Serie "Deutsche Rennstrecken": Bilster Berg
Mitten im Märchenland und schlimmer als die Hölle
Deutsche Rennstrecken sind asphaltierte Geschichte – von Tragödien und Triumphen, echtem Leben und Tod. Wir stellen Euch fünf Strecken vor. Heute: Bilster Berg.
Von MOTOR-TALK-Reporter Ralf Schütze
Bad Driburg – Manchmal werden Märchen wahr. Wie am 1. Juni 2013 im Teutoburger Wald, auf dem Gelände des ehemaligen Munitionsdepots "1st British Corps Ammunition Depot Pombsen". In der Nähe der Deutschen Märchenstraße entstand hier innerhalb von 20 Monaten die Rundstrecke Bilster Berg - eine einzigartige Abfolge von Kurven und Kuppen, steilen Auf- und halsbrecherischen Abfahrten.
170 Gesellschafter investierten 34 Millionen Euro - öffentliche Gelder sind nicht in dieses Projekt geflossen. Hinter dem Bilster Berg stecken Meister ihres Fachs wie Walter Röhrl und Hermann Tilke sowie ein leibhaftiger Adliger, so, wie es sich für Märchen gehört.
Die Fakten:
- 4,2 Kilometer ist die Rundstrecke Bilster Berg lang
- Gebaut in 20 Monaten
- Eröffnet: 1. Juni 2013
- Mehr Höhenunterschied pro Kilometer als auf der Nordschleife
„Der Graf, na klar.“ Anerkennend nickt der Ladenbesitzer. Wer nach einem Rundkurs auf dem Bilster Berg einen der umliegenden Bauernläden besucht und nach westfälischen Wurstspezialitäten stöbert, kommt schnell ins Gespräch. „Den Grafen“ kennt hier jeder. Der Adlige heißt mit vollem Namen Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff. Er ist der Initiator des Bilster Berg Drive Resorts, das am 1. Juni 2013 eröffnete und seither ein Gewinn für die gesamte Region ist.
Mehr Höhenunterschied pro Kilometer als bei der Nordschleife
Für sein ungewöhnliches Projekt suchte sich der Graf die besten Partner: Bernie Ecclestones liebster Streckendesigner Hermann Tilke und Rennfahrerlegende Walter Röhrl. Sie sollten eine so spannende Linienführung schaffen, dass sie selbst Profis in Euphorie versetzt.
Das Ergebnis: 44 Kuppen und Wannen, 9 Rechts- und 10 Linkskurven mit bis zu 6 Prozent Überhöhung. Das sind mehr Höhenunterschied pro Kilometer als auf der Nordschleife. Wenn sie die "Grüne Hölle" ist, was ist dann der Bilster Berg? Der „Grüne Tartaros“, noch tiefer gelegen als die mythologische Unterwelt Hades?
Die Mausefalle hat es in sich
Ganz so furchterregend ist das 4,2 Kilometer lange Strecken-Layout nicht, aber Lenkrad-Magier Walter Röhrl warnt: „Am Bilster Berg trennt sich die Spreu vom Weizen, denn hier siehst du genau, wer Autofahren kann.“ Höhepunkt für Röhrl selbst und die meisten Kenner des Kurses ist die „Mausefalle“: 26 Prozent bergab, gleich danach 20 Prozent bergauf, gefolgt von einer nicht einsehbaren Kuppe – Wahnsinn!
Zwischen Gefälle und Steigung liegt eine Mischung aus schneller Linkskurve und fieser Kompression – Höchststrafe für das wimmernde rechte Vorderrad. Walter Röhrl war von Beginn an überzeugt: „In der ganzen Welt spricht man von Kurven wie Corkskrew in Laguna Seca oder Eau Rouge in Spa-Francorchamps. Ich bin mir sicher, dass man auch bald von der Mausefalle am Bilster Berg sprechen wird.“
50.000 Reifen begrenzen die Strecke
Damit niemand eine ökologische Katastrophe zusammendichtet, ließ der Graf parallel zum Streckenbau 400 große und 20.000 kleine Bäume und Sträucher pflanzen. Für die Sicherheit sorgen 26 Streckenposten, ebenso viele HD-Kameras, 25 Kilometer Leitplanken und 50.000 Reifen. Obwohl der Bilster Berg offiziell keine Renn-, sondern eine „Test- und Präsentationsstrecke“ ist, gelten hier die Sicherheitsvorschriften der FIA. Neben der asphaltierten Rundstrecke gehört unter anderem ein über zwei Kilometer langer Offroad-Parcours zum Drive Resort.
Auf den extrem fordernden Charakter legt Walter Röhrl größten Wert: „Der Bilster Berg ist nicht so langweilig wie die Nudeltöpfe, denen die meisten modernen Strecken ähneln, sondern fordert dich ununterbrochen.“ Stimmt. Schneller hantiert man nirgendwo schweißgebadet hinter dem Lenkrad.
Ständiges Auf und Ab
Experten schätzen, dass man sich auf den 19 Kurven zehnmal langsamer ans Limit herantastet, als auf konventionellen Strecken. Besonders zu schaffen machen die starken vertikalen Kräfte beim ständigen Auf und Ab, die das Fahrzeug extrem be- und entlasten. Dadurch ist die jeweils maximale Querbeschleunigung noch unberechenbarer. Brems- und Scheitelpunkte sind ein größeres Rätsel als anderswo.
