes Material die Anforderungen sicher erfüllen.“
Bio-Gummi ersetzt Kunststoffe
Schon seit 2001 verbaut Toyota nachwachsende Rohstoffe, unter anderem bei Einstiegsleisten, Türverkleidungen und Sitzpolstern, sagt Sprecher Dirk Breuer. Auch Fasermaterialien wie Hutablagen, Dachhimmel, Teppiche und Sitzbezügen werden nicht mehr aus Kunststoff hergestellt. Der aktuell in Japan verkaufte Toyota Sai verwendet für 80 Prozent der Oberflächen im Innenraum nachwachsende Rohstoffe. Auch Bio-Gummi für Vakuum-Schläuche ersetzen Kunststoff. Bald sollen sie bei Kraftstoff- oder Bremsschläuchen eingesetzt werden.Dass die Hersteller auf nachwachsende Rohstoffe setzen, hat nicht nur mit Umweltbewusstsein zu tun. Die europäische Altfahrzeugrichtlinie 2000/53/EG gibt Verwertungsquoten für Pkw vor - 85 Prozent der Autos müssen stofflich recyclingfähig und zu 95 Prozent verwertbar sein. Dazu fordert die Richtlinie, mehr Recyclingmaterial zu verwenden. „Nachhaltigkeit wird aber immer mehr zu einem Thema, das Premium definiert“, sagt Daniela Bohlinger von BMW. Und für Dieter Kraft von Audi ist „Nachhaltigkeit ein großer, aktueller Trend, der für uns aus Markensicht und für unsere Kunden sehr interessant ist.“
Quelle: dpa
Mal ne Abwechslung zum klassischen schwarzgrauen Plastik. 😊
Streng genommen bestehen Fahrzeuge ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen, denn Eisen bildet sich nach, Sand für die Glasscheiben entsteht auch ständig neu, Kautschuk für die Reifen ist sowieso ein Naturprodukt und selbst die Ausgangsstoffe für Kunststoff sind biologischen Ursprungs.
Leder, im Gegensatz, ist nicht nachwachsend, denn dafür müssen Tiere gezüchtet und geschlachtet werden.
Leder ist natürlich nachwachsend, du hast ja schon geschildert, wieso dem so ist. Pflanzen müssen ja ebenso gezüchtet und "geschlachtet" werden. 😉
Wobei man unter solchen "Bioprodukten" i.d.R. von kurzen Gewinnungszyklen ausgeht. Erdöl ist ja auch nichts anderes als ein biologischer Rohstoff, welcher halt nur mehr Zeit braucht, um gebildet zu werden.
Kunststoff selbst ist auch nicht das Problem. Aber Premium wird er erst, wenn 100 Weichmacher für den Softtoucheffekt und damit Punkte im Vergleichstest sorgen. Dann wird er zum Sondermüll.
Meine beiden Katzen haben Holzarmaturenbretter und Unmengen Kuhhaut. Beides wächst nach. Kühe werden mehr und mehr und Bäume wachsen. Der Kunststoff ist übrigens auch natürlichen Ursprunges. Der Plastikbaum in meinem Bad zeigt, dass Plastik auf Bäumen wächst. Dazu auch ohne Pflege. Kein Wasser oder Dünger notwendig... 😆 Bei mir kommt auch Strom aus der Steckdose und Wasser aus dem Hahn. 😆
Prinzipiell eine gute Sache.
Man muss aber imho aufpassen, dass der Schuss nicht nach hinten losgeht.
Folgen von pflanzlicher Rohstoffgewinnung sind meist Rodungen von Wäldern, anbau von Monokulturen und die damit verbundenen ökologischen Probleme wie z.B. Wasserraub.
Imho ist der Ansatz, dass das Autos aus bereits recycelten Materialien bestehen muss fast sinnvoller und wichtiger.
Es ist noch keine 50 Jahre her, da wurde in allen KFZ noch Kapok oder Kokosfaser in den Sitzen, den Dämmstoffen etc verarbeitet.
Beim Trabant bestand die ganze Karosserie aus naturfaserverstärktem Kunststoff...Baumwolle.
Was haben wir gelacht...und jetzt ist es auf einmal wieder der ganz heiße Scheiß frisch aus der F+E der Premiummarken. 😆
OK, kann man machen. Vieles ergibt auch total Sinn. Was willst du aus verranzten Altkleidern (die guten gehen nach Afrika) auch anderes machen als Filzmatten? Der Kram brennt ja nichtmal richtig.
Ich würde mir aber keinen drauf pellen. Was sind schon ein paar Kilo Natur hier und da verglichen mit dem Spritverbrauch während der Nutzungsdauer?
Zumindest gut gemeint. 1x im Jahr das Fahrrad nehmen nützt der Umwelt aber wahrscheinlich mehr.
Jute statt Plastik
Genau das hatte vor Jahren mal ein Witzbold mit einem Edding auf einen Kondom-Automaten geschrieben 😆
Besser Ute, als Plastik....😮😎
Das Thema hast du falsch verstanden......nicht von dem Zeug soll in der Gesamtbilanz der Umwelt nutzen...sonderen dem Gewissen der Verbraucher und den Gewinnen der Konzerne.
Kaffeekapseln aus Plastik, Alu oder die neuen Biokaffeekapseln sind ja auch alle "gut für die Umwelt" zumindest wenn man den Herstellern glauben darf.
;-)
Solange nicht der gesamte Produktionsweg (gesamter Ökologischer Fussabdruck) miteinbezogen wird ist der ganze Kram eh nicht zu vergleichen....und man verlässt sich auf Werbeaussagen und sinnfreie Ökogutachten der Hersteller.
Was war daran so lustig? 😕
Sagen wir einmal so ... ich habe nicht gegen Naturstoffe im Innenraum von Hutablagen, Türelemente, Cockpitelemente, etc. Wenn es aber ... wie z.B. im i3 in den Türen (Innenraum) wie eine Notdurft einer Pressschale der einfachsten Machart aussieht ... ist es schlicht MURKS.
Das gehört luxeriös verkleidet ... wie es auch bei normalen Autos stattfindet und LUXUS definiert.
Das Auto ist kein Dachstuhl mit einer Innenverkleidung, der nicht zum Wohnen gedacht ist.
Das Auto ist keine Kellerwand eines Kohlenkellers, der Eierkohlen speichert und sonst nichts. Als Kind hatte ich immer etwas "Horror" im Kopf, wenn meine Eltern abends sagten, geh mal Kohlen holen ... ... .
Das muss ich beim Einsteigen in ein Auto weder so haben, noch ertasten, noch sehen ... 😊🙄😆😉😜
Naja, deutsche Fahrzeugbesitzer scheinen da aber nicht allzu hohe Ansprüche zu stellen.
Ich staune immer wieder darüber, wie viele Käufer aufgeschäumtes Weichplastik einem vernünftigen Edelholzfunier vorziehen...