Bobby-Car-Rennen
Mit 100 Sachen den Berg runter
Er ist 43 Jahre alt und fährt in seiner Freizeit am liebsten Rutscheautos: Jochen Kühnel ist Vize-Weltmeister im Bobby-Car-Rennen.
Von Anne Klesse
Sein Auto hat weder Motor noch Gaspedal. Trotzdem kommt es auf eine Spitzengeschwindigkeit von um die 100 km/h. „Je nach Strecke“, sagt Jochen Kühnel stolz. Bergab wird's auch mal schneller. Der 43-Jährige ist professioneller Bobby-Car-Fahrer. In der Liga gibt es keine Preisgelder zu gewinnen, aber Ehre, Titel, ein Pokal und eine Urkunde sind Lohn genug.
Sein Geld verdient Kühnel in der eigenen Autowerkstatt in einem kleinen Ort bei Creglingen in Baden-Württemberg. Dort repariert er die Wagen seiner Kunden, schraubt nach Feierabend auch an den alten Autos und Oldtimern seiner Sammlung, zu der unter anderem ein alter VW Käfer, VW-Busse und ein Porsche 911 zählen. Aber nur an dem kleinen Plastiktretautos namens Bobby Car entzündet sich seine Rennfahrer-Leidenschaft. Das Bobby Car, seit Jahrzehnten in den Kinderzimmern der Republik der Hit, ist sein größtes Hobby.Vor sieben Jahren fing alles an, da war sein älterer Sohn Max gerade ein Jahr alt geworden. Bei der örtlichen Feuerwehr habe es damals ein Spaßrennen mit Bobby Cars gegeben, erinnert er sich. Jochen Kühnel fuhr mit und leckte Blut. „Mir gefiel das Gefühl, mit hoher Geschwindigkeit den Berg runterzufahren und nur wenige Zentimeter über der Straße zu sein. Kurz danach bin ich mal zu einem offiziellen Rennen in der Nähe gefahren – ab dann war mir klar: Da will ich auch mitmachen.“
Material für 1.000 Euro steckt im Renn-Bobby-Car
Als Kfz-Profi und Hobbyschrauber kennt er die Tricks und Kniffe des Tunens. „Um schnell zu sein, kommt es vor allem auf die technischen Voraussetzungen des Rennwagens an“, sagt er. Und tüftelt dazu stets an neuen Möglichkeiten. Etwa 1.000 Euro Materialwert hat er in seinen aktuellen Rennwagen gesteckt. Und unzählige Stunden Arbeit. Was genau er alles an dem Rutscheauto verändert hat, will er wegen der Konkurrenz nicht verraten. Aber so viel sagt er: „Das Lenkrad muss man versetzen, um als Erwachsener bequem zu sitzen; Achsen, Räder und Kugellager müssen gut sein.“ Die Originalautos haben Plastikräder ohne Kugellager, die nutzen sich zu schnell ab und drehen sich nicht schnell genug.
Sein aktuell schnellstes Bobby Car im eigenen „Rennstall“ ist ein schnittiges orangefarbenes Modell mit Gummireifen und einer Art Frontspoiler. Das gesamte Tuningmaterial sei „Marke Eigenbau“. Von der Stange, sagt Jochen Kühnel, gebe es „so gut wie nichts“. Die Bobby Car-Rennszene ist eine Gemeinschaft von Tüftlern, die das Wettrüsten und Ausprobieren lieben und aus ihren Erfahrungen ein Geheimnis machen.
Sie füllen ihre Bobby Cars mit Sand oder Beton, um sie schwerer zu machen, bauen sich Felgen aus Aluminium, ölen ihre Kugellager, lassen sich spezielle Reifen aus Übersee einfliegen und frisieren ihre Plastikflitzer zu sogenannten „Downhill-Bobby-Cars“. Bei manch getuntem Fahrzeug ist das Original kaum noch zu erahnen. Die meisten Bobby-Car-Fahrer schrauben in Eigenarbeit an ihren Startautos herum, es gibt aber auch Fahrer, die mittlere fünfstellige Beträge an Werkstätten bezahlen.
In den 90ern erste Bobby-Car-Rennen für Erwachsene
Seit 1972 ist das Bobby Car des mittelfränkischen Unternehmens BIG auf dem Markt. Er wurde entwickelt, um als „Rutscheauto“ Kinder spielerisch beim Laufenlernen zu unterstützen. Laut Hersteller ist das Bobby Car, von dem es mittlerweile einige Sonderkollektionen und -reihen gibt, mit rund 17 Millionen verkaufter Modelle das meistverbreitete Kinderrutschauto.
In den 90er-Jahren gab es die ersten Bobby-Car-Rennen von Erwachsenen. Meisterschaften wurden mit der Zeit immer professioneller organisiert. Allein in Deutschland gibt es mittlerweile mehr als 20 Einzelvereine, in denen sich die Racer organisieren. Jochen Kühnel sitzt seit November im Vorstand des Dachverbandes Bobby-Car-Sport-Verband, der die BIG-Bobby-Car-Rennen austrägt.
