VW Budd-E: Sitzprobe in der Studie auf der CES
Mein lieber Budd-E
Auf der Elektronikmesse zeigt VW etwas Zukunft: Einen elektrischen Kleinbus namens Budd-E. Wir saßen drin und räumen hier mal auf.
Las Vegas – Im wahren Leben ist ein Buddy ein guter Typ. Einer, mit dem man schnell warm wird. Auf den man sich verlassen kann. Nur: Mit dem wahren Leben hat das Messestück aus Wolfsburg wenig gemein. Ebenso wie die Elektronikmesse CES in Las Vegas. Fast alles auf der Messe blinkt und funkelt. Gebrauchen kann man von den Dingen, die still schreiend um Aufmerksam buhlen, wenig.
Auch der Gebrauchswert des Budd-Eist zweifelhaft.
VW Budd-E: Kumpel oder kalt?
Schon der Name ist ein Fake. Warm und vertraut fühlt sich hier nichts an. Die Türen öffnen mit Gestensteuerung. Also theoretisch. Praktisch braucht es ein halbes Dutzend Gesten, um die Tür zu öffnen oder zu schließen. Die Lichtverhältnisse machten den Sensoren zu schaffen. So oder so fragt die ausführende Hand das Gehirn: Was mache ich hier? Sind Türgriffe wirklich so überholt?Die mattweiße Oberfläche des Autos fühlt sich klinisch rein an. Drinnen leuchtet das Diodenband eiskalt-blau. Das passt ganz gut zum neuen VW-Chef. Herbert Diess, Heilsbringer (Anm. d. Red.: Markenvorstand) der Marke VW, strahlt eine ähnlich kühle Aura aus. Er erinnert dabei ein wenig an den Ex-Chef und Weiterhin-Großaktionär Ferdinand Piëch. Nur ist Diess dabei nicht ganz so unnahbar. Aber wir leben ja auch im Jahr 2016, wenige Monate nach dem VW-Skandal.
Der Budd-E weckt Neugier, aber er ist kein Lustmacher. Da nützt auch die von Strategen verordnete Nähe zum Bulli nichts. Sie nervt eher. Seit 2001 gab es einige sehenswerte Bulli-Interpretationen, keine schaffte es in Serie. Die letzte von 2011 sollte ebenfalls elektrisch fahren, in vier Jahren. Aus heutiger Perspektive also vor ungefähr einem Jahr.
Der Budd-E, so kündigte VW-Chef Diess an, soll 2019/2020 kommen. Ungefähr. Ebenfalls vollelektrisch, mit 533 Kilometern Reichweite, einer 92,4 kwh großen Monoblockbatterie im Boden und zwei E-Motoren mit 100 bzw. 125 Kilowatt. So viele Versprechungen bei so wenig Klarheit über die tatsächliche Seriennähe lockte selbst bei den Wettbewerbern nur ein müdes Lächeln hervor.
Anfassen, wischen, blättern: Gestensteuerung im Budd-E
Zurück ins Auto. Leuchtende Augen gibt es hier, aber eigentlich nur, weil sich permanent Bildschirme darin spiegeln: einer riesengroß rechts neben dem Fahrer, einer hinterm Lenkrad, einer links daneben. Mit Letzterem werden die Türen geöffnet oder geschlossen. Ernsthaft.Der mittlere und rechte Monitor sind miteinander verbunden, frei konfigurierbar, haben neue Menüs, Touch-Bedienung, Gestensteuerung. Fotos kann man mit Wischgesten durchblättern, das klappt so gut, wie so etwas im Prototypenstatus funktioniert. Beim Ausprobieren weckt es meinen kindlichen Spieltrieb. Beim Nachdenken darüber frage ich mich: Wofür wische ich im Display neben dem Lenkrad in Fotoalben? Wieso brauche ich die Wetteranzeige bis kommende Woche? Sind das nicht Informationen, die ich sonst schon seit Jahren auf meinem Smartphone zuverlässig abrufe. Und brauche ich die während der Fahrt. Sei sei nun teil- oder vollautonom. Vor dem Beifahrersitz steckt zusätzlich noch ein iPad. Schön, etwas vertrautes zu sehen. Da weiß ich, wie es funktioniert und was ich brauche. Auch ohne Gestensteuerung.
Natürlich zielen viele Funktionen auf autonomes Fahren ab. Aber soll das Auto wirklich nur noch ein Device, ein Endgerät sein? Diese Frage müssen die Autohersteller einmal für sich beantworten. Technisch bessere Softwarelösungen erwarte ich nicht von meinem Auto, sondern von Samsung, Microsoft, Apple oder Nerds.
