BMW M1: Eine Ringfahrt
Mein 1. Mal im M1
Die Nordschleife im November. Ein Wagnis für Könner, Künstler am Volant und Blech-Killer. Dazwischen ich, Constantin Bergander, 28 Jahre und 127 Tage alt. Auf meiner ersten Runde über die Strecke. BMW muss verrückt sein, mir dafür einen M1 zu geben.
Nürburg, Nordschleife - Den E26 (wie der BMW M1 richtig heißt) liebe ich, seitdem ich von ihm weiß. Die Nordschleife verehre ich, seitdem ich von ihr hörte. An meinem Leben hänge ich.
Also trete ich mit der Wucht von Schuhgröße 47,5 auf die Bremse. Etwas zu fest, aber weniger stark als meine acht Finger und zwei Daumen das abgegriffene Leder-Lenkrad mit den drei Speichen und ohne Airbag umklammern. Denn 28 Meter vor mir droht ein Drama. Ein BMW 3,0 CSL rutscht dem Blechtod entgegen, mit zu viel Tempo und dem Heck voraus Richtung Fahrbahnbegrenzung.Der Fahrer schwitzt, ich kenne ihn, er ist ein erfahrener Pilot. Aber Erfahrungen auf der Nordschleife sind wie Erlebnisse in der Liebe. Flüchtig, wundervoll, und immer wieder überraschend. Wer einen Moment verschläft, die Traktion überschätzt, dessen Herz rast schneller als das Auto, in dem er sitzt.
Keinen Fehler verzeiht die Nordschleife, schon gar nicht im November. Und so kämpft mein rechtes Bein zaghaft mit dem Bremspedal. Der M1 hat kein ABS, das stotternd zu viel Wucht abbaut. Auf einen hektischen Tritt reagiert das Auto mit vier blockierenden Rädern.
Noch zu schnell rollen der M1 und ich auf den rückwärts rutschenden CSL zu. Angesichts des drohenden Blechsalats habe ich in diesem Chaos plötzlich Ruhe. Die Art der Ruhe, die es mir erlaubt, alles genau wahrzunehmen. Den einschnürenden Dreipunktgurt an meiner Brust, das brüchige Leder des Sportsitzes an meiner Schulter, die Enge des Cockpits und die Nebelschwaden über dem Ring. Schön ist die Eifel.
Wir haben Glück, die Gummis greifen und das Drama wendet sich zum Guten. 8 Meter vor mir kommt der CSL zum Stillstand, unverschrammt. Mein M1 bremst ebenfalls. Zeit, um Luft zu holen. Der andere Fahrer und ich sehen uns in die Augen. Die Angst, verflogen, die Lust, ungebrochen.
Erster Gang, unten links, Kupplung kommen lassen, am CSL vorbei. Der soll mich vorerst nur noch von hinten sehen. Vor mir spiegelt der Asphalt.
Rückblick
Als ich sechs Jahre alt war, schenkte mir mein Opa ein Auto-Quartett. Die erste Karte, der Super-Trumpf: Ein BMW M1. In unzähligen Spielen hatte niemand eine Chance gegen dieses Auto. Keine andere der 31 Karten war seinen 277 PS gewachsen. 262 km/h Spitze – so schnell war 1979 in Deutschland niemand. Die Daten des M1 bleiben für immer in meinem Kopf. Heute habe ich ein wichtiges Detail ergänzt: Die Körpergröße des Fahrers sollte 1,80 Meter nicht übersteigen.
Triff Dein Idol
Einst blickte ich zu meinem automobilen Helden auf, heute reicht er mir bis zur Hüfte. Das sieht super aus, ganz anders als das Einsteigen. Tolpatschig fällt mein 1,90 Meter großer, 93 Kilo schwerer Körper in den Sportsitz. Hui, das staubt aber.
Eingepfercht in den Sitz stoßen meine Knie an das Armaturenbrett, mein Kopf reibt sich am Dachhimmel. Für den 1,94 Meter großen Hans-Joachim Stuck fertigte BMW 1979 einen eigenen Sitz an. Den hätte ich jetzt gerne. Liebe und Leidenschaft sind ja oft eng miteinander verbunden. Und eng ist es hier.
BMW M1: Ein Auto mit Neid-Faktor
Aber auch schön. So schön, dass ich diesen Moment festhalten will. Ein Foto vom Cockpit sende ich an einen, der mal mein Freund war. Vor seiner Antwort jedenfalls. Denn die lautet in etwa, ich sei mies und einer oft zitierten Körperöffnung ähnlich. Was er mir sagen will? Ich hätte so ein Auto nicht verdient. Nie wieder wolle er mit mir sprechen. Er scheint den M1 erkannt zu haben.
