Motorkultur

Nach dem Taunus ist vor dem Taunus : 1400 Kilometer für Auto Nummer 37

verfasst am Wed Oct 29 17:52:14 CET 2008

Es waren die Scheibenwischer, die immer viel zu langsam liefen, egal auf welcher Stufe sie eingeschaltet waren; es waren die Blinker, die man im Schaufenster kaum sehen konnte und es war das Gebläse, das viel lärmte, nichts freigepustet bekam und das Licht schwächte, bis es dunkler war als eine Fahrradlampe. Es war die maue Ersatzteillage für den Taunus P5, und es war der V4, der eben...einfach nur ein V4 war - nach über 2 Jahren und fast 40.000 gemeinsamen Kilometern war es einfach mal wieder Zeit für einen Fahrzeugwechsel. Schluss mit 6 Volt, durchgehender Sitzbank und Lenkradschaltung - das nächste Auto sollte mal wieder ein richtig unbraves Testosterontauto werden, ungeachtet von Marke, Leistung oder Baujahr - doch es kam mal wieder ganz anders...

Ein Granada I steht seit Jahren ganz oben auf meiner Wunschliste, doch nach langer Suche kristallisierte sich heraus, dass die Dickschiffe aus Köln entweder bezahlbar und weitestgehend aus Plaste nachmodelliert sind oder in gutem Zustand bereits zu Kursen gehandelt werden, für die ich mir dann lieber einen Mustang kaufen würde. So waren es schliesslich doch amerikanisches Altblech, das ich in die engere Wahl einbezog: ein 79er Mustang Hatchback, ein 81er Chevy Malibu Classic und ein 87er TransAm GTA Targa, in schwarz und mit dem seltenen Digital-Cockpit. Doch die Wahl wurde mir nicht allzu schwer gemacht - mein Favorit, der silberne Mustang mit der schwarzen Lederausstattung, wurde mir vor der Nase weggeschnappt. Und beim GTA wäre meine heimliche Liebe zu K.I.T.T. einfach zu offensichtlich gewesen - zudem mache ich als Hasselhoff-Nachfolger keine besonders gute Figur. Mal abgesehen davon, dass ich ohnehin zu dick wäre und schicke Lederjacken in meiner Grösse kaum angeboten werden, kann ich Armbanduhren nicht leiden; ausserdem kann ich Burger auch vom Tisch essen und stubenrein war ich leider schon mit 2 Jahren. So fiel der fränkische K.I.T.T. mit seinem verblötschtem Kotflügel und den unsäglich hässlichen Borbetfelgen aus der Wertung - übrig blieb noch der Malibu. Blaumetallic, V8 und viel Plüsch - aber leider auch vier Türen und ein Design, dass diese Bezeichnung kaum verdient.

So blieb mir nur der Hilferuf in meinem Taunus-Forum - mit Erfolg. Ein Kollege bot mir seinen Taunus II zu einem wirklich fairen Kurs an; sein Herz gehöre doch dem Granada I, und er wolle sich in Zukunft wieder mehr mit diesem beschäftigen. Als ich die Bilder seines Taunus gemailt bekam, war es um mich geschehen - und ich machte die Kaufzusage, ohne das Auto je live gesehen zu haben.

So sattelte ich meinen alten 17m, um mit ihm von Basel ins Ruhrgebiet zu fahren - satte 700 Kilometer. Der neue Besitzer, ein selbstständiger Werkstattmeister, wohnt zwar in Niederbayern, wollte den P5 aber mit dem LKW abholen lassen, und dieser wiederum kommt auf seiner Tour zwar am Ruhrgebiet vorbei, nicht aber bei Basel. So kämpfte sich die alte Badewanne zum letzten Mal mit seinem V4 bei strömendem Regen den Elzer Berg hoch; der stürmische Wind pfiff durch sämtliche Ritzen und das Regenwasser lief durch die porösen Türdichtungen, lief die Innenverkleidungen runter und sammelte sich im Fussraum. In Essen angekommen, stand erst mal die ausgiebige Trockenlegung und eine letzte Wäsche für den 17m auf dem Programm.

Am nächsten Morgen hatte die Beschaffung der Versicherungsbestätigung und der 5-Tages-Bleche oberste Priorität; ich musste ja noch den P5 an den Autotransporter übergeben und den Taunus aus Osnabrück abholen. Am Freitag wollte ich dann das H-Gutachten erstellen lassen und den Wagen zulassen, was in Essen aber nur bis mittags möglich ist - doch der LKWfahrer machte mir schliesslich einen Strich durch die Rechnung: nein, am Donnerstag schaffe er unser Treffen auf gar keinen Fall. Zumindest verlief die Abholung des „neuen" Taunus am Donnerstag nachmittag reibungslos.

Dass ich den 17m erst am nächsten Morgen auf einem Rasthof nähe Recklinghausen übergeben konnte, war nicht mehr weiter tragisch, denn aufgrund der späten Erstzulassung im März 1979  (der Taunus war ein Vorführwagen) muss die H-Prüfung auf den Januar des nächsten Jahres verschoben werden. Bis dahin läuft der jupiterrote Ghia mit dem Zwoliter-V6 auf regulärer Zulassung - in der Schweiz gibt es keine Feinstaubzonen, die dem Taunus gefährlich werden könnten. Die nächtliche Rückfahrt, die 700 km zurück gen Süden, waren im Vergleich zur Fahrt mit dem 17m gradezu ein Spaziergang - die Dunkelheit verliert gänzlich ihren Schrecken, wenn man sehen kann, wohin man fährt.

Viel Arbeit verbirgt der Zweitürer, der die 80.000 Kilometer grade erst voll gemacht hat, nicht - blechtechnisch ist der Ford, der viele Jahre unbenutzt in einer Garage stand, in hervorragendem Zustand. Motor und Viergangbox sind trocken und arbeiten einwandfrei - so werden sich die Arbeiten auf Tieferlegung, andere Felgen mit Breitreifen und viel Kosmetik beschränken; die Spritzlappen sind indes gleich am nächsten Morgen ins Nirvana des geschmacklosen Autozubehörs geschickt worden.

Selbstverständlich werde ich Euch hier über die Metamorphose von Auto Nummer 37 auf dem Laufenden halten.

 

 

Quelle: Motoraver Magazin