Bentley Bentayga W12 (2016): Test, technische Daten
Luxusschiff mit Luxusproblemen
Ein Volumenmodell vom Nischenhersteller: Die VW-Tochter Bentley baut ein Zwölfzylinder-SUV in der 200.000-Euro-Klasse. Wie lebt es sich im Alltag mit dem Bentayga W12?
- Bentley Bentayga: Ab 175.335 Euro (Diesel), ab 208.488 Euro (Benzin)
- W12-Biturbo, 608 PS, 900 Newtonmeter
- 301 km/h Höchstgeschwindigkeit
- Leise, luxuriös, aber nicht innovativ
- Wichtige Ausstattungen fehlen
Berlin – Bentley liebt sie, die reichen Rabauken von damals. Männer, die mit ihren Bentley gegen jeden antraten, egal ob Rennwagen oder Eisenbahn. Die berühmten Bentley-Boys, furchtlose Markenbotschafter. Doch selbst die härtesten Jungs werden alt, zu Bentley-Männern und Bentley-Rentnern. Irgendwann will man sich nicht mehr in ein Continental Coupé hineinfalten und sucht lieber ein SUV. Für sich und die Bentley-Enkel.
Das war die romantische Version. Tatsächlich geht es um Marktwirtschaft – und eine Marktlücke. Das SUV-Segment wächst in allen Klassen. Dennoch gibt es nur wenige Möglichkeiten, für ein SUV richtig viel Geld auszugeben: Der Preisbereich jenseits der 200.000 Euro war lange Zeit fast unbesetzt. Rolls-Royce hat so einen Luxus-Klumpen versprochen, komplett aus eigener Entwicklung. Bentley handelt schneller und baut ein SUV auf Audi-Basis.
So hart es klingt: Der Bentayga bleibt technisch ein Q7. Beide Modelle teilen sich Plattform, Getriebe, Allradstrang, elektrische Wankstabilisierung und einen Dieselmotor. Der Bentley will das mit Luxus ausgleichen, außerdem mit Power. Alleinstellungsmerkmale in Konzern und Segment. Ob es ihm gelingt, lest Ihr in unserer Detailwertung.Karosserie und Abmessungen: Lang, aber nicht geräumig
Luxus bedeutet in erster Linie Platz. Davon gönnt sich der Bentley eine Menge. Er streckt sich auf 5,14 Meter Länge und baut 1,74 Meter hoch. Eindrucksvolle Außenmaße, von denen man innen zu wenig Innenraum fühlt. Der Kofferraum ist, wie soll man es sagen, klein. Bentley gibt für den Viersitzer einen Wert von 431 Litern an – 51 Liter mehr als beim VW Golf. Mit fünf Sitzen, also einer klassischen Rückbank, steigt das Volumen auf 484 Liter. Zum Vergleich: Ein 10 Zentimeter kürzerer Audi Q7 lädt 890 Liter ein.
Das ließe sich verkraften. Nützlich mussten Bentleys ja nie sein. Aber vor dem Kofferraum geht es eng weiter. Zwei verstellbare Einzelsitze suggerieren Luxus, den die Vordersitze beeinträchtigen. Denn an Knien und Füßen wird es hinten zu knapp. Keine Maybach-Maße, keine Mulsanne-Norm. Dort, wo so ein Auto besonders bequem sein soll, fehlt es an Bequemlichkeit. Zumindest, wenn mehr als zwei Personen damit fahren.
Vorn passt das Raumgefühl zum Anspruch. Das liegt aber nicht am Bentley, sondern an Fahrzeugklasse und -größe. Bei zwei Metern Fahrzeugbreite stört eben nicht einmal eine massive Mittelkonsole.
Interieur: Leder, Holz und Chrom
Besser wird es im Bentley bei Materialien und Verarbeitung. Oder sagen wir: pompöser. Denn der Bentayga versteckt Kunststoffe hinter teuren Oberflächen. Auf Armaturenbrett, Sitzen, Armlehnen, Türtafeln, Himmel, Fensterholmen, Angstgriffen und den doppelten Sonnenblenden spannt makelloses und perfekt vernähtes Leder. Die Schaltwippen am Lenkrad lässt Bentley aus Aluminium fräsen. Vorn lassen sich die Sitze 22-fach elektrisch verstellen. Die Lenkradheizung heizt nicht, sie wärmt. Für 150.000 Euro Aufpreis gibt es eine brillantbesetzte Automatikuhr im Cockpit. Für 25.942 Euro ein Picknickset mit Sitzbank.