Schlüssel auf Zündung – Auftritt der Kontrolllampen. Ein Zeiger bestätigt den vollen Tank – 105 Liter Super Plus. Das Kühlwasser-Thermometer zeigt 90 Grad Celsius an. Ausgezeichnet, Betriebstemperatur. Erst 34.521 Kilometer hat der M1 runter. Technisch also noch neu.
Ein Kunstwerk mit sechs Zylindern
Wir starten und wenige Zentimeter hinter meinem Rücken bewegen sich die Mahle-Kolben auf und ab. Das mechanische Kugelfischer-System spritzt Kraftstoff in die sechs großen Trichter der Einzeldrosselanlage, vorbei an 46 Millimeter breiten Klappen. Über zwölf Ventile strömt das Gemisch in die Brennräume, die kontaktlose Magneti-Marelli-Zündung lässt den Funken springen.
Der Motor läuft. Leise, kultiviert, ruhig bei 800 Touren. Er klingt modern, nur das Vibrieren der Karosserie verrät sein wahres Alter. Das Motorengenie „Nocken-Paule“ Rosche machte den Reihensechser alltagstauglich und drehzahlfest, der rote Bereich beginnt erst kurz vor 7.000 Umdrehungen. Die Rennversion dreht höher und leistet 470 PS.
Die Kupplung kommt früh, gefühlvoll gebe ich Gas und steuere Richtung Ring. Wenn ich hier wieder ankomme, zeigt der Wegstreckenzähler 34.542 Kilometer.
20,832 Kilometer grüne Hölle
Noch nie habe ich eine Runde auf der Nordschleife gedreht, trotzdem ist mir jede Kurve vertraut, von der Playstation. Vorsichtig teste ich, was der M1 kann. Und merke: Er kann viel mehr, als ich mich traue. Hatzenbach beeindruckt ihn kein bisschen, die ersten Kurven nimmt er lässig.
Hinter mir schwillt das Säuseln zu einem soliden Brüllen an. Wir werden schneller und reiten auf der ewigen Kante. Rechts die Leidenschaft, links die Vernunft, dahinter der Abgrund, dazwischen mein Ego.
Vor dem Adenauer Forst bremse ich stark und schalte in den zweiten Gang. Die Synchro-Ringe des Getriebes sind verschlissen, es kracht im Gebälk.
Der Renn-Opa und ich, wir gewöhnen uns aneinander. Wie ein alterndes Liebespaar beim ersten Mal nähern wir uns zärtlich, rücksichtsvoll. Es ist ja alles so zerbrechlich. Das Auto, mein Leben, die Zukunft. Auf der Döttinger Höhe nagle ich das Gaspedal ins Blech, drehe die Gänge voll aus.
Im Rausch der kilometerlangen Geraden schaue ich verwegen auf das Tacho. Mit 160 km/h schießt die Flunder vorwärts. Ein phantastisches Tempo, wenn vorne eine 2 stünde. Zumindest das Fahren fühlt sich so schnell an. Im Hohenrain dann bremst mich das Drama meines Vorweg-Fahrers aus. Der CSL verliert den Boden unter den Hinterrädern. Mein Rausch endet.
Kein Auto für heute
Mit gemessenem Tempo, aber ohne gemessene Zeit, überqueren wir die Ziellinie. Raus aus dem warmen Schoß des M1, zurück in den kalten November. Mein Herz strahlt, in meinem Hirn blitzen die Synapsen.
Nach meiner ersten Runde auf der Nordschleife verstehe ich nicht so recht, warum alle um Sekunden kämpfen. Denn obwohl ich viel zu langsam gefahren bin, raste die Zeit. 9 Minuten, 14 Minuten oder sogar 20? Keine Ahnung, es war auf jeden Fall zu schnell vorbei.
Hommage an den BMW M1
Der Ring hat nun auch mich offiziell verzaubert. Endlich weiß ich, wie sich das Karussell anfühlt. Die steile Kurve, die Bodenplatten, der Aufstieg zum Galgenkopf. Die unterschiedlichen Streckenverhältnisse, das wechselnde Wetter – all das habe ich erfahren. In einem einmaligen Auto, für das es seit 31 Jahren keinen Nachfolger gibt.Das könnte sich bald ändern. 2016 wird BMW 100 Jahre alt. Es wabern Gerüchte im Netz, die sagen, dass es ein Jubiläumsmodel geben wird. Eins, das M8 heißen und sich am M1 Hommage Concept von 2008 orientieren könnte. Lieber Herr Reithofer – wenn sie das lesen, bitte sagen Sie ja. Der M1 hat das verdient!
