Ausblick: 48-Volt-Bordnetz in der Automobil-Industrie
Mehr Spannung, weniger Verbrauch
Die Autohersteller entdecken den „milden“ Hybrid wieder – auf Basis der 48-Volt-Technik. Sie arbeiten an Lösungen, um den Verbrauch um bis 20 Prozent zu senken.
Köln - Mild-Hybride sparen dort, wo Verbrennungsmotoren am durstigsten sind: Sie unterstützen kurzzeitig beim Beschleunigen. Zukünftige Systeme ähnlicher Bauart werden deutlich intelligenter und effizienter.
Bei Continental sieht man gegenüber einem konventionell angetriebenen Benziner mit Start-Stopp-Automatik großes Potenzial zur Kraftstoffersparnis. „Im innerstädtischen Fahrbetrieb können dies 21 Prozent sein, etwa 13 Prozent wären es im NEFZ-Profil“, erklärt Dr. Oliver Maiwald aus der Antriebsstrang-Abteilung bei Continental. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine Bordspannung von 48 Volt. Die höhere Spannung ermöglicht die Übertragung größerer Leistungen. Zudem kann die E-Maschine kompakter ausgelegt und mit einer höheren Leistungsdichte versehen werden.
Basis: Starter-Generatoren mit oder ohne Riemen
Alle großen Zulieferer entwickeln derzeit Lösungen für künftige 48-Volt-Hybrid-Architekturen. „Die höhere Spannung ist der Schlüssel zu Effizienz und höherer Leistung“, sagt Peter Gutzmer, Vorstand Technologie der Schaeffler AG. Schaeffler arbeitet auf Basis eines Continental 48-Volt-Generators an einem Modul, das für seitlich am Antriebsstrang verbaut wird: Den sogenannten „Belt Starter Generator“ (BSG). Ein riemengetriebener Anlasser, der als Generator arbeitet.
Neben dieser Lösung ist auch ein 48-Volt-Modul in der Entwicklung, das zwischen Motor und Getriebe angeordnet ist. Diese Lösung („Inline Starter Generator“, ISG) ermöglicht Kraftstoffeinsparungen von weiteren zwei Prozent. Hier entfallen die Reibverluste durch den Riemen.
„Spätestens 2025 wird das Modul gänzlich zwischen Motor und Getriebe sitzen“, sagt Gerhard Gumpoltsberger, Leiter Innovationsmanagement und Erprobung bei ZF. Ende April 2016 will Continental auf dem Wiener Motoren-Symposium eine Neuheit in dieser Richtung vorstellen.
Erster mit 48 Volt: Audi SQ7
Mit der ISG-Architektur könnten zudem neue Hochstromverbraucher auf die 48-Volt-Seite gelegt werden. Audi praktiziert dies in seinem SUV-Flaggschiff SQ7. Dort gibt es allerdings noch eine normale 12-Volt-Lichtmaschine. Die Spannung wird gewandelt, der Strom dann in eine Lithium-Ionen-Batterie geschickt. Sie versorgt einen elektrischen Verdichter und einen elektrischen Wankausgleich.
Darüber hinaus könnten weitere Verbraucher mit 48 Volt versorgt werden. Zum Beispiel der Klimakompressor. Er würde effizienter als mit 12 Volt laufen. Im Realbetrieb würde das den Verbrauch senken. Auch Renault plant, im kommenden Jahr die 48-Volt-Technik in Serie zu bringen.Bordnetze langfristig mit höherer Spannung
Dass diese Systeme kommen, steht außer Zweifel. Treiber ist der Flottenausstoß, der die Autohersteller zur massiven Elektrifizierung zwingt. Die Riemengeneratoren mit der höheren Spannung werden dabei als kostengünstige Ergänzung zum Plug-in-Hybrid gesehen. „Das System ist deutlich einfacher zu realisieren“, so Gumpoltsberger.
BSG und ISG werden sich vor allem in kompakten Segmenten durchsetzen, heißt es aus den Entwicklungsabteilungen. "Mindestens die nächsten 10 bis 15 Jahre werden wir nicht Elektromotor 'oder' Verbrennungsmotor sagen, sondern 'und'", so Rolf Bulander, Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions beim Automobilzulieferer Bosch. Allein bis 2020 sieht man bei Bosch einen Markt von 3,1 Millionen Fahrzeugen mit 48-Volt-Systemen. Insbesondere Kunden in asiatischen Märkten und den USA sind hier interessiert.
Die Schwaben bringen einen weiteren Aspekt ins Spiel. Aus ihrer Sicht ist das Thema 48 Volt eine ideale Ergänzung zum Diesel-Motor. Es spart Kraftstoff und kann die Emissionsreduzierung sehr effizient unterstützen. Hier soll das 48-Volt Boost-Recuperation-System von Bosch die Stickoxid-Rohemissionen insbesondere beim Beschleunigen und unter hohen Lasten um bis zu 20 Prozent senken.
