Lohnt sich ein Dienstwagen mit H-Kennzeichen?

So alt und trotzdem noch im Dienst

MOTOR-TALK

verfasst am Sun Apr 30 08:15:50 CEST 2017

Ein Oldtimer als Firmenwagen? Das schmückt Fahrer und Unternehmen und kann steuerliche Vorteile bringen. Bei überteuerten Preziosen hört der Spaß für die Finanzbehörden aber auf.

Ein Oldie als Firmenwagen - das sieht gut aus - und kann sogar Geld sparen
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK

Von Haiko Prengel

Berlin - Er keucht heiser. Dann nagelt er los und schwärzt mit einer Rußwolke die Umgebung. So ein alter 508 D muss sich die Vorkammern erst einmal ordentlich freihusten, wie ein Kettenraucher die Lungen vor der ersten Zigarette. Doch wenn der blassgrüne Mercedes-Lkw von Olaf Winkler erst einmal warm ist, läuft er fantastisch. „Ich wollte ja ein robustes Arbeitstier“, sagt der Berliner und klopft anerkennend auf das Blech des 35 Jahre alten Dreiseitenkippers.

Der Gartenbauer Winkler bezahlte 2.400 Euro für das „Wrack“, danach investierte er 15.000 Euro für den Neuaufbau
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Winkler ist Gartenbauer. In Berlin-Lichtenberg führt der 50-Jährige einen kleinen Baumpflegebetrieb. Große Holz-Häcksler und andere moderne Arbeitsgeräte stehen auf dem Betriebsgelände. Als automobilen Lastenesel für das Wegkarren des ganzen Grünzeugs hat sich Winkler bewusst für ganz altes Eisen entschieden – einen Mercedes Transporter T2 von 1982.

Auf dem Tacho stehen 270.000 Kilometer, nicht wenig für ein ehemaliges Baustellenfahrzeug. „Neue Lkw sind einfach extrem teuer“, erklärt Winkler. Zum anderen ist sein historischer T2 - von Kennern auch liebevoll „Düdo“ genannt - für sein Unternehmen so etwas wie das perfekte Aushängeschild. Die meisten Leute lieben alte Autos. „Meine Karre finden alle cool und hübsch“, meint Winkler.

Mit H-Kennzeichen Steuern sparen

Oldtimer als Firmenwagen, das liegt im Trend. Das Hobby mit dem Beruf verbinden, ein cooles Firmenauto fahren: Immer mehr Unternehmer schaffen sich ein Dienstfahrzeug mit H-Kennzeichen an. Doch Klassiker eignen sich nicht nur als fahrende Visitenkarte, man kann mit ihnen auch ordentlich Steuern sparen.

Winkler musste Motor und die Elektrik überholen lassen
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Weil der Kfz-Steuersatz für historische Fahrzeuge pauschal bei rund 192 Euro pro Jahr liegt, sind selbst relativ hubraumstarke Lkw ohne Katalysator wie der 508 D von Olaf Winkler ausgesprochen günstig zu unterhalten. Außerdem darf der Gartenbauer mit seinem Dreiseitenkipper dank H-Kennzeichen auch in die Umweltzone der Hauptstadt fahren, was vergleichsweise neuen Diesel-Fahrzeugen um Baujahr 2000 verwehrt bleibt. Die erhalten allenfalls die gelbe Plakette und müssen draußen bleiben.

Mit dem Wert des Oldies wächst auch das Betriebsvermögen

Noch interessanter wird es bei besonders edlen Oldtimern. Ein Porsche 911 von 1969 beispielsweise kostete ursprünglich etwa 20.000 Mark. Heute ist er ein Vielfaches wert. Doch das Finanzamt rechnet beim geldwerten Vorteil für Fahrer von Dienstwagen ausschließlich mit der 1-Prozent-Regel, die sich auf den Listenpreis bei der Neuzulassung bezieht.