Davon kann auch Ex-Rennfahrer Prinz Leopold „Poldi“ von Bayern ein Lied singen, der den Grafen neben Röhrl in der Entstehung der Strecke beraten hat: „Der Bilster Berg ist ein absolut faszinierender Kurs und sehr schwierig zu fahren. Es ist äußerst bewundernswert, was Marcus (der Graf, Anm. der Red.) hier geschaffen hat. Wenn er was macht, dann richtig.“
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist: Das Kurven- und Kuppen-Labyrinth Bilster Berg kann man unter anderem in geführten Fahrten von 4 mal 20 Minuten unter die Räder nehmen – gut möglich, dass sich dabei die Strecke wie die wahre Deutsche Märchenstraße anfühlt.
Bilster Berg Drive Resort: Infos zu Strecke, Historie, Fahrtrainings: www.bilster-berg.de.
Eine schöne Reihe Berichte über deutsche Rennstrecken habt ihr da am Start. Bin mal gespannt wie es weitergeht und ob der Deutschlandring auch dabei ist 😉
Ein Nazi-Propaganda-Projekt von KZ-Häftlingen erbaut, das glaubst du aber nicht ernsthaft? 😆
Bei einem Motorradausflug nach Sachsen gehörte der größtenteils noch heute erhaltene Streckenverlauf zu meinem Pflichtprogramm.
Wie ich vor Ort erfahren habe, soll der Ring ja bis heute für illegale Straßenrennen "missbraucht" werden 😆
Mit diesem Bilster Berg wird die hier vorgestellte Serie jedenfalls ein wenig eigenartig. Immerhin heißt es:
asphaltierte Geschichte, Leben und Tod, blabla und dann kommt eine Strecke von 2013 auf der motorsportgeschichtlich noch nichts passiert ist, vielleicht nie was passieren wird?
Ich gehe mal davon aus, dass zumindest die AVUS noch Erwähnung finden wird, immerhin die erste deutsche Rennstrecke und der Prototyp der deutschen Autobahn, das ist für mich echte asphaltierte Geschichte!
Wie wärs noch mit dem Sachsenring?
Geb dir da recht passt jetzt nicht so in die Reihe.
Da gibt es ganz andere Orte die es wohl eher verdient hätten:
-Schottenring
-Schleizer Dreieck (älteste Naturrennstrecke Deutschlands)
-alter Sachsenring
-Norisring
-Halle-Saale-Schleife
-Frohburger Dreieck
-Hockenheim
-AVUS
Ich finde den Bilster Berg schon erwähnenswert, weils eine Top Strecke mit fordendem Layout ist. Und ich finde, gerade weil sie erst 2013 gebaut wurde, kann man den Bilster Berg hervorheben. Wo wird denn heute noch so ein aufregender Kurs neu gebaut?
Andere machen eher zu.
Historie hat er natürlich noch keine.
Grenzlandring
Bilster Berg ist schon eine tolle Strecke.
80-100 Runden bin ich dort bisher gefahren. Es macht großen Spaß und ist wirklich abwechslungsreich für so eine kleine Strecke.
Eine echte Rennstrecke ist es jedoch nicht...es ist ja eher eine Teststrecke. Als Sportfahrer-wie ich es bin-kann man an Trackdays, die sich dort meist OpedHouseDay schimpfen, teilnehmen. Leider sind die Preise hierfür in 2014 derbe derbe angezogen, sodass ich diesen Sommer leider nicht mehr dort war.
Deutlich höhere Preise als auf der Nordschleife akzeptiere ich nicht...da fahre ich lieber Nordschleife, die letzten Endes doch die schönere Strecke ist.
Warum in dem ansonsten interessanten Bericht der Seitenhieb "Damit niemand eine ökologische Katastrophe zusammendichtet" sein muss, würde ich gerne mal wissen. Ist das zielgruppengerechte Schreibe? Ich hoffe nicht.
Sobald ich ein passendes Gefährt besitze, teste ich mal die Piste. Die sieht richtig Interessant aus und der Walter hatte seine Finger im Spiel. Das kann nur gutes heissen😆. Geniale Idee von Motortalk, über diese Rennstrecken zu berichten. Ich hätte gerne ein paar Details mehr erfahren.
PS an die Redaktion:
Ihr könnt ja jede Woche eine Rennstrecke vorstellen. Zuerst nur Deutsche und anschliessend vom nahen Ausland. Würde mir gefallen😆
Das ist nur prävention. Der erste Artikel zum Bilster Berg (schon länger her) artete in einer Grundsatzdiskussion zwischen Ökos und Motorsport-Enthusiasten aus.
Man muss allerdings auch sagen, dass besagter Artikel in der Hinsicht etwas reißerisch dargestellt wurde.
Weshalb sich damals so aufgeregt wurde, weiß ich noch immer nicht genau. Bei der Location handelte es sich um ein ehemaliges Munitionsdepot der allierten Besatzungsmächte.
Die paar Autos, die da im Kreis fahren machen den Braten auch nicht mehr Fett. 😉
Wenn einem die Ökologie so wichtig ist, der müsste auch alles andere was zur Unterhaltung dient konsequenterweise abschaffen wollen.
Beispielsweise Fußball: Wenn ich sehe wie viele Fans mit dem Auto anreisen, was für ein logistischer Aufwand betrieben wird um diese zu versorgen, was sich Flutlichtscheinwerfer so vom Stromnetz ziehen, etc.
Aber das ist auch nicht das Thema.
Der Bilster Berg ist in der Tat eine sehr schöne Strecke. Keine offizielle Rennstrecke, wie Wollschaaf richtig bemerkt hat.
Es macht durchaus Spaß, und ist jedes Mal ein Erlebnis. Die Preise sind allerdings sehr hoch, das stimmt schon. Trotzdem ist es mir das einmal im Jahr wert dorthin zu fahren. Es gibt auch gute Angebote von Racetrack4you - sorry, will keine Werbung machen. Falls es nicht erwünscht ist, bitte von Seiten der Mods editieren.
Infos zu Trackdays findet man hier : www.bilster-berg-info.de