Chrysler-Übernahme durch Fiat
Marchionne hält an Plänen fest
Fiat leidet schwer unter der Wirtschaftskrise in Europa. Deshalb fehlt das Geld, um wie geplant weitere Chrysler-Anteile zu übernehmen.
Turin - Die Wirtschaftsflaute in Europa hält an. Konzerne ohne ausreichende Verankerung in Übersee gehen durch schwere Zeiten. Europaweit sackte die Nachfrage nach Neuwagen im März um 10 Prozent ab, nachdem sie im Vorjahr bereits um 8,2 Prozent abgenommen hatte.
Vor diesem Hintergrund entwickelt sich unter Europas Automobilherstellern eine Zweiklassengesellschaft. Da sind die, die Rekordabsätze verkünden. Daimler, BMW und VW verdienen in Asien und Amerika gutes Geld. Und dann sind da die, die stärker auf den Heimatmarkt fixiert sind. PSA, auch die Europa-Töchter von GM und Ford, Opel und Ford Europa. Sie kriechen "auf platten Reifen" durch die Krise und können nur hoffen.
Zu letzterer Gruppe gehört auch Fiat. Konzernchef Sergio Marchionne bereitete seine Aktionäre auf der jährlichen Hauptversammlung am Dienstag auf schwere Zeiten vor. Der Markt in Europa könne noch stärker schrumpfen als bisher angenommen.
Fiats Rettungsanker ist bisher der Anteil von 58,5 Prozent am US-Hersteller Chrysler, den der italienische Konzern seit 2009 nach und nach aufbaute. Ein Ankauf der restlichen 41,5 Prozent an Chrysler würde Fiats Aussichten deutlich verbessern. Geplant ist das seit Langem.
Verkäufe von Vermögenswerten möglich
Analysten bezweifeln allerdings, dass Fiat derzeit in der Lage ist, die Investition zu tätigen. Auch Marchionne gab zu, dass die Italiener möglicherweise erst das Konto füllen müssten. Fiat investiert derzeit vor allem in seine italienischen Werke. Ziel: Jeep- und Alfa-Romeo-Modelle sollen dort für den Export gebaut werden.
Marchionne erwägt offensichtlich auch den Verkauf von Vermögenswerten, um die restlichen Chrysler-Anteile erwerben zu können. Konkret wurde der Fiat-Patron nicht. Er schloss aus, dass die Marke Ferrari verkauft werden könnte. Auch einem Verkauf von Fiat-Aktien erteilte Marchionne eine Absage. Das lohne sich derzeit nicht - die Aktie ist zu niedrig bewertet.
Spekuliert wird über einen möglichen Verkauf von Magneti Marelli SpA.
Fiat fehlt das Kapital
Die 41,5 Prozent Chrysler-Anteile in Nicht-Fiat-Besitz gehören einem Ableger der Gewerkschaft UAW, dem UAW Retiree Medical Benefits Trust. Über den Preis, den Fiat zahlen müsste, besteht keine Einigkeit.
Was der Fiat-Chef weiß: Zu Investitionen in bessere Geschäfte außerhalb Europas hat sein Konzern keine Alternative. Das gilt insbesondere für den großen US-Markt, wo Chrysler erfolgreich ist.
Dafür braucht Fiat aber Kapital, derzeit hat man nicht einmal einen Zeitplan. Sergio Marchionne will im Laufe des Jahres 2013 prüfen lassen, wann und wie Fiat Chrysler vollständig übernehmen könnte. Er sehe eine 50-prozentige Chance, dass dies 2014 gelingen könnte, sagte Marchionne.
Quelle: Wall STreet Journal
Quelle: MOTOR-TALK
Ich hoffe er weiß was er tut. Fiat steht mit dem Rücken zur Wand. Eine Übernahme der Chrysler Corporation wäre ein höchst spekulatives Geschäft. Das ist zocken! Andererseits wird er wohl keine andere Wahl haben.
Ich sage es ja immer wieder: In der Automobilbranche wird irgendwann eine große Blase platzen. Überall da wo mit Bilanzen und Scheinverkäufen rumgetrickst wird, muss man damit rechnen.
Ich halte mal fest:
- Neuwagen werden im großen Maß auf Halde gebaut
- Händlerzulassungen
- Schleuderkredite der Autobanken
- Heftigste Rabattaktionen auf Neuwagen
Die Hersteller müssen schon sehr verzweifelt sein, und greifen sehr tief in die Trickkiste um ihre Anleger zufrieden zu stellen.
Bin mal gespannt wann der erste Autobauer nach Staatshilfen schreit.
Wenn die ihre anderen marken nicht auch wieder zum erfolg führen wird das wohl nix.
alfa können sie ja auch noch versilbern? vw war da doch schon im Gespräch.