Der Verband lizensiert die Rennen, bei denen strenge Regeln herrschen: So darf beispielsweise der Kunststoffkörper der Bobby-Cars laut Reglement „nicht in Einzelteile zerlegt und durch irgendwelche Hilfsmittel künstlich verlängert oder verbreitert werden“. Die Außenmaße der Rennwagen dürfen 50 (Breite) x 74 (Länge) x 55 (Höhe) Zentimeter nicht überschreiten, der Raddurchmesser nicht mehr als 24 Zentimeter und das Gesamtgewicht maximal 40 Kilogramm betragen.
Bei Geschwindigkeiten um die 100 km/h trägt Dukati-Fahrer Jochen Kühnel seine Motorradkluft mit Handschuhen und Helm. Die Rennstrecke ist mit Autoreifen oder Heuballen gesichert. Vor allem in den Kurven gibt es immer mal kleinere Unfälle. „Wichtig ist es, sich so flach wie möglich und kerzengerade auf das Bobby Car zu legen, die Beine waagerecht unter das Lenkrad geklemmt, um dem Fahrtwind möglichst wenig Widerstand zu bieten und so schnell wie möglich zu sein“, sagt Kühnel. Besondere Fähigkeiten benötige man nicht, „aber fit sollte man schon sein“. Immerhin muss die Position je nach Strecke bis zu 1.200 Meter lang durchgehalten werden.Reifenstücke unter der Stiefelsohle
Im Moment kurz vor dem Start ist Jochen Kühnel hochkonzentriert. Er steht mit seinem frisierten Bobby Car auf einer Rampe. Achtung, fertig, los, die Klappe fällt und der Wagen rollt an. Wichtig: „Anschubsen oder mit den Füßen Schwung geben ist verboten, gerollt wird nur mit Hilfe des eigenen Gewichts.“ In den Kurven entscheidet sich, wer ein guter Fahrer ist. Man richtet sich auf, verlagert das Körpergewicht zur Innenseite und bremst mit den Füßen etwas ab. So zumindest macht es Jochen Kühnel. Dafür hat er sich unter die Motorradstiefel Stücke von Autoreifen geklebt. „Sonst wären die Stiefel nach einem Mal bremsen durch.“
2014 landete er auf dem dritten Platz der Weltrangliste, 2015 startete er bei sechs Meisterschaften und zwei Funrennen. Manche halten ihn wegen seines ausgefallenen Hobbys für krude, aber das ist ihm egal. In dem 300-Einwohner-Ort in Baden-Württemberg, in dem Familie Kühnel lebt, gibt es sogar noch einen weiteren Profi-Bobby-Car-Fahrer.Und seine gesamte Familie fiebert mit ihm an der Rennstrecke mit, wenn er antritt. Inzwischen fahren Kühnels Söhne Max (8) und Leo (5) nicht nur selbst Rennen in ihren Altersklassen und kommen auf Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 44 km/h bzw. 30 km/h – damit sind sie Weltmeister ihrer Klassen. Sohn Max ist zudem Deutscher Meister 2015 geworden.
In Haus und Garage stehen mittlerweile 20 Bobby Cars. Das Bobby-Car-Fieber hat also schon die nächste Generation befallen.
Jaja...die "Söne"
vs.
Und die bereits erwähnten "Söne" im Untertitel des kleinen Bilds...
notting
Danke, ist geändert 😊
Da werden Erinnerungen wach. 😊 😎
Damals hatte ich mit dem schon recht viel Gummiabrieb (an den Schuhen), die ersten Warnzeichen waren damals also schon ersichtlich - der deutliche Mehrverschleiss ist jetzt halt von den Schuhen zu den Reifen gewandert 😆.
So ähnlich geht es mir da auch. Da wurde aus der Wohnung mal ruck-zuck die Nordschleife gemacht. 😆
Es gibt auch Leute, die in nen Aufsitzmäher nen Kawasakimotor ballern. Warum also net sowas? 😆
Ist doch lustig.
40 kg laut o.a. Reglement darf die Kiste wiegen, krass !!!
Ob da schon welche mit abgereichertem Uran arbeiten (?)
Sehr geiler Artikel und klasse Hobby! 😆😆😎😎
Es ist schon erstaunlich. Es ist mittlerweile knapp 30 Jahre her, dass wir auf dem neu erworbenen Gehöft eines Freundes im tiefsten Sauerland ein Sommerfest gefeiert haben und nachts ins nächste Dorf gezogen sind um dort in bierseliger Laune mit den Bobby Cars der Kinder die Dorfstraße runter zu brettern.
Und weil es damals unheimlich in war, jeder noch so bekloppten Trendsportart einen denglischen Namen zu verpassen haben wir das
Extreme downhill Bobbycaring
genannt.
Wir haben uns in der Nacht prächtig amüsiert und uns so manchen blauen Flecken geholt und mit dem dicken Schädel am nächsten Morgen war die Sache dann vergessen.
Ich hab dann, als dann die ersten tatsächlichen Rennen auftauchten, an denen alte Männer teilnahmen, nur noch mit dem Kopf geschüttelt.
Ok, ich gebe zu, die 25 Stunden von Lille für Velosolex sind auch nicht das, worüber man 35 Jahre später stolz erzählt, aber da war ich gute 17 und das zählt als Jugendsünde.