Der Innenraum des Budd-E: Vernetzt, monitorisiert
Ein Blick ins Innere der kalten Studie. Zwei Türen vorn, betont coole Sitze, hinten eine große elektrische Schiebetür und dazu eine Lounge-Ecke. Früher hieß das mal Eckcouch. Es gibt zwei Gurte und ein 36-Zoll-Display. Alle Anzeigen sind per Cloud verbunden, Musik, Fotos, juhu. Und jeder der zwei Rückbänkler kann über sein elektronisches Gerät auf den großen Monitor zugreifen. Vorstellbar, dass diese und andere Lösungen kommen.
Der Elektronik-Riese LG stellt auf der gleichen Messe quadratmetergroße, voll flexible Displays vor. Mit ihnen könnten A-Säulen rundum verkleidet werden. Oder sie könnten im Auto einen künstlichen Himmel simulieren. Oder ein fahrendes Kino. VWs Idee ist also modern. Ob sie unsere Realität wirklich in weniger als zehn Jahren erreicht, frage ich mich nach dem Kontakt mit dem Budd-E.Displays mit Rückmeldung und Autos wie Handys
GM bewies mit der Studie Hy-Wire schon vor 14 Jahren, dass Autos flexiblere Innenräume erlauben, wenn der Antriebsstrang vollelektrisch und die Batterien in Unterflur-Manier eingebaut werden. Dreipunktgurte auf jedem Sitzplatz limitieren jedoch die Kreativität. Ob der Trend der intensiven Displayisierung sich so durchsetzt, wie auf der CES gezeigt? Das entscheiden die Käufer.
VW sagt, der Passat mit dem volldigitalen Cockpit verkauft sich besser als erwartet. Gleichzeitig sehnen sich Kunden im Auto nach Haptik, nach Einfachheit, manchmal in Form von Knöpfen. Im ersten Audi TT waren die aus vollem Aluminium gefrästen Schalter so etwas wie Status-Symbol.
Bosch zeigte dreißig Schritte von VW entfernt ein Display, dessen Oberfläche intensive Rückmeldung gibt. Der Monitor vermittelt durch elektrische Impulse unter dem Glas das Gefühl, einen Knopf zu drücken oder über eine Textur zu streichen. VW plant ähnliche Bildschirme. Spannend, aber noch weit entfernt.
Es steckt viel Zukunftsmusik im Budd-E, wie in vielem, das auf dieser Elektronikmesse gezeigt wird. Nur, nicht jede Musik trifft den Massengeschmack. Wenn ein Auto so kalt und digital wirkt wie der Budd-E, wo bleibt dann die Bindung dazu? Wer hat seinem zuletzt ausgemusterten Smartphone eine Sekunde nachgetrauert? Wenn Autos wie ein Budd-E werden, ist das dann noch "mein" Auto?
Liest sich wie von jmd., der Null Ahnung von Elektronik hat. Mein Vater hat kürzlich versucht eine alte Motorsäge zum Laufen zu bringen. Ging aber nicht, die Kraftstoffschläuche waren zu sehr verrottet. Der Ähnlich alte Gegenständige mit E-Motor (ok, mit Kabel dran, kein Akku) funktionieren da noch...
Wo ich zustimmen würde, ist z. B., dass viele Leute sich Optionen/Pakete mit elektr. Funktionen kaufen und dann nie was davon öfters verwenden. Oder folgendes:
Bitte im tiefsten Winter mit Handschuhen und im Sommer bei direkter Sonneneinstrahlung bzw. aufgeheiztem Fahrzeug testen. Ich ahne böses...
Oder folgendes:
Aber:
Also meinem alten Auto habe ich auch keine Sekunde nachgetrauert. Das Ding war >20 Jahre alt und lief immer schlechter.
So ziemlich jeder, der von div. (oft genug Hardware-)Problemen mit den neuesten Highend-Smartphones konfrontiert war? Bzw. wenn's gut läuft und in allen Punkten besser ist, warum nachtrauern?
Nachtrauern tue ich nur der Zeit, wo man ein Handy bzw. Akku mit mehreren Wochen Stand-by und für mehrere typ. Arbeitstage Gesprächszeit hatte. Deswegen habe ich mir vor nicht allzu langer Zeit ein neues Dumbphone für 20EUR (Auslaufmodell) geholt.
notting
Damit wäre auch schon alles gesagt.
Den Rest können andere Unternehmen eh besser. Sei es Vernetzung, Software, GUI usw.
Aber der Bericht war insgesamt mal eine Wohltat, weil einfach etwas skeptischer in allen Belangen.