Ferrari läuft schonmal gut. Wie Maserati dasteht weiß ich nicht. Alfa hat das Schlimmste hinter sich. Bei Maserati und Alfa kommt ja eine große Modelloffensive. Ich hoffe, dass diese Marken sich so aus dem Mist rausmanövrieren können. Hoffnungsträger bei Alfa ist neben dem 4C natürlich auch der geplante Spyder auf MX-5-Basis.
Lancia wurde auch zugunsten Alfas bereits eingestampft.
wieso? lancia nutzt jetzt nur die chrysler modelle in europa, anderes logo und fertig ist. die sollen noch nicht weg sein!
Es werden keine eigenständigen Produkte mehr hergestellt. Das ist das was ich meinte.
... für den Moment. Ist die Frage, ob das so bleibt. Vielleicht ist die Entwicklung eigener oder vielmehr gemeinsamer, eigenständig auf beiden Märkten mit verschiedenen Logos und Ausstattung platzierbaren Modellen nur aus finanziellen Gründen derzeit eingestellt?
Würde es ja hoffen, war immer ein Fan von Lancia, wenn auch nicht immer von deren teils fragwürdigen Produkten.
Würde es Lancia ja auch wünschen.
Obwohl ich gestehen muss, dass mir eigentlich nur das Fulvia Coupe, das Beta Coupe, bzw. der Beta Monte Carlo, und der Delta HF Integrale gefallen haben.
Mal abgesehen von den reinen Rallye-Autos Stratos, 037 und Delta S4 natürlich.
Sicher gibt es noch mehr schöne Oldtimer, aber das war leider weit vor meiner Zeit. Alles was nach dem Delta in den 90ern kam, war nix für mich.
Quatsch.
Das Ebit von Fiat-Chrysler war 2012 sogar Höher als das von VW ohne Audi.
Was Marchionne macht, hat durchaus Hand und Fuß.
Der Deal, den er mit Chrysler und der amerikanischen Regierung eingegangen ist, war ein echter Coup.
Seine Aussagen in der Öffentlichkeit sind tlw. etwas "markant", aber dafür sind Italiener ja nicht unbekannt.
Sascha
Hallo Sascha,
das mag ja sein. Nur das Eigenkapital von Fiat ist knapp bemessen. 😉 Und damit eine Übernahme, bzw. weitere Anteile zu kaufen, ist riskant. Kann eben auch schief gehen. Hat man ja zuletzt bei Porsche gesehen mit der geplanten VW-Übernahme. Muss jedoch dazu sagen, dass der Fall Porsche-VW nicht zu Vergleich herangezogen werden kann, weil es eine "feindliche" Übernahme war.
Das ist ja bei Fiat-Chrysler nicht der Fall.
Wie kommst du eigentlich darauf? Auf der gestrigen Aktionärsversammlung wurde doch festgehalten, dass die Fiat Group aktuell den größten Gewinn aller Zeiten macht. Sicherlich zu Lasten des Europageschäfts, weil es die erklärte Strategie von 2009 war, Chrysler massiv zu pushen, anstatt neue Modelle in den kränkelnden Märkten hierzulande zu verheizen. Das ändert sich ja nun, da die Neuheitenwelle für Europa im Januar begonnen hat.
Nur, wenn man der uninformierten Presse Glauben schenken mag. Die Marke Lancia wird es auch weiterhin geben, mit neu entwickelten Modellen, die sowohl den amerikanischen Geschmack als Chrysler als auch den europäischen Geschmack treffen. Siehe Konzept, das für mich mehr Lancia-typisches Design ausstrahlt als die vergurkten Lancia-Designs vergangener Jahre (Lybra, Thesis, usw.)
Wie man Seite 3 der letzten Bilanzpräsentation entnehmen kann, überschreitet die momentane Liquidität 20 Milliarden Euro. Was ist daran "knapp bemessen"?
Wirft genauso wie Ferrari seit Jahren konstant Gewinne ab, siehe gleiche Präsentation.
Hey, danke für die Präsentation!
20 Milliarden an liquiden Mitteln. Die Summe mag ich einfach nicht glauben. Sorry, ich tue mich schwer daran.
Da zitiere ich mich gerne mal selbst:
Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass bei solchen Bilanzpräsentationen immer mehr Schein als Sein dahintersteckt, damit irgendwelche Anzugträger mit komischen posen und lachenden Gesichtern über gute Zahlen berichten können, selbst dann noch, wenn sie in Bedrängnis sind.
Die Bilanzpräsentation bei Lehman Brothers im Jahr 2008 sah ähnlich vielversprechend aus. 😉
Was ich damit sagen will ist doch nur: Passt auf was ihr macht.
Habt nicht allzugroßes Vertrauen auf die Aussagen und Bilanzen eines Großkonzerns. Ohne Chrysler geht Fiat der Arsch auf Grundeis. Und ich behaupte jetzt mal ganz frech, dass Fiat ohne Chrysler überhaupt keine schwarzen Zahlen mehr schreiben würde.
