Mit Volkswagen zur Rallye-WM
Schrauben gegen die Zeit
Wenn Rallye-Mechaniker schrauben, dreht sich alles um Zeit. Denn aus Minuten werden Strafsekunden und die bedeuten Lichtjahre. Motor-Talk hat beim WM-Lauf in Argentinien dem VW-Team beim Schrauben zugesehen.
Von MT-Reporter Michael Specht
Villa Carlos Paz - Callum Colquhoun ist der Jüngste im Team. 23 Jahre alt. Australier. Bewaffnet mit Schlagschrauber und Werkzeugkoffer wartet Callum gemeinsam mit sieben anderen Mechanikern auf Sébastien Ogier und dessen Co-Piloten Julien Ingrassia. Jeden Moment muss der Polo R WRC von der Wertungsprüfung zurück sein und ins Fahrerlager einbiegen.
Dann läuft die Uhr. 30 Minuten bleiben den Jungs, um Bremsen, Radaufhängung, Federbeine und Getriebe zu wechseln. Für die Rallye-Mechaniker reine Routine. Jeder Handgriff sitzt. Blöd nur, dass dieses Mal Steine die Verschraubung der Bodenplatte zerschlagen haben. Das kostet Zeit. Die Befestigung muss aufgebohrt und erneuert werden.
Junge Kerle aus allen Ecken der Welt
VW ist in der Rallye-Szene sehr erfolgreich. Das liegt zum einen an den über 350.000 Euro teuren WRC-Polos, den talentierten Fahrern und nicht zuletzt am Werkstattteam. Bei VW begleiten etwa 20 Mechaniker den Rallye-Tross. Junge Kerle aus Australien, Neuseeland, Frankreich, Portugal, Polen, Italien, Litauen, Belgien und Deutschland. Die meisten von ihnen haben Erfahrungen im Motorsport, manche kommen von der Konkurrenz.
Alle im Team haben heimatliche Hebebühnen gegen wechselnde Liegeplätze unterm Auto getauscht. „Für die 13 WM-Läufe sind wir rund 120 Tage im Jahr unterwegs“, sagt Colquhoun. Rallye-Mechaniker schrauben von unten, auf dem Rücken. Gesichert durch vier Dreiecks-Böcke („Stands“). Selbst ein Rollbrett gibt es nicht. Der Grund dafür ist simpel: Zeit. „Da oft auch im Motor- und Innenraum etwas zu prüfen oder reparieren ist, darf kein Mechaniker wartend herumstehen, bis die Kollegen in den Radhäusern oder am Differential fertig sind“, sagt Hassenpflug.Zehn Sekunden Strafe pro überzogener Minute
An einem Auto dürfen immer nur maximal acht Personen arbeiten. Damit niemand schummeln kann, kontrolliert die Rennbehörde FIA die Zahl der Mechaniker, jeder von ihnen muss eine nummerierte Armbinde tragen.
Auch die Service-Zeiten sind genau vorgegeben. Morgens 15 Minuten, mittags 30 und abends 45 Minuten. Ein Team, das länger braucht, brummt dem Fahrer automatisch Strafsekunden auf. Zehn Sekunden pro überzogener Minute. Das sind Lichtjahre im Rallyesport.
Denn auf den Wertungsprüfungen ist ein Zeitrückstand von 20 oder 30 Sekunden kaum wieder aufzuholen. Selbst wenn die nächste Strecke 40 Kilometer lang ist. „Die Jungs bewegen die Autos am absoluten Limit“ sagt Willy Rampf, im VW-Team der technische Direktor, „da wird es schwierig, pro Kilometer eine Sekunde herauszufahren.“
Werkzeug geordnet wie Operations-Besteck
Jeder Mechaniker muss alles reparieren können. „Das Getriebe wechseln wir in zwölf Minuten, eine
Radaufhängung in vier bis fünf“, sagt Hassenpflug, der meist selbst mit anpackt. Weil Zeit kostbar ist, liegen Ersatzteile und Werkzeuge griffbereit wie das Arztbesteck auf einem OP-Tisch. Es gibt penibel geführte Stücklisten. Ordnung ist auch im Rallyesport der halbe Sieg.Von der Decke des Servicestandes hängen in jeder Box etwa zwei Meter lange Schwenk-Arme mit Kabeln - der „Galgen“. Er bildet die Brücke zur Kommandozentrale, dem sogenannten Office-Container. In ihm sitzen die Renningenieure vor ihren Laptops und werten Striche und Kurven aus, die aussehen wie seismographische Aufzeichnungen.
