Le Mans in Stuttgart - 24-h-Rennen im Porsche-Museum
Nachts im (Porsche-)Museum
Zum Rennen in Le Mans öffnete Porsche sein Museum für 33 Stunden ununterbrochen. Ein MOTOR-TALKer schlug sich dort die Nacht um die Ohren.
Stuttgart - 15:00 Uhr. Das Donnern der Motoren dröhnt aus gewaltigen Lautsprechern und lässt viele Hunderte Trommelfelle beben. In der Werkstatt drängen sich Menschen dicht an dicht, um das Gehörte mit Gesehenem zu verbinden. Der Startschuss für die 24 Stunden von Le Mans hallt leise nach. Zum ersten Mal erfasst mich der Zauber dieses gewaltigen Rennens. Und das mitten im Porsche-Museum.
In diesem Jahr ringen Audi, Toyota und Porsche zäh und verbissen um den Sieg in der Königsklasse LMP1. Das ungleiche Trio tritt mit unterschiedlichen Antriebskonzepten an. Porsche mit einem 2,0-Liter-Turbobenziner, Audi mit einem Diesel-Aggregat und Toyota mit einem frei saugenden V8-Motor mit 3,7 Litern Hubraum. Jeder mit eigener hybriden Unterstützung.
Packender Rennstart
Das Rennen geht packend los und wird noch spannender, als plötzlich Regen für einige Unfälle sorgt. Auch Spitzenfahrzeuge von Audi und Toyota sind betroffen.
Zu diesem Zeitpunkt scheint bei Porsche die Sonne, auch in Zuffenhausen. Weil so ein Rennen in Le Mans den Besuchern Zeit lässt, drängen sie sich um alte Rennhelden. Porsche hat zum Wiedereinstieg in die Rennserie die eingemotteten Le-Mans-Renner auf Hochglanz poliert.
19:05 Uhr: Es wird gelacht und getratscht, gegessen und gewitzelt, während die Piloten in Frankreich mit weit über 300 km/h über den Asphalt donnern. Als es Abend wird, führt ein Toyota vor Porsche und Audi. Aber was heißt das schon.
Hier, in dieser geschichtsträchtigen Umgebung, bei so feinen und einzigartigen Blechpretiosen das legendäre Rennen zu schauen, ist wie ein extrem gutes Tofu-Schnitzel. Es schmeckt fast so gut wie das Original, auch wenn der letzte Biss fehlt. In einigen Punkten ist es sogar besser.
03:00 Uhr: Durch die Dunkelheit funkeln die Scheinwerfer der PS-Geschosse. Während auf der Leinwand das Leben und Rennen ohne Pause weitergeht, leert sich das Museum. Vereinzelt ruhen Zuschauer auf den Stühlen. Die Nacht erfasst das Gebäude und alle darin, künstliches Licht kämpft dagegen an.
Nostalgie und Ruhe im Museum
Kein Lack einer Legende reflektiert noch Blitzlicht, kein Fußgetrampel schallt durch die riesigen Hallen. Diese Stimmung aus Nostalgie und Ruhe, vergangenen Triumphen und dem Kampf um einen neuen, die wirkt anregend, aufregend. Während ich, der Reporter, mit müden Lidern dem Geschehen auf der Leinwand folge, parkt ein Porsche 936 Spyder neben mir. Mit seinem Sechszylinder-Boxer-Biturbo und drei Le-Mans-Siegen (76,77,81) im Geschichtsbuch. Unweit davon der Porsche 956 C. Der soll ab 321,4 km/h so viel Anpressdruck erzeugt haben, dass er an der Decke fahren konnte. Zumindest theoretisch.
Doch nicht nur Siegertypen werden ausgestellt, auch Kurioses. So erhielt der Porsche 917/20 1971 wegen seiner rosafarbenen Außenhaut den Spitznamen Sau. Er wurde so zu einem der meist fotografierten Le-Mans-Wagen.
Im Rennen muss der drittplatzierte Audi zweimal an die Box, und verliert seinen Platz an den Porsche. Einen Schlafstopp gibt es auch für die Zuschauer, Klappbetten stehen bereit. Aufbauen und dann stilecht in der hauseigenen Werkstatt nächtigen. Echtes Le-Mans-Feeling zwischen Hebebühne, Schraubenschlüssel und Leinwand.