Intelligente Cloud-Systeme als Ergänzung
Richtig intelligent wird der neue Hybridantrieb erst durch die Digitalisierung. Continental stellte im Januar auf der CES in Las Vegas einen vernetzten 48-Volt-Mild-Hybrid vor. In ihm arbeitet das sogenannte „connected-Energy-Management“ (cEM). Aus der Daten-Cloud heraus kennt cEM die Echtzeit-Verkehrssituation und weiß exakt, wann es sinnvoll ist, vom Gas zu gehen.
Tut der Fahrer dies, aktiviert die Software automatisch die effizienteste Kombination aus Segelbetrieb (Motor abgeschaltet) und Rekuperation. Verzögert wird mit einem Minimum an Radbremseinsatz. „Das Betätigen der Radbremsen wandelt kinetische Energie nur in Wärme um“, sagt Maiwald, „dies sollte möglichst vermieden werden.“ Mit dem cEM ließen sich laut Continental nochmals drei bis vier Prozent Verbrauch einsparen.
Intelligente Antriebsstränge werden jedoch nicht ausschließlich als Mittel zur Effizienzsteigerung gesehen. „Sie können, falls einmal Probleme auftauchen, die notwendigen Informationen künftig auch direkt in die nächstgelegene Werkstatt senden“, sagt Schaeffler-Technikvorstand Peter Gutzmer. „Das Navi würde den Fahrer ohne Umwege dorthin schicken, das Team wäre vorbereitet, die Reparatur schnellstmöglich erledigt.“
Ich frag mich warum die nicht schon lange auf ein 48V-Bordnetz umgestellt haben.
Da gab es vor Jahren schon einmal Ansätze dazu.
Man könnte die ganzen Versorgungsleitungen mit niedrigerem Querschnitt legen, das würde Kupfer und somit Gewicht sparen.
Die µController in den Ganzen Steuergeräten brauchen sowieso schon Spannungswandler und da macht es keinen Unterschied mit welcher Eingangsspannung die arbeiten.
Spannungswandler von 48V auf 12V für 'altes' Zubehör bekommt man heutzutage günstig Produziert.
... bzw. umgekehrt betrachtet dünnere Leitungen = weniger Gewicht.
Für was gibt's Rekuperation?! Ja, keine 100% "Rückumwandlungseffizienz", aber eben nicht "nur in Wärme um".
Da fehlt sehr wahrscheinlich was sehr wichtiges:
1. "... gegen einen saftigen Aufpreis für den Sofort-Service, versteht sich."
2. "... natürlich nur an Vertragswerkstätten weil die Kfz-Hersteller das so wollen, freie Werkstätten wären mal wieder außen vor."
notting
Ein 48V-Bordnetz wäre schon vorteilhafter. Vor vielen Jahren gab man sich da ja ähnlich euphorisch damit wie in diesem Artikel. Herausgekommen ist dabei - nichts. Alle ist sang- und klanglos wieder in der Schublade verschwunden. Diesmal werden die Lobeshymnen pro 48V in Richtung Energieeinsparung noch lauter gesungen. Bei solchen Versprechungen bin ich immer sehr skeptisch. Wenn von den versprochenen "bis zu 20%" real ein Drittel übrigbleibt, wird es schon eher hinkommen. Zur Zeit wird auf Spritmonitor ein Verbrauch von ca. 12,9 l Diesel für den 4.2-V8 angegeben. Der dürfte real dann bei 12 Liter landen. Und dafür dieser Aufwand? Aber wenn das Fahrzeug bei einem Defekt selbstständig den Weg zur Werkstatt weist, wird es sich schon rechnen - für den Hertseller😉.
Gruß
electroman
Das wäre immer noch nicht genug Einsparungen, um die derzeit geltenden Abgasnormen im Straßenbetrieb einzuhalten.
Wenn das 48V Netz so viele Vorteil hat, warum baut man es dann nicht einfach schon länger ein? Warum wird nie auf die Nachteile eingegangen?
Solche Alternativen sind ungleich sinnvoller als die ganzen Dieselsachen.
Womöglich liegt es daran, dass sich bei Spannungen von 48V bereits Lichtbögen bilden können, mit denen im Kfz ungleich schwerer umgegangen werden kann als in der Industrie.
