Porsche 919, Toyota TS050 und sonst nicht viel

Le Mans 2017: Porsche gegen Toyota

Sven Förster

verfasst am Thu Apr 06 12:59:40 CEST 2017

Audi ist raus - bleibt nur eine Handvoll siegfähiger Prototypen beim 24-Stunden-Klassiker. Werks-Hightech bekommt es mit einem privaten Team aus Deutschland zu tun.

Stark ausgedünnt: Nach Audis Abgang verbleiben werksseitig nur Porsche und Toyota
Quelle: Toyota

Le Mans - Dreizehn Siege, vier Ringe – Audi prägte Le Mans im neuen Jahrtausend wie kein anderer Hersteller. Doch die Ingolstädter verabschiedeten sich mit der abgelaufenen Saison aus der Langstrecken-Weltmeisterschaft, fehlen somit auch beim Saisonhöhepunkt in Frankreich.

Konzernmutter Volkswagen pfiff Audi Sport vor dem Hintergrund des Dieselskandals zurück - und bleibt dennoch vertreten. Porsche holte im Vorjahr sowohl den Sieg beim 24-Stunden-Rennen als auch den Weltmeistertitel - und startet auch dieses Jahr in Le Mans. Zuffenhausen tritt mit dem überarbeiteten 919 gegen Toyotas TS050 an. Weitere Hersteller? Fehlanzeige, nur ein Privattteam tritt zusätzlich in der Königsklasse an. Womit magere fünf Werksautos in der stärksten Prototypen-Kategorie LMP1 starten. Porsche bringt zwei Autos, die Japaner haben drei im Gepäck.

Für den 918 Hybrid werden 900 PS Systemleistung angegeben
Quelle: Porsche
Der Rahmen des Reglements ist eng. Porsche 919 und Toyota TS050 sind die einzigen Hybridfahrzeuge im Feld der Großen. Die bereits vierte Generation des 919 kommt mit einem V4 Turbo und zwei Litern Hubraum. Der Verbrenner sorgt an der Hinterachse für knapp 500 PS. Zusätzlich soll ein Elektromotor mit bis zu 400 PS an der Vorderachse ziehen, die Energie liefert ein System zur Bremsenergie-Rückgewinnung.

Die zweite Generation des TS050 setzt den in Summe rund 900 PS des Porsche knapp 1.000 PS Systemleistung entgegen. Beides wohlgemerkt nach eigenen Angaben. Hier arbeitet ein größerer 2,4-Liter-Turbo, die 500 elektrischen Pferde werden auf Vorder- und Hinterachse losgelassen.

1.000 PS Systemleistung geben die Japaner an
Quelle: Toyota

Kosten zu hoch: Peugeot hält sich raus

Die Langstrecken-WM und ihr Aushängeschild Le Mans verstehen sich als Demonstrationsfeld für zukünftige Technologien. Seit Jahren lässt sich das LMP1-Reglement praktisch nur noch mit Hybridtechnik sinnvoll erfüllen. In den kommenden Jahren sollen die Hersteller mithilfe des Regelwerks noch weiter in die „Alternativität“ gedrängt werden – für viele Konzerne durchaus interessant, denn an der Elektrifizierung arbeiten alle.

PSA-Chef Carlos Tavares dachte in der Vorsaison laut über einen Wiedereinstieg Peugeots in die WEC nach. Das Engagement scheiterte aber letztlich am ausufernden Budget der Konkurrenz: Kolportierte 220 Millionen Euro investiert Porsche in die Titelverteidigung. Für Toyota steht eine Zahl von 100 Millionen im Raum, wohlgemerkt jeweils für die volle Langstreckensaison über neun Rennen.

Diese Größenordnung zeigt: Teams ohne Herstellersupport werden seltene Gäste auf dem Podest sein. Rebellion Racing stemmte sich im Vorjahr mit zwei Autos und den großen Namen Heidfeld, Prost und Senna gegen die Übermacht, nimmt 2017 aber die Ausfahrt in Richtung der schwächeren Prototypenkategorie LMP2.

Le Mans Nächte sind bekannt für heiße Bremsscheiben auf der Strecke und heiße Partys auf den Rängen
Quelle: Porsche

Privatteam ByKolles lernte aus Nissans Debakel

Das letzte verbleibende Privatteam kommt aus Deutschland: ByKolles aus Greding vertraut auf ein modifiziertes Lotus-Chassis, im Heck sitzt ein Nismo-Triebwerk. Der V6 war bereits 2015 in Nissans Werks-LMP1 verbaut. Beim damaligen GT-R LM trieb er als 3,0-Liter-Frontmotor nur die Vorderräder an, beides höchst ungewöhnlich in der Top-Liga der WEC. Der Mut zum Unkonventionellen wurde nicht belohnt, Nissans Frontantrieb-LMP1 standen in vielen Sektionen der Strecke auch den üblicherweise klar unterlegenen LMP2-Fahrzeugen im Weg.

Beim ByKolles CLM P1/01 verzichtet man somit auf derartige Experimente und setzt auf Anpassungen des bewährten Chassis in Sachen Gewicht und Aerodynamik. Das Reglement gestattet dem letzten verbliebenen Privaten einen Heckflügel von 2 Metern Länge (womit dieser über die Breite des Fahrzeugs hinausragt) sowie ein um 20 Kilo reduziertes Mindestgewicht von 830 Kilogramm. Bei den Werksteams muss die Waage 875 Kilogramm zeigen.

Fazit: Statt Masse gibt es vielleicht eine Sensation zu sehen

Ob sechs Top-Teams einem Klassiker wie Le Mans würdig sind, ist fraglich. ByKolles hat als letztes verbliebenes Privatteam in der dünn besetzten Königsklasse aber die Chance auf die Sensation - straucheln drei der fünf Hybride von Porsche und Toyota, winkt das Podest. Kann nicht sein? Im Vorjahr kamen von neun LMP1-Prototypen nur vier ohne grobe Probleme ins Ziel. 24 Stunden sind auch mit modernster Technik lang.

Reglementbedingt ein ähnlicher Zugang: Zweimal V4-Turbo-Hybrid
Quelle: Toyota
Verstärkung: In Le Mans treten drei Toyotas an, bei den übrigen WM-Rennen müssen zwei TS050 genügen
Quelle: Toyota
1.000 PS Systemleistung geben die Japaner an
Quelle: Toyota
Wind aus den Segeln nehmen: Beim Werksauto darf der Spoiler die Breite nicht überragen, der private Prototyp von ByKolles kann dagegen ein Zwei-Meter-Brett tragen
Quelle: Toyota
Im Vorjahr schied Toyota auf dem Weg zum sicher geglaubten Le-Mans-Sieg aus
Quelle: Toyota
Porsche-Teamchef Fritz Enzinger
Quelle: Porsche
Nach Le-Mans-Siegen 2015 und 2016 will Porsche den Hattrick
Quelle: Porsche
Für den 918 Hybrid werden 900 PS Systemleistung angegeben
Quelle: Porsche
An der Vorderachse sitzt ein Elektromotor mit umgerechnet 400 PS, der Benziner ist ganz klassisch im Heck untergebracht
Quelle: Porsche
Le Mans Nächte sind bekannt für heiße Bremsscheiben auf der Strecke und heiße Partys auf den Rängen
Quelle: Porsche
Die Nummer eins steuern Neel Jani und die Neuzugänge Andre Lotterer und Nick Tandy
Quelle: Porsche
Neben dem 24-Stunden-Klassiker im Juni umfasst die Langstrecken-WM ausschließlich vergleichsweise kompakte 6-Stunden-Rennen
Quelle: Porsche