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Kleine Riesen mit großem Erfolg

verfasst am Thu Mar 17 12:26:31 CET 2011

Der Peugeot 205 rettete in den 1980ern den PSA-Konzern, und das ging so: Es war einmal ein Riese namens Goliath, der war nach vielen Kämpfen schwer angeschlagen. Da kam der kleine David und half dem gestürzten Hünen wieder auf die Beine. Es war der Beginn einer wunderbaren langen Freundschaft. Der kleine Frauenliebling verkaufte sich alleine in Deutschland mehr als 400.000 Mal.

Die Peugeot 205- oder Bibel-Geschichte kennen Sie anders? Mag sein, aber das hier ist ja auch nicht das alte Testament, sondern das Magazin für Youngtimer. Also, der Riese hieß PSA und war schon um weit jenseits der Sechzig - da knackt es schon mal im Gebälk und man verhebt sich leicht.

PSA: Unklare Strategie, zu viele Marken, zu wenig Erfolg

Peugeot war die größte Marke bei PSA, man hatte Citroën aufgekauft und Chrysler übernommen, zum Markencocktail gehörten auch noch Matra, Talbot und Simca. Der Kundschaft war das alles zu verwirrend. Es mangelte zwar nicht an Modellen und Typenschildern, hingegen an Esprit und Qualität. Talbot machte dicht, Tausende Arbeiter mussten auch bei Citroën gehen, die Gewerkschaften gingen auf die Barrikaden. Kurzum, der ganze große Konzern steckte zum Ende der Siebziger in einer Existenz bedrohenden Krise.

Zur Rettung musste ein neues Volumenmodell her, ein Kleinwagen. Aber nicht zu klein, erschwinglich, aber nicht primitiv. Der Druck war enorm. Konzernchef Jean-Paul Pareyre hatte als vehementer Befürworter des unglücklichen und schwer verkäuflichen Talbot Tagora nicht gerade das glücklichste Händchen bewiesen. In der Entwicklungszentrale in La Garenne saßen Designer und Ingenieure jeden Mittag um viertel nach zwölf mit rauchenden Köpfen beim Essen. Wer selbst dann anfing, über die Arbeit zu sprechen, musste den anderen einen Kaffee ausgeben.

Vom Start weg bestverkauftes Importauto

Erstmals kamen zudem beim intern M24 genannten Projekt auch Computer zum Einsatz. Das Resultat der Bemühungen überzeugte so sehr, dass der Vorstand sogar den langjährigen Design-Partner Pininfarina vor den Kopf stieß und dem Entwurf der hauseigenen Truppe um Chefdesigner Gérard Welter den Vorzug gab. Der rund gelutschte Zwerg sollte Peugeot 205 heißen. Die Null in der Mitte ist bei Peugeot gesetzt, ansonsten sollten die Ziffern gegenüber dem Vorgänger 104, der schon in seiner Jugend wie ein alter Mann wirkte, in jeder Hinsicht einen Schritt nach vorn bedeuten. "205, die Glücksnummer", lautete der Slogan der Werbekampagne.

Parayre konnte im Konzern in ein volles Motorenregal greifen, mit fünf Motorisierungen ging der Peugeot 205 im Jahr 1983 an den Start. In Deutschland war er aus dem Stand das bestverkaufte Importauto, insgesamt verließen hierzulande über 400.000 Stück die Ausstellungsräume.

Der kleine Peugeot 205 hielt sich allerdings nicht deshalb 16 Jahre lang, weil sich die Welt nach einem billigen Brot-und-Butter-Auto sehnte. Die Peugeot 205-Käufer waren jung, sie wollten Spaß. Um sich ein frischeres Image zu verpassen, wurde ein Werbespot in Auftrag gegeben, in dem der Peugeot 205 in James-Bond-Manier durch die Gegend eilte, selbstredend jedem Gegner davonfuhr und jeden Angriff parierte. Der französische Rüstungsriese Aérospatiale mokierte sich, dass der hauseigene Kampfhubschrauber in dem Video nicht gut genug wegkam, das Thema wurde sogar im Innenministerium diskutiert. Doch von höchster Stelle kam die Order: Die Peugeot 205-Werbung bleibt, wie sie ist.

205 GTI zielt auf den VW Golf GTI

Für den frischesten aller Winde sollte das von Anfang an geplante Spitzenmodell Peugeot 205 GTI sorgen, die Buchstabenkombination glich nicht zufällig der des schärfsten VW Golf. Mit gleichem Radstand wie der antike Peugeot 104, aber spurverbreitert und flacher, duckt sich der Peugeot 205 viel besser auf die Straße. Eine aus dem Prototypen Vera entliehene Hinterachse mit Drehstabfederung sorgt mit ihrer flachen Bauweise nicht nur für einen beachtlichen Kofferraum, sondern sie ist auch für ordentliche Federwege und Komfort verantwortlich, wenn das denn gewünscht war.

Der Peugeot 205 GTI beherzigt das, was Fußballkaiser Beckenbauer gern als "gesunde Härte" bezeichnet. Er poltert und springt hinten auch gern, lenkt andererseits ein wie ein Go-Kart. Auch das Fahrverhalten ist von echtem Schrot und Korn. Anders als die narrensicheren Untersteuerer der Gegenwart lag der französische Peugeot 205 GTI, wie es sich für ein Sportgerät geziemt, zunächst einmal neutral. Auf Lastwechsel reagierte er mit klarem Übersteuern.

Im Zweikampf war der schnellste Peugeot 205 entsprechend unerbittlich. Einen Fiat Uno Turbo oder den französischen Platzhirsch Renault 5 Turbo schlug er locker aus dem Feld. Ein französischer Journalist schrieb: "Auf bestimmten Straßen würde ich mit einem Porsche Carrera bei Nacht im Regen nicht wagen, so schnell zu fahren wie mit dem Peugeot 205 GTI."

