Classic Driving News
Pappe, die Erste
Die kleine IFA P70 Limousine war ein Zeit-Genosse von Goggo und Isetta. Er hatte als Erster eine in größerer Serie hergestellte Kunststoffkarosserie. Wir sind mit dem kleinen Zwickauer mal eine Runde Probe gefahren.
Natürlich waren die Leute in der Frühzeit der DDR scharf auf bezahlbare, private Autos. Die staatlichen Stellen gaben dafür Grünes Licht, nachdem die Sowjets ihnen aufgetragen hatten, den ostdeutschen Staat zum Schaufenster für die westliche Welt zu machen.
Der IFA P70 basiert auf dem DKW F8
Untermotorisierte Rollermobile hätten nicht zu diesem hehren Anspruch gepasst. Darum sollte dem seit der Vorkriegszeit in Zwickau gebauten DKW F8 ein zeitgemäßeres Autochen für kleines Geld folgen, das ausreichend Platz für vier Personen bot - der spätere Trabant. Weil es aber an Karosserieblech mangelte und die Investitionen für die Konsumgüterproduktion heruntergefahren wurden, zerbröselte erst einmal die Idee vom DDR-Volkswagen. Den F8-Oldie in Handarbeit weiterzubauen, verbot sich jedoch. Darum fand man zu einer Interimslösung, die überraschend perfekt geriet und später zum IFA P70 werden sollte.
Die Zwickauer Techniker nutzten die DKW F8-Basis samt angeschraubten Skeletts aus Hartholz weiter, beplankten es aber mit Kunststoff statt mit kunstlederbezogenem Sperrholz. Dabei handelte es sich um Duroplast, im Volksmund "Plaste" genannt. Dieses aus mit Phenolharz getränkten Baumwollabfällen bestehende, exotische Material wurde unter hohem Druck in großflächige Schalen verwandelt und dann aufs Holzgerüst aufgenagelt. Die Ostdeutschen waren damit 1955 die Ersten, die in größerer Stückzahl Kunststoff-Karosserien produzierten.
IFA P70 mit 22 PS
Das Fahrwerk des IFA P70 mit der hinteren Schwebeachse und der Einzelradaufhängung vorn blieb fast das Gleiche wie beim F8. Die um 180 Grad gedrehte Antriebseinheit aus Zweizylinder und Dreiganggetriebe saß aber nun - wiederum quer - vor der Vorderachse des IFA P70. So konnte man den Radstand um stolze 22 cm kürzen und dennoch mehr Innenraum gewinnen. Der schlitzgesteuerte Zweitakter des IFA P70 basiert auf dem F8-Triebwerk, hat aber bereits einen Leichtmetallkopf mit zentraler Zündkerze. Dank höherer Verdichtung und eines neuen Flachstromvergasers erstarkte der 0,7-Liter-Motor des IFA P70 auf 22 PS.
Getriebe und Schaltung kamen ebenfalls vom F8, erst 1959 wich die in Öl laufende Lamellenkupplung einer Zweischeiben-Trockenkupplung. Neu am IFA P70 war die vom größeren Dreizylinder-F9 stammende Lenkung; geblieben war das 12-Volt-Bordnetz mit Dynastartanlage, bei der die Lichtmaschine zugleich als Anlasser fungiert.
Beim IFA P70 steigt man rechts ein
Wer den IFA P70 in Gang setzen will, muss von rechts einsteigen und zum Lenkrad hinüberrutschen - nur die Beifahrertür ist am IFA P70 abschließbar. Diese damals übliche Sicherheitsmaßnahme soll ausschließen, dass man von der gefährlichen Straßenseite das Auto entert. Gestartet wird der IFA P70 mittels eines Anlasserknopfs links unter dem Sicherungskasten, nachdem per Schlüssel für Zündstrom gesorgt wurde. Dann läuft der Zweitakter, zunächst unrund bellend, um schließlich in den typischen Rengdengdeng-Sound zu verfallen.
