Mit den Porsche-GT3-Entwicklern auf der Nordschleife
So entwickelte Porsche das GT3-Setup
Der neue 911 GT3 wird ein echtes Ring-Tool. Wir zeigen, wie Porsche an der Nordschleife abstimmt. Und setzen uns zum Testfahrer in ein 2015er-Modell - bis zum Motorschaden.
Nürburgring – Wir fliegen ins Schwedenkreuz. Über eine blinde Kuppe geht es mit unglaublichem Speed auf den Linksknick zu. Der Porsche GT3 wird leicht. Beängstigend leicht. Testfahrer Timo Kluck bleibt hart am Gas. Wie schnell waren wir? Haben wir abgehoben? Keine Zeit, nachzudenken, der nächste Bremspunkt steht an. Die Hinterachse des 911 wird unruhig. Ein nasser Fleck auf der Ideallinie gibt den Reifen ordentlich zu tun.
„Für genau so etwas kommen wir hierher auf die Nordschleife“, sagt Bernd Seehafer von Reifen-Zulieferer Dunlop. Porsche Ingenieur Jan Frank nickt wissend. „Diese dauernd wechselnden Bedingungen kannst du in keinem Labor simulieren.“ Die Belastungen offenbar auch nicht: Unser Versuchsfahrzeug, ein 2015er-911 mit 475 PS, wird diesen Tag nicht heil überstehen.
Die meisten Fahrdynamiktests absolvieren schnelle Porsche auf der legendären, 20,8 Kilometer langen Variante des Nürburgrings. Für Car-Guys und Motorsportfans ungefähr das, was für Katholiken der Petersdom in Rom ist. Oder gleich der ganze Vatikan - heiliger Boden.Doch die Nordschleife taugt auch als Verkaufsargument. Kurvenkombinationen wie Brünnchen oder Schwalbenschwanz findet man zuhauf auf Youtube und im vergilbten Motorsport-Almanach. Fans der Schleife können die Streckensektionen herunterbeten wie den Rosenkranz.
Das Schönste an der Schleife: Das Marketing besteht hier nicht aus hohlen Phrasen. Wer hier was kann, der kann überall was. Und das Können kommt von Könnern, den Technikern in der Box. „Die Nordschleife deckt mit ihrer Charakteristik einfach viele Bereiche ab. Wir können einiges berechnen. Aber im Endeffekt entscheidet eine Kombination aus den Computerwerten, den gestoppten Zeiten und der Meinung des Testfahrers, in welcher Konfiguration das Auto rausgeht“, erklärt Helmut Fehl von Porsches Reifenpartner Dunlop.
Im konkreten Fall: einer der schärfsten 911. Der neue Motor und ein adaptiertes Fahrwerk kommen von Porsche, der entsprechende Reifen von den Zulieferern. Dunlop und Michelin rüsten den Facelift-GT3 aus. Die wichtigste Änderung steht als Kürzel am Spoiler: 4.0 statt 3.8. Anstelle des bisherigen Sechszylinders mit 475 PS sitzt im Heck nun ein 4,0-Liter-Sauger. Seine 500 PS lassen eine enge Verwandtschaft mit 911 R und GT3 RS vermuten.Tatsächlich ist aber das aktuelle Cup-Triebwerk aus dem Markenpokal die Basis. Plasmabeschichtungen an den Zylinderwänden sorgen für weniger Reibungsverlust. Außerdem wird der Motor standfester. Er bekommt größere Kurbelwellenlager und eine bessere Ölversorgung dank Bohrungen in der Welle. Der größte Unterschied findet sich im Zylinderkopf: Hier arbeitet ein starrer Ventiltrieb. Der Entfall von hydraulischen Tassenstößeln ermöglicht höhere Drehzahlen. Bis zu 9.000 Umdrehungen schafft der GT3, RS und R regeln einige hundert Umdrehungen früher ab.
