Historischer Autovergleich von Stiftung Warentest
Mit Loch im Tank und ohne Aschenbecher
Zeit für Nostalgie: Vor fast 40 Jahren hat die Stiftung Warentest sechs Kleinwagen getestet. Die Klassiker von heute gab es damals für weniger als 6.000 Mark – Inkontinenz inklusive.
Berlin – Früher, ja früher. Da waren Autos noch billig. Für 6.000 Mark gab es Kleinwagen mit Stil, Platz und Charakter. Heute können wir von diesen Preisen nur träumen – die direkten Nachfolger kosten mittlerweile ein Vielfaches.
Vor knapp 40 Jahren hat die Stiftung Warentest sechs Winzlinge verglichen. Schon seit zehn Jahren testen die Experten keine Autos mehr. Jetzt haben sie aber den historischen Vergleich erneut veröffentlicht. Und wer ihn liest, der staunt. Über die Unterschiede, die Ähnlichkeiten und vor allem über die Kriterien, die Journalisten damals festgelegt haben.
Kleinwagentest von 1974: Die Stiftung Warentest erinnert sich
„Autofahren wird teurer. Steigende Benzinpreise, höhere Versicherungsprämien und wachsende Reparaturkosten können manchem Käufer den Spaß am fahrbaren Untersatz vergällen.“ So lesen sich die ersten Zeilen des Autotests aus dem April 1974 – im gleichen Wortlaut könnte auch ein heutiger Prüfbericht beginnen. Nur, dass die Modelle von vor 40 Jahren allesamt zwischen 28 und 45 PS hatten und die Fahrleistung nicht mit der heutigen vergleichbar war. Statt eines Sprints von 0 auf 100 km/h wie heute, beschleunigte man mehr oder weniger vehement aus dem Stand auf 80 km/h – und das dauerte bei den schnellsten Wagen schon 14 Sekunden.
Noch vor dem Start aber bemängelten die Prüfer Auslieferungsfehler direkt ab Werk: So kam der Citroen 2 CV mit undichtem Tank, beim Datsun Cherry war ein Scheinwerfer falsch eingestellt, der Fiat 127 wurde mit einer fehlerhaften Zündkerze geliefert und der Mini 850 hatte lose Bolzen am Radbremszylinder. Heute darf sich das kein Hersteller leisten. Die Tester fuhren die Kleinwagen 12.000 Kilometer quer durch Europa. Mit einem Benzinverbrauch zwischen sieben und neun Litern und wenig Platz im Innenraum.
Ente gegen Mini, Renault gegen Fiat
Fans wird es ein bisschen schmerzen, aber besonders viele Minuspunkte sammelte die Ente: Am Citroen 2CV 6 bemängelten die Prüfer die schwache Motorleistung, die Bremsen und den Komfort. Der "Döschewo" hatte kein Gebläse und keinen Aschenbecher – vor 40 Jahren gab das einen Punktabzug. Darüber hinaus habe der Wagen zu wenige Sicherheitsvorkehrungen und die Umweltbelastung sei zu stark. Das konnten selbst der gute Kofferraum und der günstige Preis (4.818 Mark) nicht ausgleichen.
Am Testsieger Renault 4 (5.495 Mark) kritisierten die Autoren nur die schlechten Sichtverhältnisse, lobten dafür aber den sehr geringen Benzinverbrauch, den großen Kofferraum und die gute Korrosionsbeständigkeit. Beim Mini (5.450 Mark) liebten die Prüfer, was Mini-Fans heute noch lieben: eine ausgezeichnete Straßenlage. Den Fiat 127, mit 5.990 Mark der teuerste Wagen im Test, hoben die Experten wegen seiner getrennten Bremskreise hervor. Er war allerdings nach dem Langstrecken-Experiment im schlechtesten Zustand: Aus Differenzial und Antriebsachse leckte Öl.
Früher: Gar nicht so viel billiger
Berechnet man die Inflation seit 1974 mit ein, entspricht ein Preis von 6.000 Mark heute knapp 8.500 Euro. Dafür gibt es einen Dacia Sandero – mit Aschenbecher, großem Kofferraum und ESP. So günstig waren die Autos von damals also doch nicht.
Quelle: SP-X / MOTOR-TALK
Ich hätte den Datsun genommen. Super Wagen! 😊
Das waren noch Zeiten...
Habe sie zwar aktiv nicht miterleben dürfen, aber alleine schon die Eigenarten der Autos:
Wirklich faszinierend - und die Karren hatten allesamt vielmehr Charakter als die Kisten heutzutage.
