Kawasaki H2 SX im Test: Fahrbericht, technische Daten, Preis
Kawasakis giftgrüne Rakete
Ein "Porsche-Killer" sollte sie werden. Die Kawasaki H2 SX. Der einzige Sporttourer mit Kompressoraufladung macht auf der Straße schnell klar, wer hier der Boss ist.
Köln - Es war das erklärte Ziel der japanischen Entwickler, dass ihre Kawasaki H2 SX nicht von Porsche und anderen Sportwagen überholt werden sollte. Einen „Porsche-Killer“ wollten sie auf die Räder stellen, und zwar nicht in Form eines Superbikes, sondern im Gewand eines Sporttourers. Grün sollte er natürlich sein, Giftgrün. Nach 4.800 Testkilometern ist festzustellen: Ziel erreicht. Nicht ein einziger Porsche konnte vorbeiziehen. Das war weit leichter als gedacht, weil nämlich kein einziger Sportwagenfahrer den ernsthaften Versuch startete, mitzuhalten zu wollen.
299 km/h nennt der Fahrzeugschein der Kawasaki H2 SX als homologierte Höchstgeschwindigkeit. Das aber auch nur, weil die Techniker dem grünen Pfeil eine elektronische Fessel anlegen – die mit dem Ram-Air (steigert bei hohem Tempo die Leistung) vorhandenen 210 PS sind allemal gut für eine Zugabe. Aber man will’s ja nicht übertreiben. Schneller als 280 km/h sind wir während des Tests nie gefahren; zu voll waren dafür die Autobahnen. Doch das reichte vollauf, um feststellen zu können, dass die Kawa auch mit beladenen Seitenkoffern stoisch die vom Fahrer gewünschte Linie hält, und zwar bei jedem Tempo. Es reichte auch um zu begreifen, dass selbst jenseits der 250 km/h der Vortrieb noch mit beeindruckender Vehemenz vonstatten geht.Eine Kraftdemonstration auf zwei Rädern
Die Besonderheit des 1,0-Liter-Vierzylinder-Motors ist auf der rechten Triebwerksseite abzulesen: „Supercharged“ steht auf einer runden Plakette und verrät, dass das Aggregat von einem Kompressor aufgeladen wird. Diese aufwendige Technologie, derzeit einmalig im Motorradsektor, hat Kawasaki glänzend im Griff: Egal, bei welcher Gasgriffstellung, bei welcher Laderdrehzahl und bei welcher Motordrehzahl – die Leistungsabgabe des Triebwerks lässt sich perfekt regeln.
Lammfromm nimmt der Motor bei 1.700 Touren im sechsten Gang Gas an, beginnt dann bei etwa 6.000 U/min. mit einer Kraftdemonstration, die im Motorradsektor selten ist. Das gute Gefühl, das sich beim Fahrer fast auf Anhieb einstellt, geht aber weit über den Antrieb hinaus: Das mit hochwertigen Komponenten ausgestattete Fahrwerk ist vorzüglich abgestimmt, die Bremsanlage (inklusive Kurven-ABS) arbeitet auf höchstem Niveau. Beeindruckend ist vor allem, dass die Fahrstabilität der H2 SX einerseits unerschütterlich ist, es aber andererseits auf kurvigen Strecken kein bisschen schwerfällt, die Kawa um die Ecken zu jagen.
Leistungsstark und zugänglich zugleich
Die Entwickler haben es also geschafft, die Pole Fahrstabilität und Handlichkeit in beeindruckender Weise zu verbinden. Wie sehr sie sich dennoch um oft als nebensächlich betrachtete Details kümmerten, verdeutlicht der Hauptständer: Das Aufbocken eines mit Koffern 270 Kilogramm wiegenden Motorrads gelingt nur bei einer BMW ähnlich gut. Die H2 SX macht es dem Fahrer leicht.
