Neuseeland: Null Toleranz beim Tempolimit
Kaum zu schnell, trotzdem Strafzettel
Keine Toleranz für Tempo-Sünder: Neuseeländische Polizisten sollen selbst bei kleinen Geschwindigkeits-Übertretungen die Kelle zeigen. Eine Geschichte aus der weiten Welt.
Wellington/NZ – Das Schlagwort „Null Toleranz“ kennen wir aus der Drogenpolitik und Verbrechensbekämpfung. Ein Land testete das Prinzip jetzt im Straßenverkehr: Bei jeder noch so kleinen Überschreitung des Tempolimits drohen Strafen. Gibt’s nicht? Gibt’s doch, und zwar in Neuseeland.
Wegen der niedrigen Einwohnerdichte und einem Tempolimit von 100 km/h geht es auf den Straßen im südpazifischen Inselstaat eigentlich beschaulich zu. 4,5 Millionen Einwohner verteilen sich auf zwei große und viele kleine Inseln.
16 Einwohner teilen sich einen Quadratkilometer, in Deutschland sind es 14-mal so viele. Etwa 2,4 Millionen registrierte Pkw und 430.000 Lkw meldet die staatliche „New Zealand Transport Agency“. Das sind je tausend Einwohner kaum weniger als in Deutschland.
Jede Übertretung wird geahndet
Seit dem ersten Dezember 2014 verfolgt die neuseeländische Autobahnpolizei nun die „Null-Toleranz“-Linie. Wer mit zu hoher Geschwindigkeit erwischt wird, und wenn es nur ein km/h ist, muss mit der Polizeikelle rechnen.
Für die klassische Ferien-und Hauptreisezeit zwischen Anfang Dezember und Ende Januar teilte die Polizei mit: „Unsere Botschaft ist klar. Alles über dem Limit ist eine Geschwindigkeitsübertretung. Jede Geschwindigkeitsübertretung wird geahndet.“
Für die Neuseeländer bedeutet das eine Umstellung: Bisher lebten sie mit einer 10-km/h-Toleranz. Eine Art Pilot-Projekt gab es aber bereits: Im Dezember 2013 und Januar 2014 schrumpfte die Toleranz auf 4 km/h. Damals verhängte die Polizei 200.000 Strafen für Tempolimit-Verstöße bis 10 km/h.
Das Problem mit Toleranzen laut der Polizei: Autofahrer rechneten sie in ihre Geschwindigkeit ein, setzen oft von vornherein ihren Tempomat auf 110 km/h, zehn Prozent über dem Limit. Dies wolle die Polizei unterbinden. Wer erwischt wird, muss mit einer Geldstrafe rechnen. Ob es dazu kommt liegt im Ermessen des einzelnen Polizisten.„Das ist etwas extrem“
Die Bürger sind irritiert: „Wegen einem km/h über 100 angehalten zu werden, ist etwas extrem“, schreibt ein Zuschauer des Fernsehsenders TV NZ. Ein anderer fragt: „Sind denn alle Tachometer so genau kalibriert? Ich glaube nicht.“
Wie knallhart ging die Polizei wirklich gegen Neuseelands Autofahrer vor? Es habe bis Mitte Januar für minimale Verstöße (1-4 km/h) nur einen Strafzettel mehr gegeben als im Vorjahr, meldet der „Manawatu Standard“ und folgert: Hätte die Polizei versucht, jeden Mini-Verstoß zu ahnden, wären ihr die Strafzettel ausgegangen.
Statt auf Tempoverstöße müsse die Polizei den Fokus auf überforderte Fahrer und gefährliches Fahren legen. Dieser Hinweis scheint berechtigt: Niemand muss Fahrstunden nehmen, um in Neuseeland ein Auto bewegen zu dürfen.
Ohne Fahrstunde zum Führerschein
Für das Fahren mit Begleitperson sind lediglich ein Alter von 16 Jahren und eine theoretische Prüfung erforderlich. Wer ein halbes Jahr lang mit Begleitung gefahren ist, darf tagsüber auch allein fahren. Selbst für die volle Lizenz sind praktische Übungen nicht nötig, sie verkürzen allerdings die Wartezeit.
Die Polizei konstatiert: Zu hohe Geschwindigkeit ist die Ursache von 20 Prozent aller schweren Unfälle. Allerdings steige diese Zahl in der Ferienzeit auf 24 Prozent.
Der Autojournalist Clive Matthew-Wilson rechnet dagegen: Ungeübte oder überforderte Fahrer tragen in Neuseeland die Schuld an 31 Prozent aller schweren Unfälle. 20 Prozent Unfälle bei zu hoher Geschwindigkeit bedeuten auch, dass 80 Prozent der Unfälle innerhalb der Tempolimits geschehen. Die verbleibenden „Hochrisiko-Fahrer“ seien immun gegen Vernunftappelle.
Schon Anfang Januar meldete die Verkehrsbehörde 17 Todesfälle während der Urlaubszeit. Ein neuer Höchststand, trotz Null Toleranz. Auch der konservative Politiker Ron Mark sprach deshalb von einem „gescheiterten Experiment“.
Es sorge dafür, dass „gute Fahrer sich wie Kriminelle fühlen.“ Dies habe die Polizei viele Ressourcen gekostet, aber keine Unfälle verhindert. Wenn Fahrer nur noch ihren Tacho beachten, führe das zu verminderter Aufmerksamkeit für den eigentlichen Verkehr.
Quelle: New Zealand Herald; Manawatu Standard; stuff.co.nz; nzta.govt.nz; police.govt.nz
Sehr löblich. In Neuseeland setzt man noch auf die Selbstverantwortung der Fahrzeugführer.
