Im Wenckstern Mini-Hot-Rod durch Berlin

Mit der Seifenkiste um die Siegessäule

Philipp

verfasst am Thu Oct 31 11:08:02 CET 2013

Wenn 14 PS reichen, um an der Ampel der Schnellste zu sein, dann sitzt man garantiert in einem Mini-Hot-Rod der Manufaktur Wenckstern. Wir flitzten damit durch Berlin.

Die ersten Meter im Wenckstern. Schon nach wenigen Proberunden packt mich der Fahrspaß
Quelle: MOTOR-TALK

Berlin – Sie verstecken sich in einem Bretter-Verschlag in Berlin-Friedrichshain, sind ungefähr so groß wie vier aneinander geschraubte Bierkästen und in etwa so bequem. Federn brauchen sie nicht, als Dämpfer dient der Fahrerpopo. Dafür streicheln sie die Seele, so viel Zuspruch bekommt man in den Mini-Hot-Rods bei einer Fahrt durch Berlin.

Hier, in der Revaler Straße, kann man diese Mini-Hot-Rod-Tour buchen. Die Rede ist von Mini-Hot-Rods, einer Art Go-Kart mit Straßenzulassung und 14 PS. Mit ihnen düst man lässiger denn je durch Berlin. Vorbei an Bundestag, Siegessäule und dem Brandenburger Tor. In den Kisten sieht man eine Menge. Vor allem wird man aber gesehen, und bejubelt.

Rock 'n' Roll in Reih' und Glied. Vier Teilnehmer und ein Guide fahren mit
Quelle: MOTOR-TALK

Komm schon, Matze, lass uns fahren

Dafür sorgt zum Beispiel Matze, einer der Tourguides. Er wird unsere 4-köpfige Gruppe an diesem Tag leiten und beginnt mit einem Vortrag zur Sicherheit.

Matzes Berliner Dialekt ist ungefähr so breit, wie er selbst. Der stämmige Typ erklärt uns den nur 81 Zentimeter hohen und zwei Meter langen Mini-Rod und wie wir damit umgehen sollen. Janz wichtich: keiner fährt im Zick-Zack, auf Radwegen oder überholt. Gefahren wird hintereinander und leicht versetzt. Das schafft Sicherheitsabstand und hält die Gruppe kompakt. Die Jungs legen großen Wert auf ein unfallfreies Image.

Seit Mai werden die Touren in Berlin angeboten. 2.000 Leute wurden seit dem schon durch die Stadt geschleust. Unfälle gab es bisher keine. Damit das so bleibt, werden die als Quads zugelassenen Gefährte nicht an Einzelpersonen verliehen. Außerdem sind sie auf 60 km/h begrenzt. Normalerweise schafft so ein Wenckstern 88 km/h und darf sogar auf die Autobahn.

Busse werden bedrohlich groß. Dem Spaß entkommt man trotzdem nicht
Quelle: MOTOR-TALK
Ausführlich geht Matze die wenigen Funktionen des Wenckstern durch, er raucht dabei eine Selbstgedrehte: Starten, Gas, Bremse, Blinker, Vorwärts- und Rückwärtsgang (den man nicht braucht). Eine halbe Stunde dauert die Einführung – so lange wie bei einem Ferrari. Dann heißt es Helme auf und rein in die rasende Badewanne. Zu ein paar Proberunden über den Hof.

Mit 13,6 PS der Schnellste an der Ampel

Nach wenigen Sekunden packt mich der Fahrspaß. Ich will beschleunigen, heizen, um Kurven jagen. Die Lenkung ist die gleiche wie im Go-Kart – direkter geht es nicht. Der Honda-Motor wird ebenfalls in Karts verwendet. Die 13,6 PS des Einzylinders genügen völlig für das 100 Kilogramm leichte Gefährt. Mit eingeschlagenem Lenkrad, etwas Schmutz unter den Hinterrädern und einem ordentlichen Gasstoß lasse ich das Heck ausbrechen. Matze guckt böse.

Dann stürzt sich unsere Gruppe in den Stadtverkehr. Schnell wird klar, warum das geordnete Fahren in der Gruppe überlebenswichtig ist. Auf Augenhöhe mit Pkw-Achsen werden Mittelklassekarossen zu Lkw. An der Ampel lassen wir sie zum Glück stets hinter uns.

Hat man einen Lkw neben sich und sitzt im Mini-Rod, bleibt ein mulmiges Gefühl. Hat der Fahrer mich wirklich gesehen? In der Gruppe verfliegen die Zweifel schnell.

