VW Passat B8: Erste Fahrt
Schau mal, Mutti, ohne Hände!
Hände weg vom Lenkrad: Der neue Passat fährt teilautonom im Stau und steuert den Anhänger selbstständig in die Parklücke. Ein Einparkversuch und die erste Fahrt.
Olbia – Normalerweise fährt Hagen Ziehr mit VW Touareg millimetergenau durchs Gelände. Heute kümmert er sich um den neuen Passat, einen Anhänger (dahinter) und ein Schlauchboot (darauf): Der VW-Fahrtrainer erklärt, wie die Trailer-Parkhilfe des größten VW Kombi funktioniert. Durch das offene Fahrerfenster gibt er Tipps zu Lenkwinkel, Entfernung und Geschwindigkeit. Um den Rest kümmert sich die Elektronik.
Beinahe zumindest, denn die Oberhand behält der Fahrer. Er steuert über Spiegelverstellknopf und Anzeige im Kombiinstrument, wohin der Anhänger rollen soll. Über die Rückfahrkamera im Heck des Passat errechnet das System den Radeinschlag und lenkt selbstständig. Bis zu einem Tempo von 3 km/h schiebt der Kombi den Einachser samt Ladung in die Lücke.
VW Passat: Mit Trailer-Assist und Querbaukasten
Die Fahrhilfe funktioniert unkompliziert und präzise. Sie hilft Menschen, die selten rangieren – mit Anhänger und ohne Übung gibt es schnell ein verknotetes Gespann.
Wenn der Beifahrer aber aussteigt, dann bricht die Software den Vorgang ab. Aus Sicherheitsgründen, angeblich. Einen zweiten Versuch verhindert die Elektronik dann bis zum Neustart des Motors. Schade, denn die Übersicht verbessert sich durch die Lenkhilfe nicht – eine geöffnete Tür dürfte keine Hürde sein.
Sei es drum, für das Grinsen nach dem Parken reicht es allemal. Das ist gut und wichtig, denn emotional tut sich in der VW-Mittelklasse sonst wenig.
Optisch experimentiert VW nur mit Studien, technisch kennen wir das meiste vom Golf 7: Dank Querbaukasten wächst der Radstand, mittels hoch- sowie höchstfester Stähle und Laserschweißverfahren sinkt das Gewicht. 85 Kilogramm soll der 150 PS starke Turbodiesel-Passat abgespeckt haben. Im Durchschnitt seien es ungefähr 60 Kilogramm, schätzt VW-Technikchef Dr. Heinz-Jakob Neußer.
Neun Vierzylinder mit 120 bis 280 PS
Ein weiterer Grund für die schmale Taille: Sechszylinder wird es in der Wolfsburger Mittelklasse nicht mehr geben. „Theoretisch könnten wir wieder einen VR6 anbieten“, erklärt Dirk Nessenius, der technische Projektleiter des Passat. Aber der erfülle nicht die Abgasvorgaben und habe höchstens beim Sound Vorteile.
Die Entwickler haben sich deshalb auf Vierzylinder-Turbomotoren konzentriert. Der Passat startet mit vier Selbstzündern und fünf Benzinern mit 1,4 bis 2,0 Litern Hubraum und 120 bis 280 PS. Der Plug-in-Hybrid GTE folgt im kommenden Jahr.
Besonders stolz sind die Ingenieure auf den starken 2,0-Liter-Diesel: Mit zwei Turboladern, 2,5 bar Lade- und 2.500 bar Kraftstoffdruck produziert der 240 PS und 500 Newtonmeter Drehmoment. Mehr als jeder V6-Diesel aus alten Längsmotor-Zeiten.
Ein dicker Bizeps macht aber keine schnellen Beine. Seine Kraft soll nicht die Nackenmuskeln anstrengen, sondern schwere Lasten ziehen. Bis zu 2,2 (gebremste) Tonnen schleppt der Power-Passat zwölfprozentige Steigungen hinauf. Obwohl er ohne Anhänger flinker beschleunigt als ein Golf GTI, fühlt sich der 1,7-Tonner gemütlich und komfortabel an. Unter Last knurrt der Selbstzünder unruhig, sonst hört man ihn nicht.
Passat B8: Ruhe im Innenraum
Überhaupt: Im Innenraum kommen fast keine Geräusche an. Wind an den Außenspiegeln, Gummi auf der Straße, sonst bleibt es leise. Ein Zwei-Massen-Schwungrad mit Ausgleichspendel fängt unangenehme Vibrationen auf und beruhigt den großen, kleinen Diesel. Den Rest dämmt eine neu konstruierte Spritzwand.