Aus dem Artikel geht nicht hervor, wie groß die Messtoleranz ist, die zuerst abgezogen wird. Bzw. ich möchte bedenken, dass man auch in D für 1km/h zu schnell nach Abzug der Messtoleranz einen Strafzettel kriegen kann. Bedeutet als PKW-Fahrer ggf. 80EUR und 1 Punkt -> http://www.verkehrsportal.de/bussgeldkatalog/tab_01.php#lkw
notting
Also in Deutschland gibts für "bis 10 km/h zu schnell" 10 Euro Strafe außerorts.
"Bis"... aber ab wann? Ich meine 3 km/h gehört zu haben, aber ich finde dazu nichts.
Wenn ich im Bußgeldrechner 54 km/h eingebe, werden 3 km/h Toleranz abgezogen und so wäre ich dann 1 km/h zu schnell -> innerorts 15 Euro!
Interessant zu wissen wäre auch, wie viel man denn in Neuseeland zahlen muß, wenn man 1-4 km/h zu schnell war! Mal wieder schlecht recherchiert...
Also mich würde jetzt mal der direkte Vergleich zwischen Deutschland und Neuseeland interessieren!
Ein Freund von mir tourt gerade durch NZL. Aber der wohnt sonst in der Schweiz. Der ist drastische Strafen bei 1 km/h zu schnell gewohnt. 😉
komisch die begründung bei 20% der unfälle war die überhöhte geschwindigkeit schuld, soche sprüche kennen wir doch, nur heißt das nicht daß die heiligen 100 überschritten wurden bei scheiß wetter können auch 50 zu schnell sein. (wobei ich nicht weiß ob es dort auch scheiß wetter gibt.).
ansonsten nach mm da muß ein grüner hin ausgewandert sein. den hier keiner mehr wollte. und in brüssel war gerade kein stuhl frei.
Abgesehen davon, dass ich die Vorgehensweise in der Tat übertrieben finde (dient in dieser Form wohl nur dem Füllen der Kassen), kann man sich auf den Tachometer im Gegensatz zur Meinung einer im Text genannten Person sicher verlassen. Der auf dem Tacho die begrenzte Geschwindigkeit fährt, ist in echt nämlich ausnahmslos immer langsamer - außer, die Bereifung wurde falsch gewählt.
Kann man das überhaupt so genau einhalten? Ich bin mal mit einem Freund und seinem betagten Transporter Konvoi gefahren. Er sagte nicht über 80 und entsprechend hab ich die Nadel immer bei 80 auf der Autobahn gehalten. Wirklich Strich achtzig. Später sagte er mir dann, dass sein Tacho die ganze Zeit 75 angezeigt hätte. Glaube mit 1 KMh gleich zu schnell macht man nur Probleme, so genau ist doch keine Serieneieruhr in irgend nem normalen PKW. Zumal wie will man das immer halten, bei jeder noch so kleinen Steigung oder Senkung wird der Wagen schneller/langsamer.
Und jetzt immer 10 unter Limit zu kriechen wird auch irgendwie albern wirken.
Doch, und zwar 0 km/h 😉 Deshalb ist ja auch immer von "Null Toleranz" die Rede. Heißt ab 101km/h außerorts winkt dich schon die Polizei raus, Messtoleranz gibt es keine mehr. Hier in D sind es ja 3km/h Toleranz für Geschwindigkeiten unter 100km/h, und über 100km/h sind es 3%.
Das ist in Frankreich schon länger so. Da zahlt man auch schon ab 1 km/h (bis 10 km/h) Übertretung Strafe. Soweit ich weiß, 45€ außerorts und das Doppelte innerorts. Das ist ziemlich drastisch, und führt dazu, dass man in der Regel in den Städten nirgendwo mehr die 50 erreicht, weil alle laut Tacho fahren...
PKW-Tachos zeigen immer zu viel an und eine Toleranz werden die Neuseeländer wohl auch abziehen.
Mit Tacho Strich Tempolimit oder eben 5 km/h drunter, wenn man besonders vorsichtig ist, wird einem nichts passieren.
Solange man die HÖCHSTgeschwindigkeit aber als MINDESTgeschwindigkeit sieht und generell immer lieber 10 drüber als drunter fährt, hat man ein Problem. Tatsächlich und nach 10 mal 1 km/h zu schnell ist in Neuseeland der Führerschein weg:
http://www.nzta.govt.nz/.../stepping-over-the-line.html
Diese Nulltoleranz gibt es bei uns in Österreich auch schon - in Ortsgebieten.
Laut KfV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) soll das aber auf alle Strassen ausgeweitet werden. Bei uns in Österreich ist das eine Methode um Geld in die leere Staatskasse zu bringen. Mittlerweile haben Polizisten auch schon Vorgaben wieviele Anzeigen pro Woche bzw. Monat geschrieben werden müssen.
Da gibt es so wie im Vertrieb Ziele die erreicht werden müssen 😕.
Jedes Messgerät hat eine Toleranz. Deswegen der Toleranzabzug, dass es nicht jemanden trifft, der in Wirklichkeit gar nicht zu schnell fährt. Lies doch mal den Text:
Aus der Formulierung geht deswegen IMHO eindeutig hervor, dass real zu schnelle km/h gemeint sind.
In D habe ich auch schon gehört, dass stellenweise auch 10km/h zuviel _nach_ Abzug der Messtoleranz toleriert wird, also könnte sowas gemeint sein.
notting
Die Sollzahlen gibt's in D angeblich schon seit vielen Jahren.
notting
Ich habe es doch gerade erst erwähnt: Wenn Du 80 oder 100 oder 130 laut Tacho fährst, bist Du in echt IMMER langsamer! Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass ein Tachometer niemals weniger anzeigt, als man in echt fährt, genau aus diesem Grund.