Lederfarben, Holzfurnier, Teppiche, alles lässt sich konfigurieren. Hier liegt ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal des Bentayga. So viele Optionen bietet kein anderes SUV. Der Bentayga trägt Lacke, die klingen wie teure Eissorten oder Zigarren: Burnt Oak, Silver Tempest. Es gibt allein 16 Silbertöne. Fünf Konfigurationen für zweifarbiges Leder. 25 Lederfarben (14 primär, 11 sekundär). Das ergibt 770 Kombinationsmöglichkeiten für die Sitze.Bei so vielen Möglichkeiten wirkt es peinlich, dass die Bedienung aus dem Baukasten kommt. Schalter und Knöpfe an Türen und Lenkrad übernimmt Bentley von Audi. Sie bekommen eine Farbschicht und Chromverzierungen, aber Form und Gefühl bleiben. Der Tacho im Bentayga stammt ebenfalls von der Konzernschwester – und zwar aus einer auslaufenden Generation. Bentley ändert Schriftart und Symbole im Kombiinstrument des Audi A6. Einen digitalen Tacho gibt es bei Bentley nicht.
Infotainment und Assistenz: Nicht ganz auf der Höhe
Beim Infotainment nutzt Bentley VW-Technik – ebenfalls ein altes System. Im Bentayga steckt ein Touchscreen-Navi mit acht Zoll Diagonale. Bedient wird es altmodisch über echte Tasten, Spracheingabe oder Berührungen. Das funktioniert gut und solide, wirkt aber neben einem Golf 7 überholt. Üblicherweise starten neue Technikgenerationen in der Oberklasse.
Das System verbindet sich zügig mit Smartphones. Es unterstützt Apple Carplay, aber nicht Android Auto. Kurios: Die Tablets an den Lehnen der Vordersitze arbeiten mit einer Android-Software. Sie stammen ebenfalls aus dem Konzern-Sammelsurium. Nette Spielerei: Ein zusätzliches Gerät in Handygröße zeigt Fahrdaten des Bentayga an. Diese Funktionen lassen sich per App auf Smartphones darstellen.
Gegen Aufpreis hält der Bentayga selbstständig Abstand und Spur. Im Stau trottet er automatisch seinem Vordermann hinterher. Die teilautonomen Funktionen wollen die Aufmerksamkeit des Fahrers am Lenkrad spüren. Damit ist er ungefähr auf der Höhe der Zeit. Spurwechsel-, Auspark- und Unfallhilfen gehören längst zum Standard. Nimmt der Bentayga alles aus dem Baukasten.
Fahrwerk: 2,44 Tonnen gleiten auf Luft
Assistenz ist kein Bentley-Thema. Dafür die Fähigkeit, starke und schwere Autos flott und komfortabel abzustimmen. Im Bentayga sitzt dafür serienmäßig eine Wankstabilisierung. Elektromotoren verspannen die Stabilisatoren an beiden Achsen entgegen der Kurvenrichtung. Diese Kraft hält den Bentayga trotz des hohen Schwerpunkts gerade, wenn die Kurvengeschwindigkeit ihn wanken lassen müsste. Das System arbeitet mit einem zusätzlichen 48-Volt-Bordnetz.
Viel Dämmmaterial und eine Luftfederung machen den Bentley komfortabel. Er gleitet und rauscht über Asphalt, Kopfsteinpflaster und Schlaglöcher. Das macht er gut, aber nicht außerordentlich luxuriös. Mit geschlossenen Augen denkt man nicht an einen Bentley, sondern nur an ein gut ausgestattetes SUV.