Verantwortung für das Leben der Fahrer
Sobald Ogier und seine Fahrerkollegen von einer Wertungsprüfung zurück sind, werden die WRC-Polo elektronisch „ausgelesen“. Wie heiß wurden Motor und Getriebe? Welche Spitzenbelastungen traten bei Dämpfern und Federn auf? Haben die Sperren der Differentiale perfekt gearbeitet? Wie unterschiedlich waren die Raddrehzahlen? „Alle diese Daten helfen den Ingenieuren, die Autos für den nächsten Lauf zu optimieren“, sagt Willy Rampf. Telemetrie wie in der Formel 1 gibt es im Rallye-Sport nicht.
Ebenso wenig die Schuld eines einzelnen. Falls wirklich mal etwas schief gehen sollte, hat stets das Team den Mist verzapft. „Jeder Mechaniker arbeitet mit höchster Konzentration und kennt seine Verantwortung, weiß, das Leben der Piloten könnte von seiner Arbeit abhängen“, sagt Martin Hassenpflug. Bislang lief alles fehlerfrei ab. Obwohl Polo-Pilot Ogier den letzten WM-Lauf in Argentinien an seinen Landsmann, den Weltmeister Sébastien Loeb auf Citroen abgeben musst, führt er in der Gesamtwertung - nahezu uneinholbar.
Beeindruckende Arbeit, wünscht man sich natürlich auch in der eigenen Werkstatt, die Löhne dürften dann aber teuer werden 😉
Ähm in der Überschrift wunder ich mich ein bisschen, ein Lichtjahr ist keine Zeitangabe, sondern ein Längemaß.
Ist das im übertragendem Sinn, Lichtjahre vom Ziel entfernt?
ähm...
Der Artikelschreiber weiss wohl nicht, dass ein Lichtjahr keine Zeit- sondern eine Längeneinheit ist!?
edit:
ah wurde schon angesprochen. Da war ich wohl mit dem Antworten "fünf Lichtjahre" zu spät *LOL*
Wow, gut dass das angesprochen wurde!
Das wäre wirklich fatal gewesen, wenn du das nicht bemerkt hättest.
Also man kann sich auch an kleinigkeiten Aufregen wa 😉
Es regt sich ja keiner auf. Es wurde lediglich höflich auf das kleine Mißgeschick hingewiesen, dass "Lichtjahre" eine Längen- und keine Zeiteinheit sind. 😊
Aber BTT: Respekt an die Mechaniker! Soetwas wünscht man sich in seiner Werkstatt (mein Wagen stand letztens über eine Woche in der Werkstatt, weil der Meister nicht wusste, was meinen Defekt verursacht hatte).
Wieso hab ich das mit dem fehlenden Rollbrett noch immer nicht verstanden ?
Weil evtl. darüber der stehende/andere, parallel arbeitende Mechaniker ausrutschen könnte ?!
Naja..wenn Lichtjahre ein Längenmaß sind passts doch auch irgendwie---Strecke bedeutet Zeit ;-)
Aber die Arbeiten gehen ja echt wahnsinnig schnell.Das wär ja was für die eigene Garage---einmal Auto komplett restaurieren in 2 Stunden 😆..und nebenbei noch Käffchen und Kuchen 😆
Jedenfalls schön ein wenig Einblick in die Arbeit eines Profi-Teams zu bekommen. Dann wird man schon ein wenig neidisch. Wir haben an unseren Kisten immer selber schrauben müssen, bzw. der Beifahrer war praktischerweise gelernter Kfz. 😆 Und Teile-Support hatten wir seltenst dabei. Werkzeug und Ersatzteile führten wir meißt im eigenen Auto mit, oder suchten uns ein befreundetes Team, welches die Sachen mit ihren privaten PKWs für uns mitschleppten. 😆
Das Fahren ist dann auch nicht weniger anspruchsvoll. Schnell, aber behutsam. Man will ja nix kaputt machen. Muss ja ankommen, der Koffer. 😊
Ansonsten konnte man oft auch Hilfe von anderen Teams vertrauen. "Habt ihr noch einen 13er Inbus?" - "Habt ihr eine Schlauchschelle?" xD
Umgekehrt haben wir unser Material und unser Werkzeug, bzw. sogar unsere Arbeitskraft dafür aufgewendet um anderen zu helfen (auch direkten Konkurrenten). Da durfte man dann beim gemeinsamen Grillen wieder Bratwürste schnorren. 😆