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Prime Time-Krimi aus Sao Paulo
Beim GP Brasilien wird am Sonntag das vorletzte Kapitel der Formel 1-Saison 2010 geschrieben. Fernando Alonso kann den Titel-Krimi im Idealfall bereits vorzeitig entscheiden. Die Konkurrenz hofft, das WM-Rennen in Sao Paulo so lange wie möglich offen zu halten.
Der GP Brasilien war in den vergangenen Jahren immer für jede Menge Spektakel gut. Jenson Button hat 2009 den Titel hier mit einem Husarenritt gewonnen. Lewis Hamilton gelang das gleiche Kunststück 2008, als er in der allerletzten Kurve noch Timo Glock überholte. Im Jahr zuvor war Hamilton noch die tragische Figur, als ihm die WM-Krone von Kimi Räikkönen in letzter Sekunde entrissen wurde.
"Ich hoffe, dass es mal ein normales Rennen wird", grinste Hamilton mit Blick auf den GP Brasilien 2010. Doch ein Blick auf den WM-Stand macht schnell klar, dass auch in diesem Jahr wieder ein echter Krimi bevorsteht. Ferrari-Pilot Fernando Alonso kommt mit nur elf Punkten Vorsprung vor Red Bull-Speerspitze Mark Webber nach Brasilien. McLaren-Pilot Hamilton folgt mit 21 Zählern auf Platz drei. Drei Fahrer, drei Teams. Die Konstellation könnte spannender kaum sein.
Sebastian Vettel und Jenson Button, die auf den Rängen vier und fünf ebenfalls noch theoretische Titelchancen besitzen, könnten am Ende das Zünglein an der Waage spielen. Werden sie ihren Teamkollegen helfen? Erwartet die Zuschauer wieder eine Stallregie wie sie zuletzt in Hockenheim von Ferrari angewendet wurde. Bei dem, was auf dem Spiel steht, kann sich kein Team erlauben, Punkte zu verschenken.
Die Strecke:
Schon 1973 wurde zum ersten Mal ein Formel 1-Rennen auf dem 4,309 Kilometer langen Autódromo José Carlos Pace ist im Stadtteil Interlagos ausgetragen. Die abwechslungsreiche Strecke wird gegen den Uhrzeigersinn gefahren und ist vor allem wegen der großen Höhenunterschiede technisch anspruchsvoll. Früher gab es in Sao Paulo oft Probleme mit dem welligen Asphalt. Zwar werden die Piloten immer noch mehr durchgeschüttelt als auf vielen anderen permanenten Rennstrecken, aber die Ingenieure mussten nicht mehr mit erhöhter Bodenfreiheit reagieren.
Ein Faktor, der die Rennen in Interlagos immer besonders spannend macht, ist das unbeständige Wetter. Schon im Vorjahr fiel das Qualifying beinahe ins Wasser. Auch für das kommende Wochenende sind wieder Gewitter vorhergesagt. Wann sich die tropischen Regenwolken leeren, kann nie genau vorhergesagt werden. Nur wenn es einmal feucht wird, dann gießt es in Brasilien gleich richtig.
Das Setup:
Brasilien hat für alle etwas. Eine lange Start-Ziel-Gerade, ein paar schnelle Kurven zu Beginn und am Ende der Runde und ein ganz enges Infield. Für die Ingenieure wird es hier besonders schwierig den passenden Kompromiss zu finden. Wer zu viel Abrieb fährt, bezahlt den Grip in den Kurven mit mangelndem Top-Speed. Auf den langen Geraden hat man dann keine Chance sich zu wehren. Wer die Flügel zu flach stellt, verliert in den Kurven Zeit. Folge ist eine schlechte Startposition für das Rennen. Besonders wichtig ist ein funktionierender F-Schacht. Wer den Heckflügel mit dem komplizierten Luftkanalsystem auf der Geraden "ausknipsen" kann, gewinnt Top-Speed ohne in den Kurven zu viel Zeit einzubüßen.
Die Favoriten:
Die Strecke in Sao Paulo bietet für alle drei Top-Teams etwas. McLaren kann auf der langen Geraden seine Top-Speed-Vorteile ausspielen. Ferrari dürfte dank guter Traktion vor allem der enge Mittelteil gefallen. Red Bull hat gezeigt, dass sie auf allen Strecken zurecht kommen. Die schnellen Kurven und die überragende Qualifying-Bilanz macht Vettel und Webber auch in Brasilien wieder zu den Favoriten. Bisher haben die Bullen ihre Stärke aber viel zu selten in gute Ergebnisse ummünzen können. Ohne die vielen technischen Defekte und groben Fahrfehler wäre der Meisterkampf schon längst entschieden.
Im Kampf um die weiteren Plätze hinter den drei Spitzenteams machte zuletzt Mercedes GP eine gute Figur. Obwohl der Silberpfeil nicht mehr weiterentwickelt wird, konnten die Ingenieure die letzten Krankheiten ausmerzen. Im Kampf gegen Renault um Rang vier in der Konstrukeurs-WM könnte Mercedes in Sao Paulo schon eine Entscheidung erzielen. Im Kampf um Rang sechs liegt aktuell Force India drei Zähler vor Williams. Allerdings war der Williams zuletzt klar das bessere Auto. Für Rubens Barrichello geht es in der Fahrer-WM zudem um Platz zehn gegen Adrian Sutil. Vor heimischen Publikum würde der Brasilianer gerne einen Big Point setzen.
Expertenmeinung: James Key (Technikchef Sauber):
"In Interlagos gewinnt man entweder auf den Geraden oder in dem kurvigen Abschnitt, man muss den richtigen Kompromiss treffen. Wir müssen auf die Höchstgeschwindigkeit achten, aber auch die Fahrzeugbalance und das Grip-Niveau im zweiten Teil der Runde im Auge behalten. Den Verschleiß der Vorderreifen in Grenzen zu halten, sollte eine Stärke unseres Autos sein. Bei der mechanischen Abstimmung müssen wir die Bodenwellen einkalkulieren sowie Richtungswechsel und guten Grip an der Vorderachse. Gute Traktion ist vor allem in der Bergaufpassage am Ende der Runde wichtig."
So lief das Rennen im Vorjahr:
Mark Webber hatte die Strecke in Interlagos eigentlich nie besonders viel Glück gebracht. Doch die Pechsträhne hatte 2009 endlich ein Ende. Mit einer fehlerfreien Vorstellung sicherte sich der Australier seinen zweiten Grand Prix-Sieg. Die Hauptrolle spielte allerdings ein anderer. Jenson Button pflügte sich von Startplatz 14 im Rennen noch auf Platz fünf nach vorne, was dem Engländer zum vorzeitigen Titelgewinn reichte. Teamkollege Rubens Barrichello war der große Pechvogel. Von der Pole Position fiel der Lokalmatador mit einer schlechten Strategie immer weiter zurück. Ein Reifenschaden kurz vor der Zielflagge spülte den Mann aus Sao Paulo bis auf Rang acht.
Quelle: Auto Motor und Sport