Gut: Der Bentayga lenkt verhältnismäßig direkt. Schwerpunkt und Größe verderben aber schnell den Spaß. Wer zu spontan am Lenkrad reißt, spürt die Trägheit der Masse. 2,44 Tonnen zerren nach außen und lassen ihn untersteuern. Absolut betrachtet ein hohes Gewicht. Verglichen mit einem Bentley Continental GT Speed aber passabel – denn das viel kleinere Coupé wiegt 2,32 Tonnen.
Antrieb: 608 PS mit überschaubarem Durst
Beim Vortrieb ist das Gewicht vergessen. Der Bentayga prescht in 4,1 Sekunden auf Tempo 100, mit einer Wucht, die man einem SUV nicht zutrauen will. Ist die Straße feucht, meldet die ESP-Lampe Schlupf an den Rädern – trotz Allrad und 285er-Bereifung auf 21 Zoll. Der W12-Zylinder leistet 608 PS und 900 Newtonmeter Drehmoment. Er ist der erste Zwölfzylinder im Konzern, der Turboaufladung und Direkteinspritzung kombiniert.
Kein SUV kann es auf der Geraden mit dem Bentayga aufnehmen. Bis Tempo 100 hält der Porsche Cayenne Turbo S (570 PS) mit. Aber 301 km/h Höchstgeschwindigkeit schafft sonst kein Blechkloß. Nicht Porsche, nicht BMW M, nicht Mercedes-AMG, schon gar nicht Range Rover oder Jeep. Im Angriffsmodus rast der Bentley schneller als ein Porsche 911 Carrera. Dann bewegt sich seine Tanknadel so stark, dass man es tatsächlich sieht.
Im Alltag geht es sparsamer. Der Bentayga verbrauchte auf unserer Testfahrt zwischen 11 (Schleichfahrt) und 22 Liter pro 100 Kilometer (Berufsverkehr). Mit E10 statt Super Plus im Tank steigt der Verbrauch um ungefähr einen Liter. Im Mittel waren es 16,2 Liter. Absolut gesehen viel zu viel. Allerdings rund vier Liter weniger, als der Vorgängermotor im Continental GT Speed bei ähnlicher Fahrweise brauchte. Bentley gibt für den W12 einen Verbrauch von 13,1 Litern pro 100 Kilometer an. Zukünftige Abgasregelungen soll er ohne Otto-Partikelfilter schaffen.
Beim wichtigsten Detail patzt der Bentayga. Denn Keramikbremsen stehen noch nicht in der Aufpreisliste. Bentley schraubt innenbelüftete Stahlscheiben (40 und 38 cm) in das SUV. Vorn bremsen Sechskolben-Sättel, hinten Schwimmsättel. Bei Vollbremsungen aus hohem Tempo wird das Heck leicht und instabil. In dieser Preisklasse inakzeptabel.
Fazit, Ausstattung und Preise: Zu viel Audi, zu wenig Bentley
Der Bentayga hat uns nicht überzeugt. Abgesehen von Leder und Leistung bewegt er sich zu nah am Audi Q7. Matrix-LED-Scheinwerfer, Allradlenkung und Keramikbremsen fehlen in der Aufpreisliste. Während unseres Tests stellte der Bordcomputer Fehler an Antriebssystem, Öldrucksensor und Start-Stopp-Automatik fest. Wir zählten vier Fehlalarme kurz nach dem Abschließen, fanden einen hässlichen Lackfehler im Türrahmen und ein falsches Spaltmaß am Radlauf.
Bei einem Basispreis (Bentayga W12) von 208.488 Euro und einem Testwagenpreis von 268.450 Euro will man kein Auge zudrücken. Zumal der finanzielle Abstand zum Audi riesig ist. Zur Einordnung: Ein Bentley Bentayga Diesel mit V8-Selbstzünder und 435 PS kostet 175.335 Euro. Ein Audi SQ7 mit gleichem Motor (und weniger Ausstattung) kostet 89.900 Euro.
Andererseits funktioniert der Bentayga, weil er so teuer ist. Wer in dieser Preisklasse kauft, fragt nicht, ob es woanders mehr fürs Geld gibt. Deshalb ist längst ein stärkerer Bentayga Speed in Planung. Und deshalb wird der Rolls-Royce Cullinan vermutlich noch teurer.
