Wohin mit dem Diesel-Milliardenbußgeld?

Niedersachsens unverhoffter VW-Geldsegen

MOTOR-TALK

verfasst am Thu Jun 14 16:02:50 CEST 2018

Neue Richter, neue Radwege oder doch Schuldenabbau? VW zahlt für eine Ordnungswidrigkeit eine Milliarde Euro. Und in Niedersachsen beginnt nun das Ringen ums Geld.

In den nächsten Wochen steht die Haushaltsberatung an. Dort soll über die Verwendung des Geldes entschieden werden
Quelle: Picture Alliance

Hannover - Die im Diesel-Skandal gegen Volkswagen verhängte Milliarden-Buße spült Niedersachsen unverhofftes Geld in die Kasse. Kurz vor der Haushaltsklausur der rot-schwarzen Koalitionsregierung am 24./25. Juni bescherte die Staatsanwaltschaft Braunschweig dem Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) eine Milliarde Euro an zusätzlichen Einnahmen. "Zur Verwendung der Mittel wird die Landesregierung im zeitlichen Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen einen Vorschlag unterbreiten", betonte die Staatskanzlei am Donnerstag in einer Erklärung.

Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers freut sich über den unverhofften Geldsegen
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Sowohl Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) als auch Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) sind Vertreter der Landesregierung im VW-Aufsichtsrat. Sie begrüßten die Anerkennung der Geldbuße durch Volkswagen und betonten, der Konzern bekenne sich damit zu seiner Verantwortung. Niedersachsen hat 20 Prozent der VW-Stimmrechtsaktien und so faktisch ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen.

Die VW-Milliarde fällt nicht in den Bereich der Steuern oder steuerähnlichen Abgaben, die für den Länderfinanzausgleich berücksichtigt werden müssen. Im laufenden Haushaltsplan 2018 hatte das Finanzministerium bisher Einnahmen in Höhe von 350 Millionen Euro durch Gerichtskosten, Geldstrafen und ähnliche Zahlungen angesetzt.

Das Ringen um das Geld beginnt

Das Bußgeld von einer Milliarde Euro wurde am Mittwoch verhängt, weil die Ankläger Aufsichtspflichtverletzungen bei VW belegt sahen. Es soll binnen sechs Wochen an die Landeshauptkasse überwiesen werden. Die konkreten Folgen für den Haushalt werden geprüft.

Grünen-Fraktionschefin Anja Piel fordert Investitionen in die Mobilitätswende
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Die Nachricht weckte am Donnerstag erste Begehrlichkeiten. Der Vorsitzende des niedersächsischen Richterbunds (NRB), Frank Bornemann, betonte: "Die Justiz finanziert damit ihren Stellenmehrbedarf faktisch selbst". Das Geld fließe dem allgemeinen Haushalt zu. Bornemann: "Es gibt daher kein Argument mehr, warum die Justiz hinsichtlich der dringend erforderlichen Stellen weiter kurz gehalten wird."

Die im Koalitionsvertrag zugesagten 250 Stellen für Staatsanwälte und Richter kosteten inklusive Nebenkosten 25 Millionen Euro jährlich. Mit der Milliarde könnten diese Stellen somit für 40 Jahre finanziert werden. "Wir werden es nicht akzeptieren, wenn dieses von der Justiz selbst erwirtschaftete Geld nun nicht auch dort eingesetzt wird", mahnte Bornemann, der von Hilbers eine klare Zusage forderte.

Grünen-Fraktionschefin Anja Piel forderte massive Investitionen in die Mobilitätswende, darunter den Ausbau des Radwegenetzes oder eines effizienten Nahverkehrssystems.

Geld für den Schuldenabbau

FDP-Chef Stefan Birkner setzt zunächst andere Prioritäten. "Den unverhofften Geldsegen muss die Landesregierung zwingend in den Schuldenabbau investieren", forderte er. "Das entlastet nicht nur nachfolgende Generationen, die eingesparten Zinsen stehen dem Landeshaushalt langfristig zur Verfügung." Damit ließe sich auch die Justiz stärken. Auch der Steuerzahlerbund fordert, dass der gesamte Betrag in den Abbau des Schuldenbergs von 61,45 Milliarden Euro geht.

Niedersachsens Haushaltüberschuss aus dem Vorjahr liegt bei 1,2 Milliarden Euro. Hilbers will 100 Millionen zur Schuldentilgung verwenden und steigt so erstmals seit 50 Jahren in den Abbau der Schulden von 61,45 Milliarden Euro ein. Für 2018 rechnete er dank der guten Konjunktur bisher mit rund 27,6 Milliarden Euro Einnahmen sowie einem Steuerplus von 258 Millionen Euro.

Tausend Millionen Euro für eine Ordnungswidrigkeit

Der Landtagsabgeordnete Stefan Wenzel sagte mit Blick auf die Dieselaffäre: "Es wäre fatal wenn der Eindruck entsteht, VW könnte sich hier freikaufen." Grünen-Fraktionschefin Anja Piel kritisierte: "Bußgeldbescheid - das klingt wie falsch geparkt, einmal zur Kasse bitte, Strafzettel bezahlt, alles erledigt."

Zwei Jahre lang wurde ermittelt. Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe gibt sich mit dem Ergebnis zufrieden
Das Bußgeld von einer Milliarde in der Dieselaffäre bewertet die Staatsanwaltschaft als schmerzhaft für Volkswagen. "Tausend Millionen Euro für eine Ordnungswidrigkeit ist schon eine Ansage und ich gehe davon aus, dass das natürlich schmerzhaft ist", sagte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe am Donnerstag.

"Wenn wir das Gefühl gehabt hätten, das führt zum allgemeinen Lacher und einer Überweisung aus der Portokasse, hätten wir einen anderen Betrag ermittelt", fügte er hinzu. Das Bußgeld wurde Mittwoch verhängt, weil die Ankläger "Aufsichtspflichtverletzungen" im Konzern belegt sehen. Der Betrag setze sich aus dem gesetzlichen Höchstbetrag von fünf Millionen Euro sowie einer Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile in Höhe von 995 Millionen Euro zusammen.

Mit dem Ergebnis nach mehr als zwei Jahren Ermittlung zeigte sich Ziehe zufrieden. Seines Wissens nach handele es sich um das höchste Bußgeld, das jemals gegen ein Unternehmen in der Geschichte der Bundesrepublik verhängt worden ist. Das Geld muss laut Staatsanwaltschaft innerhalb von sechs Wochen an das Land Niedersachsen gezahlt werden. VW hatte angekündigt, auf Rechtsmittel zu verzichten.

 

Quelle: dpa

 

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