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Mazda 929 Coupé: Japancoupé mit Schlupfaugen

verfasst am Tue Nov 15 16:59:36 CET 2011

Sein extravagantes Design sollte von einem Wankelmotor forciert werden. Doch der Erfolg des RX-7 vereitelte dies. So blieb es im Mazda Cosmo alias 929 Coupé beim braven Schüttelhuber.

"Ein Vollblut zeigt Rasse." Ein Satz wie in Blech gepresst und für die Mazda-Werbetexter nicht zu pathetisch, um den hohen Anspruch der Designer und Ingenieure von Toyo Kogyo wiederzugeben. Die geduckte Klappscheinwerfer-Frontpartie und der flache Karosseriekörper versprechen laut der Mazda- Expertise den sagenhaft niedrigen cW-Wert von 0,32. Damit liegt er mit dem skurrilen Coupé-Keil Subaru XT gleichauf, dem die Dynamik aus dem Windkanal schon im Stand anzusehen ist.

Erst stoische 90, später muntere 120 PS

Das ruhig vorbeiströmende Mazda 929 Coupé trägt seine Windschlüpfigkeit nicht so demonstrativ vor sich her wie der provokant geformte Subaru. Mit der Neuauflage des zweitürigen 929 von1982 wollte Mazda an die stilistische Raffinesse des extravaganten Wankel-Gran Turismo RX-5 anknüpfen. Mit dem gutmütigen Zweiliter-Vierzylinder, der statt munter galoppierender 115 PS bei 6.000/min nur stoische 90 PS bei 4.800 leistet, konnte er dem kultigen Rotarier jedoch kaum Paroli bieten. Erst die zweite Serie des intern HB genannten 929- Coupés zog mit 120 PS dank Bosch-L Jetronic klar am RX-5 vorbei.

Wegen des feingeschlitzten markanten Kühlergrills, nannten ihn Insider Philishave. Der RX-5 leistete sich neben der messerscharfen Frontpartie noch andere bizarre Styling-Spielchen. Das Profil des heiser röhrenden Cosmo-Rotariers zeigt ein drittes Seitenfenster in der breiten B-Säule. Ein Motiv, welches das Mazda 929 Coupé nur so lange aufnimmt, bis das versenkbare "Opera Window" beim Weichspül-Facelift von einer banalen Plastikblende ersetzt wird. Klar, dass Japaner-Freak Martin Rammler, der sich ohne Not noch zu zwei Toyota Tercel bekennt, vor allem nach der frühen Version Ausschau hielt.

Einfache und überschaubare Technik

"Ultraselten sind beide", stellt der 23-jährige Logistik-Fachmann fest, "jedoch gefällt mir die Urversion viel besser. Selbst die 30 PS Mehrleistung hätten mich nicht gereizt. Die Bosch-L-Jetronic und die elektronisch geregelte Dämpferabstimmung machen das Auto nur unnötig kompliziert. Ich ticke noch analog und schätze an meinem Mazda 929 Coupé die einfache, überschaubare Technik - von den Softtouch-Bedienungssatelliten und dem Leuchtdioden-Drehzahlmesser einmal abgesehen."

Bereits als Knabe wuchs Rammler mit den Toyota-Modellen seines Vaters auf. Corolla, Celica, Carina und Camry, so lautete sein Auto-Alphabet. Unversehens hatte Martin die Prägung weg, aus der sich seine Leidenschaft nährt.

"Das Mazda 929 Coupé war der typische Glücksgriff", freut sich Rammler, "erste Hand, von älterer Dame aus Berlin, Automatik mag ich, unter Hunderttausend auf dem Tacho, alle Kundendienste, so gut wie kein Rost. Dafür zahle ich gern einen angemessenen Preis, das hat auch etwas mit Würde zu tun. Zu lange waren alte Japaner einfach verpönt." Jetzt werden sie in der Youngtimer-Szene gerade wegen ihres bizarren Designs und ihrer soliden Technik sehr geschätzt.

Auch BMW- und Mercedes-Fahrer bewundern das Mazda 929 Coupé

Rammler weiß, dass so ein Mazda 929 Coupé mit der charakteristischen Glaskuppel auf dem kantigen Legostein nicht alle Mitmenschen entzückt. Auch dann nicht, wenn es den vornehmen Champagner-Ton "Chateau-Silver" im Verbund mit einem braun-melierten, cordartigen Polsterstoff trägt.