So eine Rechnung sei tatsächlich erst einmal „verlockend“, sagt der Berliner Steuerberater Oskar Boehling (Name von der Redaktion auf Wunsch geändert). Das Problem ist aber, dass Oldtimer im Vergleich zu Neuwagen oder jüngeren Gebrauchten nicht an Wert verlieren, sondern mit der Zeit immer wertvoller werden. Und genau dieser Wertzuwachs wird im Betriebsvermögen angerechnet. „Das bedeutet Steuern zahlen“, erklärt Boehling. Ein eventueller finanzieller Vorteil werde dann schnell zum Nachteil.

Der alte Diesel ist kein Sprinter, die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 80 km/h. Für den Stadtverkehr reicht das locker aus
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Zudem sehen es manche Finanzbehörden eher kritisch, wenn Unternehmer sich allzu kostspielige Oldtimer als Dienstwagen leisten und deren Anschaffung und Unterhalt als Betriebsausgaben absetzen möchten. Dass ein Gartenbaubetrieb einen Dreiseitenkipper benötigt, mag sicherlich einleuchten. Ob ein Jurist oder IT-Berater zwangsläufig mit einem Supersportwagen vorfahren muss, ist eine andere Frage.

Der Oldtimer muss einen betrieblichen Bezug haben

So wurde einem Geschäftsmann aus Baden-Württemberg per Gerichtsurteil untersagt, seinen Jaguar E-Type, Baujahr 1973, als Dienstwagen steuerlich abzusetzen. Der Mann hatte 75.000 Euro für den Klassiker bezahlt und wollte den Kaufpreis über vier Jahre als Betriebsausgabe abschreiben. Doch das Finanzgericht Baden-Württemberg urteilte, dass die Kosten für solch ein Fahrzeug keine Betriebsausgaben, sondern „unangemessene Repräsentationsaufwendungen“ seien (Urteil Az. 6 K 2473/09).

Ohne betrieblichen Bezug sei ein Jaguar E-Type nämlich eher der Freizeitgestaltung zuzurechnen. Der unterlegene Kläger hatte seinen Oldtimer nur viermal zu Kundenbesuchen eingesetzt und war dabei insgesamt 539 Kilometer gefahren. Der typische Vertreter-Passat reißt so etwas an einem Tag ab.

"Als Zimmermeister wollte ich so ein richtiges Holzfällerauto haben“, sagt der 27-Jährige
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
In einem anderen Fall unterlag ein Tierarzt für Kleintiere vor dem Finanzgericht Nürnberg, der als Firmenfahrzeug einen VW Multivan nutzte, dazu aber auch noch die Aufwendungen für seinen Ferrari Spider als Betriebsausgaben geltend machen wollte. Ein 400-PS-Sportwagen, der für den Unternehmer „durchgehend horrend hohe Kosten“ verursache, sei weder geeignet noch dazu bestimmt, den Betrieb zu fördern, urteilten die Richter (Urteil Az. 7 K 966/09).

Noch gebe es zu solchen Fällen keine einheitliche Rechtsprechung, sagt Steuerberater Oskar Boehling. Wer aber auf Nummer sicher gehen will, sollte seinen Oldtimer besser nicht ins Betriebsvermögen aufnehmen, zumal sich dies vor allem bei Fahrzeugen mit niedrigem Anschaffungspreis steuerlich kaum rechne. Und als fahrende Visitenkarte kann man den Wagen ja trotzdem nutzen, mit oder ohne Firmenaufschrift auf dem Wagen.

Ein Dodge Power Ram für den Holzfäller

Elite Holzbau“ steht auf dem Dodge Power Ram von Eric Bensemann. Wenn der Zimmermann aus Brandenburg mit seinem Monster-Pick-Up aufkreuzt, schrumpft jedes SUV zum Kleinwagen. Unter der Haube sitzt ein 5,7 Liter großer Smallblock-V8 mit Edelbrock-Vergaser, der etwa 200 PS leistet. Minimum 20 Liter genehmigt sich der Dodge, 30 Liter sind auch kein Problem, je nach Fahrweise. Glücklicherweise hatte schon der Vorbesitzer eine Gasanlage eingebaut, dadurch sinken die Spritkosten enorm.