Im „Comfort“-Modus wird die Lenkung indirekt, auf „Sport“ das Fahrwerk nervös. Mit selbst konfigurierten Parametern fährt der Passat dann so, wie er sollte: gutmütig, präzise und komfortabel. Fein geformte Sitze (ab Ausstattung „Comfortline“) bieten ausreichend Seitenhalt und angenehme, weiche Polster.
Ohne Allradantrieb und mit leichteren Motoren nimmt der Passat die Kurven deutlich flotter: Der 2,0-Liter-Diesel-Passat mit 150 PS wiegt rund 200 Kilogramm weniger als das Top-Modell.
Schade: Trotz hübscher Optik und unterschäumten Materialien passen Teile des Innenraums nicht in das Gesamtbild. Hartes Plastik an der Mittelkonsole gehört nicht in diese Fahrzeugklasse, genau wie lackierte Armaturenbrett-Zierleisten mit Klapper-Potenzial. Berührt man sie versehentlich, scheppert das lackierte Gebälk. Hier gelobt Nessenius Besserung: Es handele sich noch um Vorserienmodelle. Wenn die Produktion in einigen Wochen beginnt, dann sollen Passform und Verarbeitung stimmen.
Etwas Aufpreis und viel Assistenz
Im Vergleich zum Vorgänger wird der Passat etwas teurer: Der Basisbenziner mit 125 PS kostet 25.875 Euro (bisher: 25.375 Euro, 122 PS). Dafür gibt es mehr Platz bei knapperen Maßen, größere Räder, kleinere Überhänge und viel elektronisches Zubehör.
Neben dem Anhänger-Helfer bietet VW für den Passat ein LCD-Display als Tacho, teilautonomes Fahren im Stau und LED-Scheinwerfer an. Xenon-Brenner sind nicht mehr im Programm. Das Head-up-Display folgt mit dem Start des Passat Alltrack im kommenden Jahr.
VW Passat B8: Technische Daten
- Der stärkste Diesel
- Modell: Passat Highline 2,0 TDI 4Motion Variant
- Motor: 2,0-Liter-Bi-Turbo-Vierzylinder-Diesel
- Getriebe: Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, Haldex-5-Allradantrieb
- Leistung: 240 PS
- Drehmoment: 500 Nm
- Verbrauch: 5,4 l/100 km (NEFZ)
- Testverbrauch: 6,9 l/100 km
- 0 – 100 km/h: 6,3 s
- Höchstgeschwindigkeit: 238 km/h
- Länge x Breite x Höhe in m: 4,77 x 1,83 x 1,48
- Leergewicht: 1.735 kg
- Grundpreis: 46.300 Euro
- Der sparsame Benziner
- Modell: Passat Highline 1,4 TSI Variant Highline
- Motor: 1,4-Liter-Turbo-Vierzylinder mit Zylinderabschaltung
- Getriebe: Sechsgang-Handschaltung
- Leistung: 150 PS
- Drehmoment: 250 Nm
- Verbrauch: 5,2 l/100 km (NEFZ)
- Testverbrauch: 7,1 l/100 km
- 0 – 100 km/h: 8,6 s
- Höchstgeschwindigkeit: 218 km/h
- Länge x Breite x Höhe in m: 4,77 x 1,83 x 1,48
- Leergewicht: 1.429 kg
- Grundpreis: 34.675 Euro
Sicher ein schönes Fahrzeug und ganz toll was die Elektronik alles kann.
Technisch anspruchsvoll und interessant.
Aber entwickeln wir damit nicht Stück für Stück eine Generation von Autofahrern die irgendwann zu blöd sind Einzuparken oder mit einem Anhänger zu fahren?
Oder das Schlimmste, Autofahrer die glauben es zu können, aber ihr Fahrzeug nicht im Ansatz beherrschen?
Also den Trailer-Assist stelle ich mir der Beschreibung nach vor wie einen Euromover.
Jetzt nicht bahnbrechend, aber wers braucht.
Ansonsten bin ich ja beeindruckt, dass sogar etwas Kritik zu lesen ist.
Mir gefällt der Passat optisch ganz gut. Das Cockpit finde ich etwas langweilig, was aber nicht weiter tragisch ist.
Die Kombination aus schwarz lackiertem Plastik und offenporigem Holz geht aber überhaupt nicht. Ein einheitliches Dekor muss her, alles andere sieht nach Bastel-Lösung aus.
Schade:
Trotz wohl erheblicher Einsparungen bei den Produktionskosten (MQB) wird der Passat teurer.
Ich will so ein Auto nicht haben.
Ich will ja nicht so blöde werden, dass ich nicht mehr einparken kann 😆
Das ist bereits der Ist-Zustand. Ich mache mir da nix vor. Richtig fahren können nur wenige.
Man kann alles übertreiben. Trailer assist? Wer so etwas braucht, sollte einfach keinen Anhänger fahren.
