Berlins ungewöhnlichste Taxis: Audi A8, 1994
Luxus-Audi mit "leichter" Patina
Manchmal steht ein besonderes Taxi am Stand. Diese Taxis und ihre Fahrer stellt MOTOR-TALK vor. Diesmal ein Audi A8 der ersten Generation: Luxus aus der Bonner Republik.
Von Haiko Prengel
Berlin – Hier in Lichtenberg sieht die Hauptstadt noch nach altem Osten aus. Reik Handrick wartet an einer Tankstelle auf uns. Das ist bei seinem Auto keine große Überraschung, denkt man. Leistet sich der Taxifahrer als Arbeitsgerät doch einen uralten Audi A8. Mit so einem Dickschiff ist man bestimmt Dauergast an der Zapfsäule – oder wie sparsam ist so ein Diesel aus dem vorigen Jahrhundert, Herr Handrick? „Ich fahre keinen Diesel“, überrascht die Antwort des 52-Jährigen. „Ich tanke nur Super Plus.“
Unter der elfenbeinfarbenen Haube säuselt ein 2,8 Liter großer V6. Eigentlich würde dem Aggregat auch normales Super reichen. Doch das hochoktanige Benzin scheint Handricks Audi gut zu tun. Exakt 628.309 Kilometer hat der Wagen auf dem Digitaltacho stehen. Die gewaltige Laufleistung hängt für Handrick damit zusammen, dass der Audi immer nur den besten Sprit bekommt. Mit normalem Super, erklärt er, fange der Motor an zu klingeln. Und merkwürdige Motorgeräusche mag der Mann mit dem kurzrasierten Haar nicht.
Seit 1984 fährt der gelernte Werkzeugmacher Taxi in Berlin. Damals waren die Ost-West-Beziehungen auf einem neuen Tiefpunkt, in der DDR wurden sowjetische Atomraketen aufgestellt. Und die Gurtpflicht galt fortan auch auf Rücksitzen. „Bitte anschnallen“, mahnt ein roter Aufkleber auf dem Armaturenbrett in Handricks betagtem A8.1994 rollte der Wagen vom Band, es war das erste Modelljahr von Audis neuer Oberklasse-Baureihe. Markenzeichen: Kraftvolle Motoren, vom geschmeidigen Sechszylinder bis zum 4.2 V8, später folgte sogar ein majestätischer Zwölfzylinder (W12). Außerdem kennzeichnete den Audi A8 die weltweit erste Aluminiumkarosserie in einem Serienfahrzeug der Oberklasse.
Prominentester Fahrer beziehungsweise Mitfahrer war in den Neunziger und Nuller Jahren der Bundeskanzler Gerhard Schröder. „Deutschlands bekanntester Audi-Fahrer“ schrieb der „Spiegel“ 2001 über Schröder und dessen gepanzerten A8 4.2. (Nicht nur) mit seiner Fahrzeugauswahl eckte der Sozialdemokrat damals an: Seine Vorgänger im Kanzleramt waren immer Mercedes S-Klasse gefahren.
Schröder ist nie bei Reik Handrick mitgefahren - etliche andere Prominente durchaus. Einmal fuhr er „Rockröhre“ Nina Hagen, die sich als ziemlich redselig erwies. „Die hat mich ökomäßig zugetextet und jeden Bioladen gelobt, an dem wir vorbeifuhren“, erinnert sich Handrick und schmunzelt. Gesundheit schien Nina Hagen ein wichtiges Anliegen zu sein – was sie nicht davon abgehalten habe, sich im Wagen eine Zigarette anzuzünden. „Im Taxi rauchen zu können, das war ihr ganz wichtig.“
Im Jahr 1995 kaufte Handrick seinen A8 als Jahreswagen bei einem Berliner Händler. Damals noch in dunklem Rot - schlecht verkäuflich, die meisten Leute verlangen nach Luxuslimousinen in Schwarz oder Silber.
Patina im Edel-Taxi
Reik Handrick wollte seinen tadellos funktionierenden Audi bisher nicht verkaufen. So bleibt die Taxi-Folierung wohl bis auf Weiteres am Auto kleben. Auch nach über 20 Jahren hält der elfenbeinfarbene Überzug noch, auch wenn er an einigen Stellen spröde und ausgeblichen ist.