Neben der Performance zählt die Fahrbarkeit
Doch in dieser Liga macht nicht das Datenblatt das Rennen. Rundenzeit-Fetischismus hilft dem Hersteller nur bedingt. Was nutzen Fabelzeiten der Werksfahrer, wenn die Käufer in der Fuchsröhre abfliegen? Entscheidend ist die Fahrbarkeit. „Das Auto soll schnell sein, möglichst lange neutral bleiben und, wenn man es wirklich übertreibt, eher zum untersteuern neigen“, nennt Kluck die Ziele der Abstimmungsarbeit. „Der Heckausbruch wäre viel schwieriger zu korrigieren, mit einer dauerhaft nervösen Hinterachse entsteht kein Vertrauen ins Auto.“
Konzeptbedingt ist der 911 benachteiligt. Der Heckmotor liefert beim Herausbeschleunigen am Kurvenausgang Traktion. Die bessere Gewichtsverteilung hat aber die Mittelmotor-Konkurrenz. Die Stuttgarter gleichen mit dem Setup aus. Wichtigster Ansatzpunkt? „Rund 80 Prozent unserer Testarbeit betrifft den Reifen", sagt Kluck.Bei Sportwagen mit ernsthaften Rundstrecken-Ambitionen sind das oft Super-Sportreifen, umgangssprachlich Semi-Slicks. Sie gelten als Sommerreifen, ähneln in ihrer Charakteristik aber Rennreifen. Mit allen Vor- und Nachteilen: Grundsätzlich gibt’s mehr Grip, der Grenzbereich ist schmaler. Die Pneus des GT3 wurden eigens für das Fahrzeug entwickelt. Auf dem Ergebnis der Zusammenarbeit – dem Sport Maxx Race 2 – rollen rund 50 Prozent der GT3 aus der Werkshalle. Für die zweite Hälfte dürfte Michelin zuständig sein. Mit zwei Zulieferern sichert sich der Hersteller gegen Ausfälle ab. Einst lieferte auch Pirelli, seit der Neuauflage des 997 im Jahr 2012 stand jedoch kein neuer GT3 auf italienischen Pneus.
Die GT3-Semislicks scheinen gutmütig
Zurück auf den Beifahrersitz: Den Heckausbruch beim Anbremsen auf die Aremberg-Kurve – eine lange Rechts bergab - korrigiert der Testfahrer nebenbei. Tatsächlich wirkt der Porsche trotz der Unzahl an Fahrbahnunebenheiten berechenbar, macht auch in der berüchtigten Sektion Fuchsröhre nichts Unerwartetes.
Dabei sind wir noch gar nicht in der aktuellen GT3-Variante unterwegs. Die offizielle Fahrvorstellung des gelifteten 911 GT3 steht erst an, davor lässt Porsche keine Journalisten ins Cockpit. Für uns schraubten die Entwickler deshalb die Dunlop-Semislicks des Neuen auf das ausgelaufene Modell. Das Facelift blieb in der Boxengasse stehen.
Das Heck des Elfers rutscht nur noch, wenn Kluck auf der Bremse einlenkt. Er kennt auf der Nordschleife jede Kuppe, jeden Curb. Bei Porsches Rekordversuch im 918 war er kaum langsamer als der kürzlich entthronte Bestzeithalter Marc Lieb. Doch der 44-jährige GT-Profi ist nicht nur wegen schnellen Rundenzeiten Teil der Serienentwicklung. „Du brauchst Leute mit detailliertem technischen Wissen, die schon viel erlebt haben“, meint Rennfahrer-Kollege Frank Stippler. Er ist an diesem Tag mit dem Phoenix-Team in der Nachbar-Box am Werk.
„Viele schnelle Fahrer haben von der Technik wenig Ahnung. Junge Talente stimmen ihre Autos außerdem oft so giftig ab, dass kaum ein anderer damit umgehen kann. Manchmal widersprechen theoretische Werte auch den subjektiven Fahreindrücken.“
Weißer Rauch in der Grünen Hölle: Die Runde endet mit Motorschaden
Auf dem GT3-Beifahrersitz sind die Fahreindrücke unterdessen überwältigend. Wir ziehen durch die schnelle Sektion Klostertal, rund 220 km/h zeigt der Digitaltacho. Jede Stelle der Nordschleife ist wellig, keine aber so wie das folgende Karussell: Aneinandergereihte Betonplatten ergeben eine leichte Steilkurve. Die am Kurvenausgang weit mehr Gaseinsatz verträgt, als erwartet.Kluck wählt im GT3 oft die direkte Linie. Kompakte Hot-Hatches holen aus, kämpfen um jedes Bisschen Schwung. Mit dem Porsche scheint das späte Bremsen bis weit in die Kurve hinein die bessere Wahl zu sein. Punch für die nächste Gerade ist ja schließlich vorhanden.