GTI-Motor ist eine Drehmaschine

Die Geister scheiden sich beim Peugeot 205 GTI-Motor. Galt der 1984 eingeführte 1,6-Liter mit 104 PS anfangs als äußerst spritzig, überzeugen heute nur noch gut eingefahrene und gewartete Aggregate. Der Vierzylinder mit Alu-Block will gedreht werden. Nicht nur wegen seines Alters findet er sich nur noch selten auf der Straße. Zum einen bekommen erst die 1986 eingeführten XU9J-Motoren mit 102 PS eine grüne Feinstaubplakette, zum anderen zündete Peugeot im gleichen Jahr die zweite, noch attraktivere Stufe.

Mit dem Selbstbewusstsein eines amtierenden Rallye-Weltmeisters griff man nun den Golf GTI 16V an. Der Peugeot 205 musste sich bis zum Schluss mit nur acht Ventilen bescheiden, aber der auf 1,9 Liter gesteigerte Hubraum sorgte für zusätzliche Leistung. Mit 130 PS war der Peugeot 205 GTI 1.9 eine wahre Rakete, selbst mit geregeltem Katalysator und 120 PS (ab 1988) drehten die Vorderräder bei Regen auch im dritten Gang noch durch. Das Fünfganggetriebe neu abgestuft, die Felgen von 14 auf 15 Zoll aufgepumpt und mit nun auch hinten innenbelüfteten Scheibenbremsen lockte er die jungen Wilden.

86 Prozent der Peugeot 205 GTI gingen an Männer, dabei wäre der Peugeot 205 das, was heute leicht abfällig als klassisches Frauenauto bezeichnet würde. Die weibliche Kundschaft interessierte sich zunächst für die praktischen fünftürigen Modelle mit schwächlicher Motorisierung und vernünftigem Preis. Das änderte sich, als 1986 das Peugeot 205 Cabriolet auf den Markt kam, dessen Gestaltung und Produktion als Trostpreis doch wieder an den traditionellen Partner Pininfarina ging.

Sondermodelle werden Verkaufsschlager

Um bei der offenen Version des Peugeot 205 die nötige Steifigkeit zu erreichen, stieg das Gewicht um 40 Kilo, und ein nicht allseits beliebter Überollbügel thronte wie beim Golf als Henkel über dem Fahrgastraum des Peugeot 205. Das Verdeck war leicht zu öffnen, nur die Persenning musste etwas umständlich unter den Kofferraumdeckel geklemmt werden. Auch war die Stoffmütze kaum gefüttert und die Heckscheibe ein billiges Plastikfenster, das schnell blind wurde und dauernd beschlug. Hingegen nahm das Verdeck kaum Platz weg, die Sicht im Peugeot 205 Cabrio nach hinten war viel besser als im Golf, der Kofferraum nahezu unverändert geräumig.

Früh suchten die Peugeot 205-Marketingstrategen die Nähe zum Tennis. Das Sondermodell Peugeot 205 Lacoste mit seinen weißen Plastikradkappen und dem Krokodil des Modelabels auf der Flanke war bereits ein Verkaufsrenner. Im Doppel mit der Designabteilung spielte man zu Beginn der Neunziger das Thema noch konsequenter und schuf den Peugeot 205 Roland Garros. Nach Frankreichs Tennislegende ist das Stadion der French Open in Paris benannt, im Look des weißen Sports mit den grünen Fangzäunen entstand das Peugeot 205 Cabriolet in edlem Grünmetallic und weißem Leder.

Noble Ausstattung im Roland Garros

Passend zum elitären Sport geriet die Peugeot 205-Ausstattung zunehmend luxuriös. Die primitiven Ausstattungen mutierten im Lauf der Zeit mehr und mehr zum Ladenhüter. So öffnet das Verdeck des Peugeot 205 Roland Garros elektrisch, ebenso wie die vorderen Fenster - genau passend für Jochen Anders. Der schwäbische Versicherungsmakler ist als Autofahrer nach eigener Beschreibung faul und fährt am liebsten offen.

Seinen Peugeot 205 Roland Garros hat er für rund 2.000 Euro bei Ebay geschossen, obwohl die Freundin das schicke Cabrio angesichts des weißen Leders unbarmherzig als "Schlampenschleicher" verunglimpfte. Die abfällige Bezeichnung passt aber schon deshalb nicht, weil neben dem Bestseller Peugeot 205 CTI mit 102 PS auch die 1,4-Liter-Version mit 75 PS und Katalysator ganz munter durch die Landschaft braust. Der kleine TU3M-Motor war die gängigste Variante, später bot Peugeot das Edel-Cabrio auch mit 90 PS aus 1,6 Liter Hubraum an.

Vier Millionen Peugeot 205 in sechs Jahren

Im Vergleich zum sportlichen Bruder bietet der offene und etwas schwächere Peugeot 205 dafür ganz ordentlichen Komfort. "Ein anderes Cabrio hätte mich nicht interessiert", sagt Jochen Anders. "Ein Golf schon zweimal nicht."

Um noch mal auf die Geschichte von David und Goliath zurückzukommen: Nach drei Jahren war die erste Million des Peugeot 205 verkauft. Nach sechs Jahren waren es schon vier Millionen. Anfangs nur in Mulhouse im Elsass gefertigt, bauten am Ende vier Werke den beliebten Zwerg. 1977 noch am Boden, war Peugeot zehn Jahre später der siebtgrößte Hersteller der Welt. Der Riese stand wieder fest auf den Füßen - dank des Peugeot 205.

 

Quelle: Motor Klassik