Mich freut es für Maserati, dass sie Gewinne erzielen. Mich würde es freuen, wenn wir mehr Automobile aus Italien sehen würden. Mich würde es freuen, wenn alles so bleibt. 😉
Frech, in der Tat. Weil die aktuelle Bilanz, deren Präsentation ich oben verlinkt habe, unter dem Punkt "Fiat ex Chrysler" für 2012 einen wenn auch kleinen Gewinn vor Steuer ausweist.
Und Fiat ist nicht nur Europa, sondern beinhaltet auch das LATAM-Geschäft, wo Fiat im größten Markt Brasilien seit Jahren auf Platz 1 der Zulassungen liegt und 2012 ein Rekordjahr hatte, was vornehmlich durch den Novo Uno, Punto, Novo Palio und 500 (und nicht durch die Chrysler-Modelle) bedingt war, siehe Seite 29.
Bei der Behauptung, Fiat stehe mit dem Rücken zur Wand, sollte man nicht vergessen, dass es nebenher auch noch Fiat Industrial gibt, was bald der drittgrößte Investitionsgüterkonzern der Welt ist mit Marken wie Case, New Holland, Steyr, Irisbus, Iveco oder Magirus.
Aktuelle Bilanz hin oder her. Weshalb ich diese Behauptungen aufstelle, habe ich begründet. Das kann man jetzt als Blödsinn abtun, aber im Jahr 2008 hätte auch niemand geglaubt, dass uns ein Finanz Crash bevorsteht, der sich bis heute auswirkt. Davon abgesehen glaube ich auch nicht, dass es VW so gut geht wie sie behaupten, mit seinen ganzen Marken und Untermarken und was noch so dazu gehört. Je mehr Firmen in einem Konzern sind, desto unübersichtlicher wird das Ganze. Und ihr könnt davon ausgehen, dass man hin und wieder trickst, damit manche Zahlen besser aussehen. Bin also völlig neutral in der Sache.
Aber behauptet nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.
Also ich denke auch nicht, dass Fiat ohne Chrysler mit dem Rücken an der Wand stehen würde.
Denn abgesehen von den bereits erwähnten anderen Standbeinen Fiats, darf man auch nicht vergessen, dass in diesem Fall die Investitionen anders getätigt worden wären.
Statt quer durch die Chrysler-Palette vieles zu überarbeiten, in neue Werke und Modelle (Dart, Cherokee und teilweise auch den GC, der fast fertige neue 200er) zu investieren wäre dafür in neue Modelle für Europa investiert worden.
Vielleicht gäbe es dann hier einen kompakten Fiat-SUV, eine Alfa-Mittelklasse, und das eine oder andere Modell, mit dem man auch hier Geld verdienen kann.
Diese vorwiegend in Übersee getätigten Investionen haben nämlich noch einen Nachteil, den man in den Bilanzen oder beim Betrachten reiner Zahlen nicht sehen kann: Fiat hatte bisher noch längts nicht überall die Möglichkeit für einen return of investment.
Der GC möglicherweise, aber der Dart z.b. schon nicht mehr, denn den gibt´s erst seit einem knappen Jahr, und ich denke, dass ein Produkt schon einige JAHRE verkauft werden muss, um alle Kosten drum herum einzufahren (Entwicklung, Werkadaption/-Modifikation, und dergleichen), zumal der Dart für seinen Preis auch sehr viel bietet, womit logischerweise weniger verdient wird.
Der Cherokee hat bisher überhaupt nur gekostet, klar, wird er ja erst demnächst in den Verkauf gehen. Und die bisherige Entwicklung des 200ers gab´s auch nicht für lau, aber natürlich noch ohne return.
Auch die 2 neuen Maseratis haben bisher nur gekostet, die werden zwar Geld einfahren, aber eben auch erst in den nächste Jahren. Der Levante kommt hier noch hinzu, ebenfalls nur Kosten.
Dasselbe beim 500L. Den gibt´s zwar schon zu kaufen, aber mit den bisherigen 50.000 ist auch noch kein Geld zu verdienen, obwohl er sich sehr gut macht. Auch hier kommt erst noch der Punkt, an dem man verdient, auch wenn das mit dem US-Vertrieb und dem 500L+ recht bald schon passieren sollte.
Ich hab zwar keine Ahnung, in welchen Regionen all diese Entwicklungs- und Werkskosten liegen, aber wenn man hier nur mit 1 - 2 Mrd. pro Modell rechnet (im habe nur im Kopf, dass der Mondeo imho 2 Mrd. Entwicklungskosten hatte), dann kommt da schon was zusammen.
Geld, das nur gesäht wurde, aber erst in der nahen Zukunft geerntet werden kann und wird.
Ohne Chrysler würde es Fiat zwar schlechter gehen, keine Frage, aber ein "mit dem Rücken zur Wand", wie das bei PSA z.b. der Fall ist, sehe ich hier nicht.