Einen zweiten Thread über etwas aufzumachen, was es nicht gibt und nicht geben wird, finde ich übertrieben.
+1 zum Bericht.
Da kann ich nur zustimmen. Das Auto ist wirklich langweilig, ohne jegliche Emotion. Nur noch digital.
Außerdem sieht er eher aus wie eine Neuinterpretation des Fridolin als nach Bulli.
vollste Zustimmung; VW scheint auf dem letzten Loch zu pfeifen und aktiviert sämtliche Schergen um mal wieder positive Schlagzeilen zu bekommen.
Bringt bei Amis nur ein muedes Gaehnen hervor. Baut VW ueberhaupt noch Autos? Die hatten doch mal den Beetle? In so einen Eisbunker wo nichts richtig funzt wird man wohl kaum amerikanische Kunden reinkriegen. Davon ab dass das Ding eh nur ne Atrappe ist und garnicht gebaut wird...
Die Beste Loesung fuer die Missgeburt: Zum Recyclinghof der Stadt Las Vegas und gut ists.
Pete
Deswegen werden solche Autos auch von Firmen gebaut werden, die sich mit sowas auskennen.
Ich sehe hier keine positiven Schlagzeilen. Für mich ist der Artikel eher ein Verriss. Aber ein sehr gut geschriebener. Trifft genau meine Meinung zu dieser völlig steril wirkenden Studie und ihren Gimmicks.
So sieht es aus. Und nun auch hier wieder eine "Ankündigung", die eine solche bleiben wird. Warum, VW? Ihr bleibt doch durch den Abgas-Skandal und die Ungleichbehandlung von amerikanischen und deutschen Kunden eh im Gespräch. Das Geld für diese "Studie" hätten sie sich lieber für Kulanz und Regulierungssachen aufheben sollen. Von der angekündigten "neuen Bescheidenheit" sehe ich hier jedenfalls nichts.
Das zum einen mit diesem - mir auch erst unnötig erscheinenden weiteren VW/"Budd-E"-Artikel - und damit an den Redakteur:
Wow !
So kritisch + nüchtern, statt lobhudelnd der Vorführungen schwelgend. Danke.
Ja (ich mochte den Fridolin). Ich persönlich finde da eine Menge guter Dinge in der Kiste:
...
Wie viele Studien haben sie hier mal wieder das Maximum gebastelt und die Spielkinder durften sich richtig austoben. Erfahrungsgemäß wird dann später die Kalkulationsabteilung und die Marktforschung etliche der neuen Ideen wieder kassieren. Wir sollten mal in zwei Jahren schauen, wenn die den dann immer nich präsentieren, sollte er schon deutlich nöher an der Serie sein und mit Sicherheit interessanter. Das hoffe ich zumindest, obwohl von VW die letzten Jahre ja nicht wirklich innovatives gekommen ist (die Diesel-Schummel-Software war zwar auch innovativ, aber die zählt irgendwie nicht... 😉 ).
Hmmmh ---- mit der Namenswahl für Modellreihen hat VW ja nicht wirklich ein gutes Händchen.
Budd --- ausgesprochen dann wie mit 2 „harten t“, also butt, womit wir bei der englischen Aussprache auch gleich beim englischen Wort für Hintern wären.
Passt trotzdem nicht wirklich in die Palette mit Truthahn, Anorak und Sharia.
Brief + Siegel. Tun sie nicht.
Es wurde ja bereits mehrfach aufgezeigt, insbesondere als Bulli schon x Studien aufgefahren zu haben. Nix davon übrig. Mal gänzlich unabhängig eines innovativen Antriebsstranges.
VW bekommt es nicht gebacken, seine eigene Historie sinnvoll + emotional aufzubereiten.
Ja, gewiss, der (New)Beetle, Retro ist eine gewisses Risiko aber dann muss man es eben neben besagtem emotionalen auch mit sinnvollen ergänzen !
Ja, da hast Du schon Recht. Aber Du weißt ja, die Hoffnung stirbt zuletzt...🙁
Und in drei Jahren ist mein Prius abbezahlt, dann soll ein reines Elektro-Auto her. Der VW käme in die enegere Wahl (wie auch der Chevrolet Bolt oder das Modell III von Tesla), wobei ich den Bolt total langweilig finde. Und vom Tesla gibs noch nichts optisches.
Aber andereseits hat VW im Moment einen neuen Chef, der die Chance hat, wirklich was zu ändern/zu verbessern. Evtl. haben sie ja wirklich was gelernt aus ihren Betrügereien.
Guter Artikel. Er beschreibt ganz gut, was ich über die rollenden Smartphones denke.