04:00 Uhr: Plötzlich weckt anschwellendes Gemurmel die wenigen Eingeschlafenen. Der seit Beginn führende Toyota hat Probleme mit dem Kabelbaum. Er beendet das Rennen klanglos. Audi ist jetzt auf den Plätzen 1 und 3, dazwischen der Porsche. Das Kribbeln steigt, das Podium scheint in Reichweite, oder schafft Porsche sogar den ganz großen Coup?
Frühaufsteher mischen sich unter die Nachtschwärmer
Der Tag bricht an. In Schwaben gibt es reichlich ausgeschlafene Frühaufsteher, die das Museum besuchen. Sie mischen sich unter die müden Nachtschwärmer. Das wirkt belebend. Wir, die wir ausgeharrt haben in den Hallen, blinzeln uns verschwörerisch zu.
Der Koffeinstopp an der Kaffeebar wird plötzlich unterbrochen. Turboladerschaden beim führenden Audi. Der Defekt kann in der Box behoben werden, aber die Doppelführung ist dahin.
Deo statt Dusche. Eine kurze Katzenwäsche auf der Toilette muss reichen. Im Museum bereitet man sich auf die weiteren Besucher vor. Es herrscht Betriebsamkeit. Der Porsche auf Platz zwei steckt im Audi-Sandwich, es ist alles für ein furioses Finale angerichtet. Im Museum füllen sich die Plätze, die Leinwand fest im Visier. Die Spannung ist selbst in Stuttgart greifbar.
11:32 Uhr: Dreieinhalb Stunden vor Rennende kommt es zum Showdown. Der von Rekord-Sieger Tom Kristensen pilotierte Audi an Platz eins muss in die Box. Porsche geht in Führung. Ein Raunen erfasst die Müden und Munteren, es scheint fast ganz Zuffenhausen zu beschäftigen. Der Duft von frischen Crepes liegt in der Luft. Auf der Showbühne laufen drei Le-Mans-Renner aus den Jahren 1960, 1974 und 2011 zum Soundcheck auf. Wieder beben Trommelfelle. Ein Hauch Le Mans in Stuttgart?
Porsche geht K.O.
14:20 Uhr: Doch das Hochgefühl wird jäh zerstört. Erst verliert der Porsche 919 Hybrid beim Boxenstopp die erste Position an Audi, dann muss der Bolide final in die Box. Ein Raunen geht durch die Zuschauermenge, die Porscheflaggen die vorher noch so eifrig geschwenkt wurden, stehen für einen Moment still. 100 Minuten vor Schluss endet das Rennen für den führenden Porsche. Toyota raus, Porsche k.o. Das heißt, Audi liegt wieder in Führung.
Kurz darauf fällt der zweite Porsche aus. Diagnose: Getriebeschaden. Von jetzt an ist der Druck weg. Audi nimmt das Gas raus. Porsche schickt den 919 Hybrid 4 Minuten vor Schluss noch einmal auf die Strecke, um wenigstens mit einem Auto in der Wertung zu sein. Es reicht nur für einen Achtungserfolg, auf dem Podium steht in diesem Jahr kein Porsche-Pilot.
To finish first, you first have to finish
In Zuffenhausen wird trotzdem applaudiert, denn die beiden Renner haben sich als siegfähige Autos gezeigt. Dennoch hat sich die alte Rennfahrerweisheit, "To finish first, you first have to finish", wiedermal bewahrheitet. Im ersten Jahr der Rückkehr in die LMP1-Klasse lieferte Porsche einen großen Kampf und begeistert die insgesamt 16.000 Zuschauer, die am Rennwochenende ins Porsche-Museum strömten. Die Mitfiebernden sind sich einig - hinter vorgehaltener Hand schallen immer wieder zwei Worte durch die große Museumshalle: "Nächstes Jahr."
Sehr schön geschriebener Artikel.
Danke😊
Schön, wäre gerne dort gewesen.
"To finish first, you first have to finish"
Sehr ärgerlich, dass ich für sowas viel zu weit im Norden wohne!
Allemal kürzer als nach Le Mans. 😊
Entfernungen sind keine Ausrede. 😉 Nach Le Mans, bzw. zum Nürburgring fahren jedes Jahr tausende von Japanern, Amerikanern, etc.^^ Wir Zentraleuropäer haben es doch ganz gut. Selbst als armer Student kann man sich irgendwas organisieren. 😊
Selbstverständlich hast du Recht, hatte es allerdings 1. gar nicht auf dem Schirm und 2. musste ich arbeiten -.-
Arbeit ist doof (bin grad noch im Büro). 😊
Volle Zustimmung! 😆
Ich war am Sonntag auch vor Ort im Museum. Nett gemacht....