Wer einen Anhänger bei Rückwärtsfahrt nicht wenigstens halbwegs unter Kontrolle hat, wird auch Schwierigkeiten haben, bei normaler Fahrt geradeaus und z.B. bei Kurvenfahrt den "Faktor" Anhänger in die der jeweiligen Fahrsituation nötigen Antizipation mit einzubeziehen.
Man hat zusehends das Gefühl, die teilweise durchaus nützliche Elektronik im Auto hat nur die Aufgabe den Fahrer zu entmündigen und zu "vertrotteln".
Und dass dieser aufgeblasene 240PS-2L-Diesel weniger verbrauchen soll, als ein gleich starker Sechszylinder Diesel, lässt mich nur milde lächeln. Unter Last wird das Motörchen selbstverständlich mindestens mehr brauchen, als das entsprechende V6 Pendant. Und dazu schlecht klingen.
Aber leider wird dieses Augenauswischerei-Downsizing nicht mehr aufhören. Dem Passat würde ein V6 Diesel aus den Konzernregalen ausgezeichnet stehen...
...ich freue mich schon auf die Gesichter der Audi A4 Avant Fahrer mit Ihren 3.0 TDI´s die von den 4 Zylinder Passats auf der Autobahn versägt werden. Irgendwie macht der Motor keinen Sinn wenn man nicht im eigenen Konzern wildern möchte. Bin mal gespannt was da von Audi kommt. Der 3.0 TDI mit 204PS wird mit dieser Ansage seitens VW so gut wie sicher sterben....
Alles cool, nur die Optik der Mittelkonsole und die Bedienung des Infotainment nicht... wieso bringt VW keinen Controller auf dem Mitteltunnel?
Das ist so nicht ganz richtig. Zumal Du "halbwegs unter Kontrolle" exakter definieren müsstest. Ich selbst bin 20 Jahre lang ohne Anhänger gefahren. Die ersten male waren durchaus eine Herausforderung. Insbesondere mit einem PKW auf dem Trailer. Sicht nach hinten beim rangieren: praktisch gleich Null. So ein Gespann präzise (rückwärts) einzuparken erfordert schon einiges an Übung unter beengten Platzverhältnissen. Mittlerweile bekomme ich das halbwegs rangiert aber vom einparken in 2 Zügen bin ich noch ein Stück entfernt 😉
Zitat: "Im „Comfort“-Modus wird die Lenkung indirekt, ....."
Hat der Passat keine mechanische Lenkwelle mehr? Wie will man elektronisch die Direktheit der Lenkung anpassen? Erklärung bitte.
Der neue 3.0 TDI wurde erst präsentiert.
Klick
Der Bi-Turbo-Diesel wäre in einem "kleineren" Fahrzeug wie dem Golf erste Sahne. 😆 Die Fahrwerte sind ja bereits bei dem Passat beeindruckend.
Weil es ein Touchpad ist...
Mit "halbwegs unter Kontrolle" meine ich z.B. Menschen (ein Freund von mir wäre so ein Kandidat), die beim Anhänger zurückschieben/einparken den ganz logischen Weg, den der Anhänger beim Drehen des Lenkrades in eine bestimmte Richtung einschlagen wird, nicht vorausdenken, antizipieren können.
Menschen, die das mit dem Gegenlenken und was dadurch ausgelöst, der Anhänger dann macht, einfach nicht durchblicken. Und zwar nicht weil sie ungeübt sind, sondern weil sie das einfach nicht gebacken bekommen, auch nicht nach 150 mal probieren.
Solche Leute gibt's, und zwar gar nicht wenige. Das hat ja gar nix mit Intelligenz oder Talent zu tun, vielleicht ist da irgend ein 'Sinn' zu wenig ausgebildet, spiegelverkehrt denken, oder was weiß ich.
Solche Leute sollten kein Auto mit Anhänger bewegen, auch nicht, wenn es immer nur nach vorne ginge (Was ja realistischer Weise so gut wie nicht möglich wäre).
Man sollte solche Elektronischen Helfer maximal als Unterstützung ansehen und anwenden, nicht als vollkommenen "Fahrerersatz". Also- das System als Hilfe für den weniger geübten "Anhängerzurückschieber", aber nicht für Menschen, die das Grundverständnis für die "kleine Wissenschaft" Anhänger rangieren nicht entwickeln können.
Mein Gott, hoffentlich trete ich jetzt niemandem auf die Füße. 😊
@Kaliko: Ok, verstanden 😆. Ich für meine Teil schlage immer noch z.T. viel zu stark ein. 🙄 Aber, Übung macht den Meister und irgendwann einmal hab's ich dann vielleicht auch drauf 😆