Hier weiterlesen: Die Alternative zum Zwölfzylinder ist der Bentayga Diesel
Bentley Bentayga W12 (2016): Technische Daten
- Motor: 6,0-Liter-Biturbo-W12-Benziner, Zylinderabschaltung, direkte und indirekte Einspritzung
- Getriebe: Achtgang-Automatik (ZF), Allradantrieb
- Leistung: 608 PS (447 kW) bei 5.000 bis 6.000 U/Min
- Drehmoment: 900 Newtonmeter bei 1.350 bis 4.500 U/Min
- Verbrauch (NEFZ): 13,1 l/100 km
- Testverbrauch: 16,2 l/100 km
- 0 – 100 km/h: 4,1 s
- Höchstgeschwindigkeit: 301 km/h
- Länge: 5,14 m
- Breite: 2,00 m
- Höhe: 1,74 m
- Kofferraum: 431 l (Viersitzer), 484 l (Fünfsitzer)
- Leergewicht inkl. Fahrer: 2.440 kg (Basisausstattung)
- Grundpreis: 208.480 Euro
- Testwagenpreis: 268.450 Euro
- Bentley Bentayga auf Mobile.de
Etwas über 400 Liter Kofferraumvolumen?
Echt praktisch so ein SUV. 😆
Nix für ungut. Die Stückzahlen sind ja überschaubar und Sinn machen Autos in der Preisklasse eh nicht.
In THE GRAND TOUR konnte man schon einen netten Bericht sehen.
😆
Ist der fehlende digital-Tacho wirklich ein Kritikpunkt? Ich werte das höchst positiv
Darf etwas so teures so hässlich sein?
Man gucke sich mal den Veyron an. Geschmack ist eben was anderes. 😆
Bild 23: Die Fahrmodi sind Sumpf, Minenfeld, Weihnachten und Mexiko
Zwischen Vordersitzen und Rücksitzen sind über 30cm Platz. Was für Elefantenfüße und Knie habt ihr oder wie soll es da knapp werden?
Über 1600 Liter Testverbrauch auf 100km? 😆 Respekt
dieser testbericht wird keinen der fahrer eines solchen autos interessieren.
Digital passt nicht in diese Klasse von Autos. Da sind feine, analoge Tachos deutlich besser. Klassische Rundinstrumente sind nun mal deutlich besser und edler als "0815 Digitalgedöhns".
Dennoch: das Auto ist so hübsch, dass ich es am liebsten in einer dunklen Nacht, im Wald, ohne Laternen, mit Licht aus mag. Da sieht man das Wenigste vom Auto 😉
Ich muss gestehen, mir gefällt der Bentayga. Natürlich ist es ein Klotz, wie alle Full-Size SUV eben, wer etwas formschöneres will muss sich eine Klasse drunter bei Macan und co. umsehen, dort sind die Proportionen gefälliger.
Das Fehlen des neuesten Digitalgedöhns ist in dieser Fahrzeugklasse wohl eher gewollt und passt besser zum Ambiente. Im Endeffekt ist es ohnehin völlig egal was wir von diesem Auto halten, da kaum jemand es je nur fahren geschweige denn besitzen wird, aber wenn ich das Geld hätte, wäre mein Name schon auf einer Bestellliste. Alleine dieser Motor ist ein Traum. Da vergesse sogar ich alles von Turbodieseln und Drehmoment (wobei das hat er ja auch ordentlich).
@Trottel2011 Den Panamera schlägt er aber in punkto Hässlichkeit noch nicht 😆.
Welches Auto hat heute noch einen analogen Tacho?
Nur weil sie da ein realer Zeiger bewegt ist das noch lange nicht analog. 😆
Nur eine andere Anzeigeform.
Och, ganz ehrlich: ich stelle sie auf gleichem Parkdeck im Dunkeln... Ich denke der Multipla ist da deutlich angenehmer anzuschauen... Er hat eine besondere Präsenz. 😆
😆😆😆😆
Typische VW Konzernabzocke. Um diesen Preis müsste das Auto schöner und einfach besser sein.