Auch der Innenraum hat merklich gelitten. Armaturen und Bedienknöpfe sind abgegriffen. Die Stoffsitze, die nicht so richtig zum Luxuswagen passen, könnten eine Tiefenreinigung gebrauchen. Reik Handrick scheint sich an der abgewetzten Optik seines Youngtimers nicht groß zu stören. Dem Taxifahrer ist wichtiger, dass die Technik funktioniert. Die ist im Vergleich zu heutigen Oberklasse-Limousinen noch beinahe simpel.
„Ich steh' auf alte Autos“, betont Handrick. Sein erstes Taxi in Ost-Berlin war ein Lada 21011, auch Shiguli genannt. Später folgten Wolga und Wartburg. Nach der Wende machte sich der Familienvater selbständig, mit einem Audi 100 1.8 und für damalige Verhältnisse soliden 90 PS.
Daraus entstand eine tiefe Verbundenheit zu Autos des Volkswagen-Konzerns, die bis heute anhält. Als Privatauto fährt Familie Handrick einen weißen VW Golf II, der auch schon 250.000 Kilometer auf der Uhr hat. Und als Taxi folgte dem wackeren Audi 100 der luxuriöse Audi A8.
An dem hat Handrick bis heute unzählige Reparaturen machen lassen, um das Auto am Laufen zu halten. Allein der Zahnriemen wurde schon ein halbes Dutzend Mal gewechselt, die Ölwechsel kann der Taxifahrer nicht mehr aufzählen. Manches macht Handrick selbst, anderes lässt er ein paar Straßen weiter einer freien Werkstatt machen. „Auto Schütt“ heißt die Firma in einem etwas verwahrlost wirkenden Gewerbegebiet. „Ohne die würden meine Autos schon längst nicht mehr fahren und ich wäre pleite“, ist sich Reik Handrick sicher.A8 sind heute billig, der Unterhalt nicht
So ein Audi A8 will unterhalten werden. Oberklasse-Autos der 1990er-Jahre haben zwar ihren Reiz und kosten nicht viel: Gepflegte A8, Mercedes S-Klasse oder BMW 7er bekommt man heute schon für unter 5.000 Euro. Doch die Unterhaltskosten können den Einkaufspreis schnell dramatisch übersteigen, vor allem bei Wartungs- und Reparaturstau. Denn die Edel-Limos sind oft mit komplexen Ausstattungen und viel Elektronik vollgestopft. Das macht Reparaturen aufwändig. Selbst talentierte Hobbyschrauber stoßen schnell an ihre Grenzen.
So kann eine defekte Klimaautomatik richtig ins Geld gehen. Auch die Heizung bei Handricks Audi A8 ist komplex: „Es gibt zwei Wärmetauscher. Und die Ventilpumpe ist unter dem Bremskraftverstärker verbaut“, berichtet der Taxifahrer. So etwas koste neu fast 1.000 Euro, ohne Einbau versteht sich. Deshalb geht Handrick bei solchen Spezialteilen selbst auf die Suche. Das teure Heizungsteil etwa fand er im Netz gebraucht für 50 Euro. Querlenker für die Hinterachse stöberte er für 15 Euro auf: „Bei Audi kosten die 800 Euro.“
Reik Handrick Geheimnis: sich mit viel Hingabe um den Wagen kümmern und erst gar keinen Wartungsstau aufkommen lassen. Dann kann man einen 23 Jahre alten Audi auch heute noch tagtäglich fahren, sogar als Taxi. Eine Million Kilometer, wäre das für den V6 machbar? „Weeß ick nich“, sagt Handrick. Regelmäßig frisches Öl, den Motor immer schön warmlaufen lassen – viel mehr könne man nicht tun, um dem Motor Gutes zu tun, meint der Taxifahrer. Und natürlich Super Plus tanken.
Technische Daten: Audi A8 2.8 (1994-1996)
- Motor: V-Sechszylinder-Benziner
- Hubraum: 2,771 cm³
- Leistung: 174 PS (128 kW)
- Getriebe: Fünfgang-Handschaltung oder Viergang-Automatik
- 0-100 km/h: 9,1 s (Automatik: 10,1 s)
- Höchstgeschwindigkeit: 225 km/h
- Verbrauch: ca. 11,0 l/100 km
- Leergewicht: 1.500 Kilogramm
- Länge: 5,034 m
- Breite: 1,880 m
- Höhe: 1,420 m
- Radstand:2,880 m
Weiterlesen: Berlins ungewöhnlichste Taxis: Peugeot 404, 1963 Mercedes W110 190D
Wirklich sehr netter Bericht, auch wenn man sich fast genötigt fühlt ne Innenraumaufbereitung zu spendieren, bevor man hinten einsteigt 😉
Abgegriffene Innenausstattung ist das eine aber eine verdreckte das andere.