Die Tour im Mini-Rod durch Berlin kostet 77 Euro, 150 Euro müssen als Kaution hinterlegt werden
Quelle: MOTOR-TALK

Vorsicht: Routine

Berlin sehen und dabei gesehen werden, darum geht es. Menschen jeden Alters recken die Hände in die Luft, rufen uns zu und lachen, wenn wir auf Kniehöhe an ihnen vorbeibrausen. Beim einzigen Zwischen-Stopp am Bundestag wollen sich Kinder in die Hot-Rods setzen, Papa soll Fotos schießen. Wer diese Tour mitmacht, sieht mehr iPhones als die Qualitätsprüfer von Apple.

Mit der Aufmerksamkeit kommt die Routine. Schnell wandert der Ellenbogen lässig auf die Kante der GFK-Karosse. Matze guckt dann ganz genau hin, weil auf jeden Fall beide Hände am Lenkrad bleiben sollen. Die Lenkung ist für Laien einfach zu direkt. Hohe Geschwindigkeiten und ein paar Unebenheiten führen schnell zum unfreiwilligen Spurwechsel.

Bei aller Lässigkeit muss man die Beinarbeit beachten. Bei dem mit einer Fliehkraftkupplung ausgestattetem Wenckstern wird die Bremse stets mit dem linken Fuß betätigt. Am Anfang ist das kein Problem, doch dann kommt die Autofahrer-Routine. Wer in diesem Gefährt auf eine Kreuzung zurollt und dann Bremse (gefühlt Kupplung, weil links) und Gas (gefühlt Bremse, weil rechts) gleichzeitig tritt, ist schnell wieder bei der Sache.

Sie darf natürlich nicht fehlen. Im Mini-Hot-Rod geht es um die Siegessäule
Quelle: MOTOR-TALK

Tour-Ende in Friedrichshain

Nach anderthalb Stunden, 30 Kilometern und gefühlten 2.000 Fotos rollt unsere Gruppe zurück nach Berlin Friedrichshain. Spätestens jetzt schmerzt auch dem härtesten Kerl die Federung – auch Hintern genannt.

Für Menschen, die Angst um ihre Bandscheibe haben, ist die Tour leider nichts. Direkt auf dem wenig gepolsterten Bodenblech sitzend, klappern die Zähne, als säße man in einem fahrenden Eisschrank.

Wer glaubt, er buche tatsächlich eine rasante Go-Kart-Fahrt durch Berlin, für den ist die Tour nicht zu empfehlen. Der Ablauf ist geordnet, die Geschwindigkeit steigt nie über 55 km/h. Wer mit dem Wenckstern ohne Guide heizen will, muss sich seinen eigenen kaufen. Das Ding kostet mindestens 12.000 Euro. Die Tour durch Berlin lediglich 77 Euro.

Technische Daten – Wenckstern Mini Hot Rod

  • Motor: Einzylinder-Viertaktmotor
  • Chassis: Rohrrahmen mit GFK-Karosserie
  • Hubraum: 170 ccm
  • Leistung: 13,6 PS
  • Getriebe: Automatik, Fliehkraftkupplung
  • Höchstgeschwindigkeit: 88 km/h
  • Gewicht: rund 100 Kg
  • Verbrauch: ca. 2 Liter auf 100 km
  • Länge x Breite x Höhe in Meter: 2,01 x 1,12 x 0,81
  • Preis: ab 12.000 Euro
Arbeitsplatz für gut 1,5 Stunden. Die direkte Lenkung baut Muskel auf
Quelle: MOTOR-TALK
Zwei Starrachsen und etwas schwarzes Gold. Hier federn nur die Reifen
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Die Mini-hot-Rods sind in der Revaler Straße in Berlin Friedrichshain stationiert
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Tourguide Matze führt nicht nur durch Berlin, er schraubt auch und betankt unsere Hot Rods
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Das Bedienelement für Licht und Blinker stammt von einem Motorrad. Während der Fahrt ist die Bedienung gewöhnungsbedürftig
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Rock 'n' Roll in Reih' und Glied. Vier Teilnehmer und ein Guide fahren mit
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Alles klar? Gleich startet die Tour
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Die Gruppe soll kompakt bleiben. An der Ampel parkt man Rad an Rad
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Busse werden bedrohlich groß. Dem Spaß entkommt man trotzdem nicht
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Lässig. Tourguide Matze darf auch mit einer Hand am Lenkrad fahren
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Die Tour im Mini-Rod durch Berlin kostet 77 Euro, 150 Euro müssen als Kaution hinterlegt werden
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Nach einer halben Stunde legt die Gruppe einen kurzen Stopp am Reichstag ein.
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Heimwärts passieren wir im Wenckstern Hot Rod das Brandenburger Tor
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Sie darf natürlich nicht fehlen. Im Mini-Hot-Rod geht es um die Siegessäule
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Der Fahrspaß ist riesig, auch bei "nur" maximal 60 km/h
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