Motorkultur

Neues Heim für Altautos : Ein Wintermärchen

verfasst am Fri Feb 27 13:25:03 CET 2009

Der nasskalte Winter unserer Breiten hat aus automobiler Sicht nicht viel zu bieten. Kaum steigert die weiße Pracht die sportliche Attraktivität der Fahrbahnen, haut der penetrante Winterdienst seine Überdosis Steinsalz druff, und verwandelt den schönsten Trophy Andros Parcours im Handumdrehen in Altmetall fressende Ätzpampe. Die beliebten Autotreffs sind verwaist. Man sitzt allein in der Karre und schaut den Scheiben beim Beschlagen zu. Abwechslung bieten da höchstens die Entdeckung eines frisch spießenden Rostgewächses in der Türfalz oder der quälende Tod der Batterie bei einem morgendlichen Kaltstartversuch. Automobile Befriedigung  findet der geneigte Petrolhead im Winter dagegen meist nur in seinem subversiven Schrauberversteck.

Als kleiner Butscher habe ich immer die Kinder beneidet, die in einem versteckten Winkel des elterlichen Gartens ein Kinderhaus oder ein Baumhaus ihr eigen nennen konnten. So eine Butze war stets ein Ort kindlicher Selbstverwirklichung, dessen Privatsphäre von aufgeklärten, liberalen Eltern in der Regel respektiert wurde. -Zumindest solange keine dichten Rauchschwaden aus den Fenstern quollen oder anhaltende Schreie kindlicher Folterexperimente die Nachbarn auf den Plan riefen. In den Jungshäusern wurden vorzugsweise Vorderlader und Unkraut-Ex Bomben gebaut, bei den Mädchen meist das etwas langweiligere Vater-Mutter-Kind gespielt. Wenigstens wurde dazu gelegentlich Eierlikör verköstigt, der durchaus geeignet war, Spielfluss und -Intensität zu steigern. Ich hatte nie ein eigenes Kinderhaus, aber der Wunsch danach überdauerte unterschwellig die Jahrzehnte.

 Als ich meinem Kumpel Jonny kürzlich nach einem Tip fragte, da ich dringend nach einem neuen Heim für meine Karren suchte, erzählte er mir, dass er für seinen Malerbetrieb die Kokillenhalle einer stillgelegten Gießerei als Lager gepachtet habe, den Raum aber eigentlich nicht nutze. Wenn es mir gefällt, sagte er, könne ich da einziehen. Platz sei genug vorhanden, und ich könnte dort schalten und walten, wie ich wolle. Da sei früher mal ein Golftuner drin gewesen, und der habe damals begonnen, sich die Hütte herzurichten, ist aber mittlerweile mit dem Thema durch. Also setzten wir uns ins Auto und fuhren los. Wir cruisten durch ein weitläufiges, altes Industriegebiet, viele Bauten stammten noch aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, und hielten vor dem Seitentor der ehemaligen Gießerei.

Jonny öffnete das Tor, und wir fuhren aufs Gelände. Der Lagerschuppen grenzte an die Rückseite des Hinterhofs und war vor neugierigen Blicken von der Straße gut geschützt. Wettergegerbtes Holz, rostige Beschläge, dunkel zeichnete sich die Silhouette vor dem hellen Wintergrau des Himmels ab. Und noch bevor wir das knarzende Tor aufgeschoben hatten, hatte der junge Smoker sich heftig verliebt. Es war dieses tiefe, wahre Gefühl, das von der Wurzel ausgehend an den Gedärmen zerrt. Wie man sonst nur noch vom Klang potenter Motoren oder dem Druck eines mächtigen Drehmoments im Rücken her kennt. Die Luft hinter dem Tor war kalt und trocken. Nur wenig Licht fiel herein und verwischte sich unter dunklen Schatten. Unten Platz für 4 Karren und eine lange Werkbank. Zwei Drittel überspannt eine flache Zwischendecke. Eine wacklig gezimmerte Holztreppe führt hinauf auf die Galerie unter einen Baldachin aus Nato Tarnnetz. Oben eine eingestaubte Sitzecke, ein fast fertiger Tresen. Eine große Luke mit Flügeltüren öffnet den Blick auf auf den Hinterhof und die zeitzernagte Rückfront der Gießerei. Und da oben unter dem Tarnnetz wurde mir freudig klar: Der Smoker hat endlich sein eigenes Kinderhaus.

Vielleicht wecken die Bilder ein wenig Verständnis für meine emotionale Ausnahmesituation, und wenn demnächst angegrillt wird, sag ich Euch bescheid.

 

 

Quelle: Motoraver Magazin