Das unsynchronisierte Getriebe des IFA P70 lässt sich verblüffend leicht betätigen: Zum Schalten muss nur der altväterliche Krückstockhebel gezogen oder gedrückt und dann nach links oder rechts gedreht werden. Der erste Gang liegt unten links - Vorsicht: Unten rechts legt man den Rückwärtsgang ein, eine Sperre dazwischen fehlt. Für die zweite Fahrstufe zieht man den Schalthebel hoch und dreht ihn nach rechts. Wagt man sich in den dritten, muss der Knauf nach links bewegt werden. Alle Vorwärtsgänge des IFA P70 haben eine Freilauffunktion, die Mechanik stellt den Kraftschluss sofort wieder her, wenn Gas gegeben wird. Selbstverständlich lässt sich der Freilauf sperren - in der Beschleunigungsphase mittels eines kleinen Knebels rechts unter der Instrumententafel.
IFA P70 mit hartem Fahrwerk
Platz für die Füße ist im IFA P70 genügend, links vorn im Fußraum ragt nur der Abblend-Lichtschalter aus dem Boden. Alle Pedale sind stehend fixiert. Die beiden Vordersitze lassen sich längs verschieben, die Lehnenneigung ist allerdings nicht justierbar. Der Tacho des IFA P70 reicht zwar bis 120 km/h, aber mehr als 95 km/h schafft der IFA P70 nicht. Der Verbrauch bei forcierter Fahrweise liegt bei 7 bis 9 Liter/100 km, wobei Öl im Verhältnis 1 : 25 dem Kraftstoff beizumischen ist. Zum Tanken muss die Motorhaube des IFA P70 geöffnet werden - von außen und keineswegs per Bowdenzug von innen her.
Das Fahrwerk des IFA P70 ist ausgesprochen hart, besonders die hoppelnde hintere Schwebeachse versetzt angesichts der ungünstigen Gewichtsverteilung und der schmalen 16er-Reifen gern seitlich um ein paar Zentimeter. Hier hilft nur, beide Hände fest am Lenkrad zu halten. Auch die Bremsen erfordern einen ganzen Kerl - es handelt sich nicht um hydraulische, sondern um mechanische Seilzugbremsen, die via Trommeln den IFA P70 in seinem Vorwärtsdrang zu hindern versuchen.
Im IFA P70 wird es laut
Die Verwindungssteifigkeit ist dank des stabilen und schweren Holzgerüsts für damalige Verhältnisse ohne Fehl und Tadel. Der IFA P70 wiegt wegen seiner Radkästen aus dickem Blech und der keineswegs leichten Duroplast-Beplankung 30 Kilo mehr als der F8. Dass Motor- und Auspuffgeräusch im IFA P70 nahezu ungedämpft im Innenraum wahrnehmbar sind, galt in den 50ern nicht als Kritikpunkt. Der Kofferraum der Limousine ist nicht von außen zugänglich. Dafür lässt sich die Rückenlehne umklappen oder gleich die gesamte hintere Sitzbank herausheben. Das Ersatzrad liegt in einem Extrafach unter dem Heck, das durch Herausnehmen des Stoßfänger-Mittelteils zu erreichen ist. Dazu müssen aber zuvor umständlich zwei Hutmuttern auf den Stoßfänger-Hörnern gelöst werden. Zahlreiche Kunden rüsteten seinerzeit in Eigenregie eine Kofferraumklappe beim IFA P70 nach.
Karger Innenraum
Die Limousine IFA P70 hat vordere Schiebefenster, ab 1957 zählten ausstellbare vordere Dreieckfenster zur Serienausstattung. Anfangs gab?s übrigens noch gegenläufige Wischer, die 1956 Parallelwischern wichen. Die Zierstäbe in den Stoßfängern, im Grill, oben an den Kotflügeln und an den Radläufen sowie die Dachrinnen und Fenstereinfassungen bestehen aus poliertem Aluminium. Und die Scharniere der ebenfalls aus Kunststoff gefertigten Motorhaube sind verchromt.