Außerdem erfordert die Umstellung des kompletten Bordnetzes auf 48V die Änderung vieler elektronischer Komponenten, die zuvor mit 12V gespeist wurden (die Preise von DC-DC-Wandlern und die Sinnhaftigkeit der Anwendung im Kfz kann ich nicht beurteilen). Diese Entwicklung dauerte wahrscheinlich relativ lange und wird nun, wie es mit Innovationen häufig passiert, von Oberklassemodellen langsam nach unten durchgereicht werden.
und warum stellt man dann nicht erstmal auf ein 24V Bordnetz um, das gibt es schon seit Jahrzehnten bei den LKWs und verursacht auch keine Lichtbögen, und es wären alle Komponenten für 24 V schon vorhanden,
bei 48V muss man erst einmal alles an die Autos anpassen, alleine schon Beleuchtungsmäßig,
Weil soviel geändert werden muss, weil da verdammt viel dranhängt. Dazu noch "Henne-Ei-Problem". Und man wird wohl wg. der höheren Spannung mehr Probleme haben wg. "feuchtraumartigen Umgebungen" oder so. IIRC haben die Elektrowerkzeuge mit denen in Tanks gearbeitet wird <48V Betriebsspannung und Kinderspielzeug darf mit max. 24V versorgt werden. Verstehst du, was ich meine?
Zudem wird man da wohl gleichzeitig auf Li-Ion-Akkus umstellen wollen (statt anstelle 1 12V-Akku effektiv 4 Stk. im Auto zu verbauen), die nicht so hohe max. (nicht so schädl.) Entladeströme im kalten Zustand haben.
notting
Fragen an die Community:
Ist das 48-Volt-Netz auch schadstoffarm?
Hat Audi dort auch einen Spannungs- und Stromfilter eingebaut?
...
😆😆😆
Hmm, in der Einheit zwischen Motor und Getriebe sitzt ein riemengetriebenes Etwas. Das heißt dass dieser Riemen wohl irgendwann zu tauschen sein wird. Also muss Getriebe oder Motor oder Motor und Getriebe raus... Lustig! 😉
48V wird wohl jetzt zügig kommen. Es war schon immer sinnvoll und diese Starter/Generator Systeme mit 48V wurden bei Continental (damals noch Siemens) im Auftrag diverser Autohersteller schon vor 15 (!) Jahren entwickelt aber es gab viele Gründe warum es nie zur Serie reichte. Allen voran immer das Kosten- Nutzenverhältnis. Der Nutzen war relativ gering weil es bei der Typzulassung (also theoretisch im NEFZ) zu wenig gebracht hat. Das wiederum lag vor allem daran dass im NEFZ und deren Randbedingungen (12V Batterie darf vorher voll geladen werden) das 12V System ausgereicht hat...
In der Praxis sieht das freilich ganz anders aus.
Schuld ist also im Grunde genommen derjenige der für die Ermittlung der Verbrauchswerte bei der Typzulassung verantwortlich ist (Politik?)
Aber NEFZ ist ja Gott sei Dank bald Geschichte
Aber auch an der Kostenseite hat sich gewaltig was getan. 48V wird man wohl nie mit Bleibatterien sehen sondern immer mit Li-Ionen Batterien. Diese haben sich erst in der letzten Zeit durch die Entwicklungen in der E-Mobilität erheblich verbessert. Aber auch die Halbleiter (DC/DC Wandler) sind enorm verbessert. Hier ist Deutschland übrigens noch führend in der Technologie. Leider nicht bei Li-Ionen Zellen.
ich dachte immer Lichtbögen hängen hauptsächlich von der Stromstärke und nicht von der Spannung ab.
Und auch nur wenn man einen Luftspalt hat (Stecker unter Stromfluss abziehen) Deshalb ist das wohl kein Problem.
Mal ein anderes Thema: Das Schwarzpaket sieht echt geilo aus 😆
Der Witz ist ja dass das 48V System eher was für die Praxis ist. Es wird ja immer mit einem Mild-Hybrid verbunden sein. Der Motor geht also auch während der Fahrt aus (segeln). Es kommt also in erster Linie darauf an, wie hoch der Anteil der "Motor aus" Zeiten ist. Bei konstant 130km/h auf der Autobahn würde noch nicht einmal ein Vollhybrid Motor ausgehen und bzw. hätte keinerlei Vorteile. In der Stadt, wenn man auf die nächste Ampel zurollt oder bremst macht es sehr viel aus - gerade bei einem V8.
Jetzt schaue Dir mal den NEFZ an wie wenig "Segelmöglichkeiten" es da gibt. NEFZ Zyklus
Immer nur dann wenn sich die Geschwindigkeit verringert (sehr kleiner Anteil). Das meiste sind Kostantfahrten oder Standzeiten. Bei der Konstantfahrt kann man nicht segeln (Geschwindigkeit würde sich verringern) und im Stand geht auch der Motor mit ein 12V System aus. => 48V bringt hier nichts