BMW M1: Technische Daten
- Modell: BMW M1
- Antrieb: 3,5 Liter-Reihensechszylinder
- Leistung: 277 PS
- 0 - 100 km/h: 5,6 Sekunden
- 0 - 200 km/h: 20,7 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit: 262 km/h
- Verbrauch: 19,6 Liter Super Plus / 100 km (ECE Messmethode)
- Länge x Breite x Höhe: 4,36 Meter x 1,82 Meter x 1,14 Meter
- Gewicht: 1.300 kg
- Preis: 100.000 DM (1978), 145.000 Euro (Heute, Zustand 2, laut Classic Data)
- Produktionszeitraum: 1978 - 1981
Quelle: MOTOR-TALK
Toll geschrieben, vielen Dank.
Hat Spass gemacht den Bericht durchzulesen.
Und ja, der M1 ist wirklich ein Traumauto. War es für mich auch schon immer, auch schon in frühen Zeiten, in der ich selbst keinen BMW gefahren bin. Geschweige denn überhaupt ein Auto und Führerschein hatte. 😊
Das trifft´s im Kern!
Da wird mit Zahlen und Tabellen jongliert, werden NM und PS verglichen und versucht, sich wie auf dem Schulhof mit Vmax und 0-100-Werten zu überbieten und niemand denkt auch nur im Ansatz daran, was eigentlich zählt.
Wie fühlt es sich im Auto an? Das ist das Einzige was zählt. Ich kann den Spaß, den der M1 auch auf dieser "langsamen" Runde gemacht hat, jedenfalls haargenau nachvollziehen.
Ein echter Traumwagen - allerdings nur im Original. Die 2008er Interpretation finde ich furchtbar.
angeblich ist es zum 100 jährigen geburtstag der marke wieder soweit und der M8 feiert sein debüt - anscheinend hat der vorstand ja gesagt! gerüchte gibt es ja schon länger auch die positionierung, gewicht, ps etc. 😆 Link - möglicher M1(0)
mal sehen was kommt ein paar namen hat man sich ja schon vor längerer zeit gesichert - wobei hier M10 vorkommt BMW Namensrechte 06/2012
Uff, zum Glück ist die Flunder heil geblieben. Ich hätte es dir und dem CSL-Fahrer wahrscheinlich niemals verziehen, wenn ein M1 dabei draufgegangen wäre. Mann, Mann, Mann...
Es freut mich, dass du offenkundig spaß am Ring hattest. Vielleicht bist du ja jetzt angefixt und drehst öfter mal eine Runde? Und irgendwann gehörste zu uns Verrückten, die sich eigens dafür ein Ringtool zusammendängeln und dabei weitestgehend auf Alltagstauglichkeit und Komfort in ihrer Kiste verzichten. 😆
Ein Glück kein Unfall. Welcher MT Redakteur hat damals eigentlich den RS3 in die Leitplanke gefahren?
...Die haben Dich tatsächlich damit fahren lassen? 😱 Alter..., das ist mal ne Ehre der besonderen Art. Du hast vergessen zu erwähnen, was so ein Auto wert ist. (!) Denn dann wäre schnell klar, warum Du nur 160 gefahren bist 😆😆
Ja, eine wirkliche Ehre.
Und Tempo 160 - ich habe mal gehört, der M1 soll bei höherem Tempo ein etwas heikles Fahrverhalten haben. Was kannst dazu berichten? Ich glaube 160 soll noch kein wirkliches Problem sein, aber hast Du schon etwas bemerkt?
Und: Habe ich es richtig gesehen, daß der M1 auf beiden Seiten Tankstutzen hat?
Heist es, ja. Aus dem Mund von irgendwelchen Redakteuren, die aus Ihren ESP Schleudern in so ein Auto sitzen und dann kalte Füße bekommen weil sie auf einmal AUTOFAHREN MÜSSEN. Das muss für manche eine Erfahrung der dritten Art sein 🙄
Sehr gut, klasse! 😆
Wahrscheinlich ist das Fahrverhalten des M1 bei höheren Tempi weitaus lockerer, als eines ursprünglichen 911ers. 😉 Bedingt durch den Heckmotor, wird der vorne sehr leicht. Habe mal einen gesehen, der ist damit 160 gefahren und konnte lustig lenken wie der wollte: Der Wagen fuhr geradeaus. 😊
Im Falle der Elfer hab ich das auch schon in zeitgenössischen Berichten gelesen. Man hat wohl damals angefangen mit Frontspoilern zu experimentieren, um diesem Phänomen beizukommen.
Wie kann ein 6-ender 8 Ventile haben? Müssten es nicht entweder 12 oder 24 sein?
Hatte ich auch überlesen. Im Falle des M1 sind es 24 Ventile.
Du hast natürlich Recht: Der M1 hat zwölf Einlassventile, insgesamt also 24. Ich hab den Text angepasst.
meehster: Jap, ist mir aufgefallen. Bei 160 km/h konnte ich nichts außergewöhnliches feststellen. Ich fahre aber recht regelmäßig Autos ohne Assistenzsysteme. Nur mit weniger Leistung 😉