Der mit Stoffhimmel versehene Innenraum ist nur karg möbliert. Nur der runde Tachometer im Armaturen"brett" aus Kunststoff heischt im IFA P70 um Aufmerksamkeit. Dieses Kombiinstrument enthält eine Fernlichtkontrolle und eine simple Kühlwasser-Temperaturanzeige. Rechts findet sich das Handschuhfach, allerdings ohne Abdeckung. In den Türen sind kunstlederne Ablagetaschen, den Raum zwischen den stoffbespannten Sitzen beansprucht der Handbremshebel.
Nur wenige Limousinen des IFA P70
Nach der anfänglichen Kühlwasserheizung bekam der IFA P70 1956 eine verbesserte Frischluft-Gebläsekrümmerheizung mit Defrosterdüse zum Freiblasen der Scheibe. 1957 folgten bei der Limousine weitere Modifikationen: flachere Türgriffe, neue Flachstromvergaser, langlebigeres, aber weiterhin unsynchronisiertes Getriebe mit "Kupplungsbremse" für leichteres Schalten, leiserer Auspuff mit besserer Gebläseheizung, weichere Federung.
Die Serienfertigung des IFA P70 (intern als F8 K bezeichnet) lief vom 1. Juli 1955 bis 1959. Rund 30.000 Limousinen - sowie knapp 7.000 Kombis und Coupés - wurden ausgeliefert, viele davon in den Export. Die Käufer in der DDR zahlten für die Stufenheckversion sehr stolze 9.250 Mark. Im Gegensatz zum schicken Coupé haben nur wenige Hundert Limousinen überlebt, sie wurden im Alltag brutal verschlissen. Schade eigentlich: Die Szene weiß heute von höchstens zwei Dutzend IFA P70 in gutem Zustand.
Quelle: Motor Klassik
so war das zu zeiten,kurz nachdem das rad erfunden wurde 😆
ich finde immer wieder,dass das auto optisch viel grösser wirkt,als es eigentlich is ?!
so nen qp sieht man schon öfters mal auf treffen,ausfahrten oder mal so im sonntagsverkehr,limousine & kombi wüsste ich jetzt von mir,dass ich sie nur mal im museum in zwickau gesehen hab ?!
den trick mit der abschliessbaren beifahrertür find ich ganz süss,die späteren trabant hatten dann nur noch die linke tür abschliessbar,wahrscheinlich ein kompromiss,der mit begrenzter stückzahl & langen lieferzeiten daher kam 😆
Nicht ganz richtig! Der Trabant hatte bis 62 auch nur die Beifahrerseite zum abschließen.
Klasse!
Einsteigen auf der Kinderseite
😜😜
Auch wir hatten mal so ein Teil (limo) mit dem Alter wurde dann die Karosse etwas labil und mein Vater 1946 Kfz-Schlosser gelernt hat Ihn recht lange am Leben erhalten. Man konnte ja bei Holz auch mit Schrauben einiges erreichen. Als dann kurz vor der Wende ein Tabi (gebraucht) gekauft wurde , haben wir den P70 verkauft und der Gute Mann, hat die Karosse weggeworfen und den Motor in seinen Wagen eingebaut mit dem er dann wenig später über Ungarn in der Westen gemacht ist.
Von der Technik und dem Aufbau eher mit den Lloyd Modellen derselben Jahre vergleichbar, von der Wasserkühlung mal abgesehen. Mit Goggo und Isetta hatte der P70 ja nun wenig Gemeinsam.
Er wäre durchaus im Westen Konkurrenzfähig gewesen, allerdings wohl kaum machbar bei den geringen Stückzahlen und dem Preis...
Eigentlich ein sehr gelungener Kleinwagen seiner Zeit. 😊
Gruss, Pete
Das West-Deutsche Gegenstück des P70, der Leukoplastbomber. Bilder satt (english text)
Hier nochmal in Deutsch auf Wikipedia.
Gruss, Pete