Die gute Zugänglichkeit hat auch mit ausgefuchster Ergonomie zu tun: Die Sitzposition ist ausreichend sportlich für heftiges Angasen und zugleich komfortabel genug, um auf Landstraßen den Tank ohne Pause leerfahren zu können. Auch eine Sozia empfindet die H2 SX nicht als Marterstuhl, sofern sie nicht allzu groß gewachsen und einigermaßen gelenkig ist. Die Fußrasten sind relativ hoch montiert. Auch die Bedienungselemente am Lenker und das TFT-Farbdisplay im Cockpit überzeugen.Als überraschend günstig empfanden wir den Benzinverbrauch: Bei zügig gefahrener Landstraßentour ohne permanente Beschleunigungstests genügen 5 Liter Benzin für 100 Kilometer. Bei schärferer Fahrweise liegt der Verbrauch bei 5,7 bis 6,3 Liter. Mehr braucht die H2 SX erst, wenn man sie auf verkehrsarmer Autobahn möglichst selten unter 200 km/h bewegt. Auch die dabei registrierten neun Liter erscheinen nicht dramatisch. Der 19-Liter-Tank reicht selbst unter diesen Umständen für 200 Kilometer. Ansonsten sind allemal um die 300 Kilometer möglich.
Solange die Straße trocken ist
Kritikpunkte gibt es dennoch. Vermisst haben wir ein Ablagefach im Cockpitbereich für Kleinigkeiten wie Mautkarten, auch eine automatische Blinkerrückstellung hätten sich die Kawa-Entwickler ruhig leisten dürfen. Ärgerlich ist die starke Verschmutzungsneigung der H2 SX auf nasser Straße, eine Folge der extrem knapp gehaltenen Hinterradabdeckung.
Fahrerbeine, aber auch der Rücken bzw. Rucksack der Sozia sind bei Nässe schnell vom einem Schmutzfilm überzogen. Ein Lob gebührt dagegen den in Zusammenarbeit mit Givi entwickelten Seitenkoffern: In punkto Fassungsvermögen (28 Liter, ein Vollvisierhelm findet Platz), Einhängen und Abnehmen überzeugen die Behälter genauso wie durch ihr Schließsystem. Dass der Schlüssel selbst vorne sehr spitz ausläuft und damit gerne Hosentaschen ruiniert, ist dagegen nicht perfekt.
Ansonsten haben die Kawasaki-Entwickler gute Arbeit geleistet. Den 23.321 Euro, die das Testfahrzeug kostet, steht ein reeller Gegenwert gegenüber. Die H2 SX überzeugt in allen fahrtechnischen Disziplinen gleichermaßen. Dass eine solche Rakete im Unterhalt nicht billig sein kann, liegt auf der Hand. Nach gut 4.800 Testkilometern ist bereits der zweite Hinterreifen fast am Ende – Speed kostet eben.
Technische Daten Kawasaki H2 SX, SE-Version
- Motor: Flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-Reihenmotor mit Kompressor-Aufladung, 16 Ventile, DOHC, 998 ccm Hubraum
- Leistung: 200 PS bei 11.000 U/min. (mit Ram Air 210 PS bei 11.000 U/min.)
- Drehmoment: 137 Nm bei 9.500 U/min.
- Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen; vorne Upside-down-Telegabel ø 43 mm, voll einstellbar, 12 cm Federweg; Leichtmetall-Einarmschwinge, Gasdruck-Zentralfederbein, voll einstellbar, 13,9 cm Federweg Räder: Leichtmetallgussräder mit polierten Speichen
- Bereifung: 120/70 ZR 17 (vorne) und 190/55 ZR 17 (hinten)
- Bremsen: 32 cm Doppelscheibenbremse vorne, 25 cm Einscheibenbremse hinten
- Assistenzsysteme: Zweikreis-ABS mit Schräglagenfunktion, drei Motormodi, mehrstufige Traktionskontrolle, Wheelie-Kontrolle, Launch-Control, Zweiwege-Quickshifter, LED-Beleuchtung rundum, adaptives Kurvenlicht
- Radstand: 1,48 m
- Sitzhöhe: 83,5 cm
- Gewicht: Fahrfertig ohne Koffer 260 kg, Zuladung 195 kg
- Tankinhalt: 19 l
- Vmax.: Höchstgeschwindigkeit 299 km/h
- Normverbrauch lt. EU4: 5,7 l/100 km, Testverbrauch zwischen 5,0 und 9,0 l/100 km, über 4.000 km ø 6,2 l/100 km.
- Preis: SE-Version 21.995 Euro (Standardversion 18.995 Euro)
- Preis Testfahrzeug: 23.321,05 Euro
*****
In eigener Sache: Wir verschicken unsere besten News einmal am Tag (Montag bis Freitag) über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. Es dauert nur 2 Minuten.