Wir kommen auf das längste gerade Stück der Nordschleife, die Döttinger Höhe. Schon weit vor dem schnellen Links-Knick unter der Bilsteinbrücke geht Timo Kluck vom Gas. Was ist los? Geht die nicht voll? „Fehlermeldung“, sagt Timo. Und der Bordcomputer irrt sich nicht. Auf Höhe Start/Ziel dankt der GT3 ab: Motorschaden.
Da werden sich Nordschleife und Vatikan dann noch ein bisschen ähnlicher: Aus dem Motorraum unseres Test-Porsches von 2015 steigt weißer Rauch auf. Wie nach der Papstwahl – habemus novum GT3, der neue Elfer steht schon gegenüber in der Boxengasse.
Die Bildunterschrift von Bild 8 würde ich nochmals überdenken. Der GT3 RS, der wesentlich früher als der R kam hatte bereits einen 4.0L Motor. Insofern war da der 911 R sicherlich kein Vorbote.
...wie Motorschaden, einfach so 😱? Dann also lieber keinen Porsche kaufen.
Man stelle sich vor ein ausländisches Fabrikat oder gar ein Tesla hätte während er etwas härter rangenommen wurde so sein Leben ausgehaucht....Das Fazit wäre desaströs!
der Gedanke kam mir auch. Das ist aber keine gute Werbung, wenn der Wagen, der ja auch irgendwie dafür gebaut ist, mit einem Motorschaden aufgibt...
wer einen Porsche 911 will und sich das leisten kann, wird sich von einem Motorschaden eines Testfahrzeugs nicht abhalten lassen. Am Ende des Tages gibt es kein Substitut....
Vielleicht wird deshalb "getestet", um in Serienfahrzeugen die Schwächen zu eliminieren? Könnte das möglich sein?
Motorschäden kann und wird es immer geben, davon ist kein Hersteller ausgenommen, aber im Gegensatz zu anderen Sportwagenherstellern, hält sich das bei Porsche doch sehr in Grenzen, zudem sind viele Porsche, auch Fahrzeuge mit exorbitanten Laufleistungen mit dem 1 Motor unterwegs.
Ich glaube wohl kaum, dass dies einen Porschekunden zukünftig abhält, sich einen Porsche zu kaufen. Mich zumindestens nicht, zumal es für mich persönlich keine Alternative gibt.
Schöner Artikel. Gefällt.😊
Motorschaden? Pah. Sicherlich "Bedauerlicher Einzelfall" aber ganz sicher nicht "Stand der Technik"😉😎
Shit happens... 😆
Starrer Ventiltrieb gut&schön für paar 100 Umdrehungen mehr aber das bedeutet jetzt Ventilspiel per Hand einstellen?
In der Theorie: Ja.
In der Praxis... hat man oft gesehen, dass es Porsche mit dem Testen vielleicht nicht ganz so Ernst nimmt.
Ventilspiel kontrollieren, einstellen muss man bestimmt selten 😉 - was ich auch deutlich besser finde, den Hydrostössel sind nach meiner Meinung einfach nur Mist.
Eeeks!
Beim ersten Bild dachte ich fast an einen VW Beetle!
Unvorteilhaft aufgenommenes Bild.
Fast so, als würde man einen dicken Menschen von schräg unten fotografieren...
Bei Boxster (986) und 911 (996 und 997) hat man ja gesehen, dass die Gefahr einen Motorschaden bei den dort eingesetzten Motor-Fehlkonstruktionen zu erleiden die Käufer nicht abgehalten hat.
Im Gegenteil, es beflügelte Sie tatsächlich sogar immer mehr zu kaufen und so Porsche einen Sportwagen-Absatzrekord nach dem anderen zu schenken...