Zeig mir dein Auto und ich sag dir wer du bist. In dem Fall eine Schlampe.
So versifft siehts dann wohl auch zu Hause aus.
Der AAH ist im A8 echt ein sparsamer Motor. Leicht und günstig zu warten , mit Schaltsaugrohr unten rum gut Drehmoment. Langt für den 8er völlig.
Andere Motoren im A8 sind für den Berufsalltag unbrauchbar. V6 Diesel kam später und ist der größte Schrott. Vom 3.3er v8 würde ich auch Abstand nehmen.
Dann gibts halt nur noch 3.7 und 4.2 oder 6.0 . Zum Taxi fahren komplett ungeeignet.
Das mit dem Super Plus ist natürlich technischer Quatsch, aber dem Mann sei seine Macke gegönnt. Kost' ihn ja nur sein eigenes Geld.
Mein Gott, ist die Karre von innen versifft.
Das kann man doch nun wirklich keinem Kunden guten Gewissens anbieten...
Mit so einer Karre kann man doch kein Geld verdienen. Niemand steigt in ein Taxi ein, welches von außen nicht mehr ganz frisch aussieht. Und wenn sich dieser Anblick innen fortsetzt ist man noch abgeneigter sich in diesem Gefährt chauffieren zu lassen.
Ihr nennt es versifft, der Schreiberling (auch Berliner?????) Taxis mit Charakter.🙄
Gibt's eigentlich nur in B so komische Taxen?
Oder gibt es auch noch irgendwo in der Republik besondere Taxi-Exoten, wo nicht der Fahrer oder das Taxi verwahrlost sind?😕
Wenn man den Deckel vom Handschuhfach oder den oberen Teil der Rückseite vom Beifahrersitz....😆
Patina halt - aber die helle Innenausstattung ist hier auch kontraproduktiv.
Allemal sauberer als das durchschnittsdeutsche Vehikel.
Was für eine versiffte Karre. Es mag ja sein, dass das durchschnittliche Vehikel nicht wirklich sauberer ist. Aber damit transportiere ich nicht gegen Vergütung Fahrgäste, sondern nur mich selber.
Der Wagen benötigt nicht nur eine gründliche Säuberung, sondern eher eine komplett-Aufbereitung. Aber, so ist das halt hier in D: da steht Audi drauf, also ist alles erst mal per se super und Luxus. Defekte Netztaschen, alles OK.🙄
Denn, was an dieser Karre im Jahre 2017 "Luxus" sein soll, erschliesst sich mit auch nicht. Mag sein, dass das vor 20 Jahren anders war. Allein die Stoffpolsterung spricht da aber eine deutliche Sprache.
Ist es nicht. Mein Golf IV fing mit Super 95 auch extrem das Klingeln an. Mit Super 98 war es fast verschwunden.
Klar, wenn der Luftmassenmesser halb tot ist, kann man die Symptome mit SuperPlus heilen. Eine Reparatur ist aber vorzuziehen.
Dann hätte ich auch wohl erhöhten Spritverbrauch oder unrunden Motorlauf haben müssen? Hatte ich aber nicht.
Edit: Möglicherweise meine ich aber auch ein anderes Geräusch? Es trat bei mir vor allem sehr deutlich hörbar im unteren Drehzahlband auf.
Nein, hätte nicht sein müssen. Mein LMM war mal defekt und der Verbrauch war sogar leicht gesunken, weil zu mager verbrannt wurde, was zu Motorklingeln führte. Mit neuem LMM war der Verbrauch minimal höher und kein Klopfen mehr zu hören. Einen unrunden Motorlauf gab es zu keiner Zeit.
So nun BTT: Nutzt der Besitzer des Audis das schöne Wetter um den Wagen mal grob durchzuputzen und die Polster mit einem Waschsauger zu behandeln?