1974 war ich noch nicht auf der Welt. Ich weiß nicht einmal, ob meine Eltern sich da schon kannten.
Einen 2CV hatte ich allerdings auch mal. Das Auto hat auf seine Art tierisch Spaß gemacht.
Danke. Das dürfte den "früher war alles besser und billiger und die Autos haben weniger verbraucht"-Anhängern ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen.
Vielleicht. Es ist aber schon erstaunlich ohne was man heutzutage scheinbar garnicht mehr auskommt. Ich mag puristische Autos, und brauche eigentlich auch kaum mehr. Wenn man diese ganzen Features in den Autos heutzutage nicht mehr einbauen würde und sich dadurch das Fahrzeuggewicht insgesamt senkt, könnte man wesentl. entspannter Sprit sparen - und das würde auch Sinn machen. Will aber keiner mehr.
1974 war ja auch nicht unbedingt ein tolles Autojahr. Stichwort Ölkrise.
Mit der Aussage macht man es sich aber ziemlich einfach. Da kann ich ja genauso sagen, die Autos von heute sind ja fast geschenkt im Vergleich zu denen in 20 Jahren.
Gab es damals schon flächendeckenden Einsatz von Werksverträgen, Leiharbeit und Null Runden bei Lohnverhandlungen? Gab es schon den Modularen Querbaukasten, großzügiges Badge-Engineering über 5 Marken, frei und schnell programmierbare Industrieroboter und automatische Gabelstapler, pick by voice und pick by light?
Nur weil die Leute damals kein Iphone hatten, ging es ihnen nicht schlechter 🙄
Und ein Auto von damals mag kleiner und leichter und 1 Liter mehr verbraucht haben als heute, hat über seine Lebensdauer trotzdem höchstens 30% der Ressourcen heutiger Kisten benötigt.
Dann interessiert dieser beitrag dich bestimmt auch. vor allem den letzten satz sollten audi-fahrer genau lesen...
AUTOMOBILE / NSU-WANKEL
Fremder Klang
"Die Auto-Tester", sagte NSU-Pressechef Arthur Westrup letzte Woche, "sind heutzutage todesmutige Menschen." Westrup gewann diese Erkenntnis, als die NSU-Motorenwerke die ersten Exemplare ihrer neuen Limousine mit Rotationskolbenmotor, genannt Ro 80, Auto-Testern zu Probefahrten überließen.
NSU hatte 18 Wagen vom Ro 80 gebaut. Tester Paul Güth vom Saarländischen Rundfunk fuhr in einer Kurve geradeaus weiter, da waren es nur noch 17.
"Er hatte viel zu hohe Fahrt", erläuterte Westrup. "Bei diesem Automobil muß man sich noch mehr als sonst auf die Instrumente verlassen, denn da ist kein Röhren und kein Brausen wie beim Hubkolbenmotor -- es summt nur." Der Fahrer müsse sich an die "veränderte Akustik" bei schneller Fahrt erst gewöhnen.
Andere Tester fanden, daß sich der Fahrer eines Ro 80 auch an manches mehr gewöhnen muß. Unbestritten ist die erste in Serie gebaute Limousine der Welt mit Rotationskolbenmotor das interessanteste neue Auto der letzten zwölf Jahre. Techniker, nicht Stylisten entwickelten seine windschlüpfige Zweckform. Sein Fahrverhalten und sein Fahrkomfort sind Sonderklasse. Der flachschnauzige Wagen mit Frontantrieb ist ein idealer schneller Reisewagen (115 PS; 180 Stundenkilometer).
Für den Nahverkehr scheint er weniger gut geeignet. Der Stuttgarter Auto-Schriftsteller Dieter Korp empfand: "Motor und Dreigang-Getriebeautomatik harmonieren schlecht." Erst von 3000 bis 4000 Umdrehungen an werde der Motor munter. "Ehe die Zugkraft voll einsetzt", so Korp, "fahren Jedermann-Autos einem bei bestimmten Fahrsituationen glatt davon." Wer rapide beschleunigen will, muß offenbar rastlos schalten wie bei einem Sportwagen. Das sachgemäße Schalten wiederum wird erschwert, weil die Automatik, deren Schalthebel auf Berührung hin auskuppelt, schwierig einzustellen ist.