Dennoch erntet der stets höfliche, gebildete junge Mann an der Tankstelle manchmal bewundernde Blicke und bestätigende Kommentare. "Der sehr gute Zustand des Wagens lockt selbst Skeptiker von der BMW- oder Mercedes-Fraktion aus der Reserve, die dann sogar das leider nachgerüstete Farmont-Glasdach für original halten. Andere verknüpfen eine persönliche Erinnerung mit dem Wagen, der damals gar nicht so selten im Straßenbild war."

Der Champagner-Mazda empfängt uns mit wärmender Herzlichkeit. Das liegt nicht nur an den Brauntönen, die uns umgeben, und die sogar vor dem Umschlag der Betriebsanleitung nicht Halt machen. Der willkommen geheißene Gastfahrer registriert sofort die angenehm niedrige Sitzposition hinter dem steil stehenden Zweispeichen-Lenkrad. Die vielfach verstellbaren "Pilotsitze" sind straff und bequem. Der frostkalte Vormittag verlangt beim Start nach einer milden Chokedosierung.

Großes Japan-Coupé. leichtfüßig zu fahren

Schon nach den ersten Kilometern wird klar, wie leichtfüßig und vertraut sich das Mazda 929 Coupé selbst für einen Neuling fährt. Die Lenkung arbeitet leichtgängig und exakt, die unspektakuläre Dreigangautomatik schaltet sanft und zum richtigen Zeitpunkt. Die Übersicht in der beinahe 360-Grad-Kanzel ist hervorragend, es entsteht der Eindruck mitten im Verkehr zu sitzen, statt sich vor ihm zu verstecken. Gewöhnungsbedürftig sind die Satelliten-Tasten. Viele liegen eng verwechselbar nebeneinander. Aber sie reagieren schnell und wunderbar softig, vor allem die für Heizung und Lüftung, als Bonbon gibt es sogar einen Tempomat. Drehzahlmesser und Tacho blitzen beim Beschleunigen auf wie die digitalen VU-Meter eines Yamaha Cassetten-Decks aus den achtziger Jahren.

Das direkte, ungefilterte und vor allem unverfälschte Fahrgefühl im hinterrad-getriebenen Mazda 929 ist nicht viel anders als in einem zeitgenössischen Ford Taunus 2.0 OHC oder in einem Zweiliter-Opel Rekord. In schnell gefahrenen Kurven braucht der Mazda mehr Lenkeinschlag, untersteuernd und daher narrensicher muss er wie die anderen beiden auf Kurs gezwungen werden.

Modernes Fahrwerk, elastischer Langhuber

Anders als die deutschen Konkurrenten Opel und Ford setzt Mazda im 929 Coupé auf fortschrittliche Technik mit einer modernen Schräglenker-Federbeinachse à la BMW und sogar auf hintere Scheibenbremsen. Auch die Mc-Pherson-Vorderachse des Mazda 929 entspricht dem BMW-Vorbild, sie ist aber an einen Fahrschemel angedockt.

Selbst der langhubige Vierzylinder aus dem Vorgängermodell macht seine Sache im Mazda 929 Coupé erstaunlich gut. Seine bescheidene Literleistung sorgt für eine angenehm niedertourige und elastische Charakteristik, die sehr fein mit der Automatik harmoniert. Toyo Kogyo gab sich auch bei diesem katalogmäßig unauffälligen Triebwerk konstruktiv einige Mühe.

Ein Querstrom-Zylinderkopf mit obenliegender Nockenwelle sorgt für gute Füllung und sparsamen Verbrauch. Laut wird der von einem Fallstrom-Registervergaser gefütterte Vierzylinder erst bei Drehzahlen über 4.000/min. Fahren im Mazda 929 wird zu einer unspektakulären Selbstverständlichkeit. Weder bassiger Sound noch prickelnde Leistung stimulieren die Fahrspaß-Sensoren. Dafür tritt treue Verlässlichkeit an die Stelle solch flüchtiger Reize - und das zufriedenene Gefühl, von allem genug zu haben. Und irgendwie anders zu sein.

Betankt wird das Mazda 929 Coupé wie bei einer Jaguar-Limousine glamourös in Kofferraumhöhe. Und die Seitenscheiben lassen sich vorn rahmenlos versenken, so schick wie bei einem Mercedes 500 SEC. Also doch ein verkanntes Vollblut?

 

Quelle: Motor Klassik