Quelle: SP-X (Ulf Böhringer)
Schade, dass Kawasaki den Kompressor nicht nutzt um leichte Kurvenräuber zu bauen.
260kg ist zu viel, meine S1000XR ist 30kg leichter, gut dafür könnte ich nur 260 auf der deutschen Autobahn fahren 😆
Tolle Bilderauswahl 🙄
was interessiert mich ein Koffer bei einem Kompressormotor ?
Das wäre mehrere Bilder wert gewesen.
Ich hatte diesen Sporttourer ein komplettes WE zur Verfügung.
Fährt sich leicht und handlich, sehr stabil dennoch, dabei bequem. Für lange Oberkörper dürfte eine Änderung des Windschild ratsam sein, ich hing oft genau mit Helm im Wirbel, sonst gab es absolut nichts zu meckern.
Hervorragender Schaltassistent mit Blipper...freilich, braucht man nicht, aber wenn er schon mal da ist...er funzt jedenfalls vorzüglich.
Ist ein völlig anderes Konzept und auch andere Zielgruppe als das Einspur SUV BMW S1000XR.
Zum Glück gibt es Vielfalt
😊
Was ist an der jetzt besser, als an einer ZZR 1400 ? Die hat ca. 155 Nm und wiegt 5 kg weniger. Hässlich sind sie beide...würde dennoch zur 1400er greifen.
Ehrlich gesagt hab ich auch nie verstanden warum Kawa. ausgerechnet eine 1000 er aufladet. Leistungsmangel dürfte es doch wohl nicht gewesen sein. Die alte ZZR 1400 liefert mehr Power bei einfacher u. bewährter Technik und ist auch nicht schwerer. Eine aufgeladene 600 er wär wirklich interessant gewesen, aber eine 1000 er 😕
Meiner Meinung nach liefert Kawasaki hier eine Antwort auf eine Frage die niemand gestellt hat.
Na ja, wär's braucht!
Man könnte mit auf Reisen gehen, wenn man nicht alle 3 Tage einen neuen Hinterreifen brauchen würde. 😆
Inwiefern siehst du hier ein völlig anderes Konzept?
Für mich sind das beides Tourensport Mopeds, da ich mich für beide interessiert hätte, gibt es zumindest eine Mini-gemeinsame Zielgruppe 😆
Gibt doch die H2 / H2R als aufgeladene Supersportler.
Und was genau wäre an einer aufgeladenen 600er spannender? Einfach eine "normale" 1000er kaufen und gut ist's, ist gleich sinnlos oder sinnvoll wie die aufgeladene 1000er.
Na ja, eine 600 er mit ordentlich Leistung und Drehmoment wär schon interessant. Suzuki soll ja angeblich an sowas arbeiten
Wenn man mal berücksichtigt, wieso es ein Kompressor und kein Abgaslader ist, merkt man auch, was man beim PKW mit der Abgasaufladung alles weggibt.
Zitat: Die japanischen Entwickler bauten die Kawasaki H2 SX mit der Direktive, jeden Sportwagenfahrer in die Auspuffrohre schauen zu lassen. Zitat Ende.
Prima, mein P....verlängerer ist schneller als deiner.
Und die Leute fahren dann auch entsprechend, wickeln sich um die Leitplanke und wieder wird über die ach so unvernünftigen Motorradfahrer gemeckert.
Naja, die Begründung für Aufgeladene Mopeds war immer schon "weil man's kann" 😆
mimimimi, warum soll ich mir ne Z750Turbo kaufen, wenn ich auch eine GPZ1100UT oder GPZ900R haben kann? Weils geil is, darum!! 😉
Ist doch nett, dass die bei Kawa sowas zusammenschustern. Ums Geld verdienen wirds wahrscheinlich kaum gehen, bei den Stückzahlen, die sie davon absetzten werden.
Der wahre Charme wird sich eh erst zeigen, wenn man das Steuergerät bisschen massiert. 200PS?! Da geht noch was.
Und natürlich...man könnte da auch einen 2.0l V4 Sauger mit 250PS reinschrauben, warum denn nicht? Vielleicht beim nächsten bekloppten Projekt.