Felix Wankel, Erfinder des kreisenden Kraftspenders für den Ro 80 (SPIEGEL 39/1966, 15/1967), hat laut NSU-Chef Gerd Stieler von Heydekampf "mit der Entwicklung des Autos nicht das geringste zu tun" und war auch nicht zur Fahr-Premiere gekommen. Porsche-Chef Ferry Porsche, dem NSU den Neuling als einem der 16 Wankelmotor-Lizenznehmer vorführte, faßte seinen Eindruck vom Ro 80 in einem Ratschlag zusammen: "Machen S' den Wagen nur nicht zu billig." Das hatte NSU ohnehin nicht vor. Der Ro 80 soll 14 150 Mark kosten.
DER SPIEGEL 36/1967
Die Verbräuche der Autos waren nach DIN ermittelt und von daher, im Alltag locker zu unterbieten, was mit den heutigen Windeiern, mit EU - Norm versehen, unmöglich ist.
In einem R4, einer Ente oder einem Fiat 127 konnte man problemlos 2 Fass Bier und 4 Personen unterbringen, aus den meisten heutigen Fahrzeugen muss einer der Mitfahrer aufs Taxi umsteigen, wenn man das 2. Fass verstaut hat..
Das Gebläse der Ente lief über den Lüfter, allerdings nicht auf die Scheiben, sondern in den Fußraum.
Um die Scheiben frei zu bekommen, hatte die Ente eine LuftKlappe unterhalb der Frontscheibe, die sich bei jedem Wetter bestens bewährt hat..
Man musste mit den Klappscheiben aufpassen, wenn man den Arm auf dem Fensterrahmen abgelegt hat.
Aus dem R4 hat man eine deutliche bessere Rundumsicht, als aus manchem Keil der Neuzeit, hinter und neben dem sich Kinder bis zu 1,15m Größe ungesehen verstecken können. Für "inflatonsbereinigt" 8500 Euro, gab es schon richtige Autos, heute gibt es nur noch einen Hersteller der zum Preis von unter 9000Euro keine Kasper- oder Spielbuden auf die Räder stellt.
Der DAF hatte aber einen anderen Voteil: Dank Variomatik fuhr der rueckswaerts genauso schnell wie vorwaerts... 😆
Jaja, früher war alles besser, sogar die Zukunft.
Nein. Dieser Test ist aus den 70ern, die besten Autos kommen aber aus den 80ern.
Aber immerhin sehen alle dieser Wagen schöner aus als das was man heute im Laden bekommt.
Und das mit der Inflation ist eh nur schöngerechnet. Würde man real umrechnen würde man auch heute keine 8000€ bezahlen, sondern höchstens 4000€. Man muss immer alles in relation zur Kaufkraft sehen, und die war damals um einiges höher.
Und die Mängel hat man damals noch mit Humor genommen, heute zockt der Kunde ja schon wegen den kleinsten Kleinigkeiten rum, perfektion wird einfach erwartet, auch wenn sie nur optischer und obereflächlicher Natur ist. heute gibts überall perfekten Lack, jedes Auto gleicht dem anderen auf den 10tel mm genau, Roboterfertigung sei dank. Aber wie gesagt, alles nur optische spielerei. Wahre qualität zeigt sich nicht durch viel Bling Bling und Klavierlackoptik.
Dann gründe eine politische Partei oder eine Bürgerinitiative, die sich zum Ziel setzt, sämtliche Sicherheitsstandards (NCAP & Co) und die Abgasnormen abzuschaffen, so wie eine Richtlinie für puristische Autos zu schaffen: Alles was nicht unmittelbar zum Fahren nötig ist fliegt raus.
Dank Roboterfertigung wären dann Vehikel mit dem Gebrauchswert einer Ente möglich für 2000€ Listenpreis, bei 0,5L weniger Verbrauch als die Ente.
Ich wünsche dir viel Erfolg mit der Initiative 😆
PS: Die Initiative gab es schon, und die hieß Tata Nano. Aber die selben Leute die sich über dieses Vehikel das Maul zerreißen sind sicherlich die, die der guten alten Zeit bei jeder Gelegenheit mit großen Krokodilstränen hinterherweinen)
ob man erwähnen darf, dass ein golf gti heute 4 mal so teuer ist als damals??
Diese Tests waren auch gar nicht so schlecht. Aber als Kind (ca 1970 bis 1975) hab ich Samstags morgens immer die Autotests von Paul Güth (Gott aller Autotester) im saarländischen Rundfunk gehört. Das war nur genial und der gute Paul hat die Leute so richtig zum Mitfiebern gebracht, wenn es um Strassenlagetest oder Bremstest aus 100(!) Km/h ging.
MfG