Zimmermann Bensemann nutzt die monströse Pritsche vor allem zum Holz- und Materialtransport
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Bensemann nutzt den monströsen Dodge, der früher bei der US Army im Einsatz war - vor allem zum Holz- und Materialientransport. Sein Unternehmen „Elite Holzbau“ baut Dachstühle, Holzrahmen und Carports.

Darüber hinaus ist der US-Oldtimer natürlich das ideale Aushängeschild für seinen Betrieb, den diesen riesigen Pick-Up kann man einfach nicht übersehen. Immer wenn Eric Bensemann mit dem Wagen durch Berlin-Friedrichshain, seinem Zweitwohnsitz, bollert, rufen die kleinen Kinder: „Guck mal Papa, ein Monster-Truck!” Die Eltern gucken aber auch öfters mal entsetzt. Mehr Aufmerksamkeit geht nicht.

Dank H-Kennzeichen werden auch alte Nutzfahrzeuge für Unternehmer attraktiv
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Der Gartenbauer Winkler bezahlte 2.400 Euro für das „Wrack“, danach investierte er 15.000 Euro für den Neuaufbau
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Mit dem Sonderkennzeichen gibt es freie Fahrt in Umweltzonen, die Kfz-Steuer ist pauschal auf 192 Euro begrenzt
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Dieser Dreiseitenkipper war früher ein Baustellenfahrzeug und wurde vor seiner zweiten Karriere als Gartenbau-Fahrzeug aufwendig restauriert
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Winkler musste Motor und die Elektrik überholen lassen
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Vor seiner Restaurierung war der „Düdo“ in desolatem Zustand. Das Fahrgestell war zum Teil durchgefault
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Dieser 508 D lief 1982 vom Band. Die Abkürzung „Düdo“ steht für Düsseldorfer Werk, wo der T2 von 1967 bis in die frühen Neunziger gebaut wurde
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Neuerdings dürfen Oldtimer-Lkw auch sonn- und feiertags fahren. Der Bundesrat hat das Fahrverbot für historische Nutzfahrzeuge aufgehoben
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Der alte Diesel ist kein Sprinter, die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 80 km/h. Für den Stadtverkehr reicht das locker aus
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Keine Servolenkung, geschweige denn Assistenzsysteme: „Das ist noch richtig Autofahren“, schwärmt Gartenbauer Winkler über das Fahrgefühl in seinem Düdo
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Um dieses Steuerrad zu bewegen, braucht man Muskelkraft
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
"Als Zimmermeister wollte ich so ein richtiges Holzfällerauto haben“, sagt der 27-Jährige
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Zimmermann Bensemann nutzt die monströse Pritsche vor allem zum Holz- und Materialtransport
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Zimmermann Eric Bensemann entmilitarisierte den Dodge, indem er ihn umlackieren ließ: von Tarnfarbe in mattes Anthrazit. Seinen brachialen Auftritt hat der Pick-Up aber behalten
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
5,7 Liter ist der Smallblock-V8 groß. Ohne H-Kennzeichen müsste Bensemann ziemlich viel Kfz-Steuer zahlen
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Der Dodge Power Ram von Zimmermann Eric Bensemann ist ein W200 in Militärausführung (M880)
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Bei der US Army dienten Zehntausende Dodge Ram als Truppentransporter, Werkstattwagen oder Ambulanzen mit mehreren Tragen
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Bensemanns Betrieb „Elite Holzbau“ baut Dachstühle, Holzrahmen und Carports. Der Dodge Ram dient als Transporter und Aushängeschild
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Bis 1981 war der Ram noch keine eigene Modellreihe bei Dodge, sondern eine Sonderausführung der D- beziehungsweise W-Serie
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Das Cockpit ist eher rustikal. Aber wer wolle schon „Pussy-Autos” fahren, meint Handwerker Bensemann
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK
Schon im Leerlauf brabbelt der V8 mit tiefem Grollen. Wenn man aufs Gaspedal drückt, fängt der Wagen fürchterlich an zu brüllen
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK