Geschichte: Kombis ab 1945
So hat sich der Kombi in Europa verwandelt
Am Anfang fehlte es sogar am Blech, um sie zu bauen. Dann wurden Europas Kombis im Laufe der Jahrzehnte immer schicker - und erhielten den gleichen Rang wie Limousinen.
Von Arild Eichbaum
Europa nach 1945: Wer etwas zu transportieren hatte, nutzte einen Transporter, ein Lastendreirad oder gar einen Handkarren. Kombis? Der verbliebenen Automobilindustrie fehlte es an allem, unter anderem an Stahlblech. Zwar waren aus den USA Woodies bekannt, hölzerne Kombihecks auf biederen Limousinen.
Doch wie in Amerika waren sie anfällig gegen Witterung und Schädlingsbefall sowie teuer und unwirtschaftlich in der Herstellung. In größerer Menge fertigte Morris ab 1952 den Minor Traveller und den Oxford Traveller. Es folgte der Mini Clubman. Auch andere Klein- und Kompaktwagen bekamen einen Rucksack aufgesetzt, ab Mitte der 1950er meist stählern und nicht mehr hölzern. Das war bei den Italienern nicht anders: Fiat 500 Giardinera und Autobianchi Panorama kamen 1957 direkt mit stählernem Aufbau.
Citroën beeindruckte 1955 mit einem Auto aus der Zukunft, der ID/DS. Und dann erneut 1958, als der futuristischen Limousine ein futuristischer Kombi zur Seite gestellt wurde. Bis zu drei Sitzreihen mit acht oder neun Plätzen und die horizontal nach amerikanischem Vorbild geteilte Heckklappe - das war neu in Europa. Erheblich konservativer fielen die Rivalen von Peugeot, Renault und Simca aus.
Deutschland: Nur für Handwerker
Konservativ und bieder ging es auch im Wirtschaftswunder-Deutschland zu: Wer es zu Wohlstand gebracht hatte, fuhr privat keinen Kombi. Mit einem solchen Nutzfahrzeug erwirtschaftete man allenfalls das nötige Geld für Limousinen und Sportwagen. So die lange Zeit gültige Volksmeinung.Östlich des eisernen Vorhangs standen die kleinen Trabants, die größeren Wartburgs, Moskwitschs, Dacias und Ladas sowie die noch größeren Wolgas ebenfalls mit großer Heckklappe bereit. Gekauft wurde mangels wirklicher Alternativen das, was gerade vorhanden war. Für mobile Standesdünkel war da kaum Platz – Hauptsache ein Auto. Wenn das nun ein geräumig-praktischer Kombi war, konnte sich dieser Umstand in vielen Situationen sehr hilfreich auswirken.
Trotzdem: Käuflich waren sie, die Kombis. Ford und Opel hatten seit 1950 respektive 1953 Kombis im Programm. Sie standen stets im Ruf, Handwerker- und Unternehmerautos zu sein. Farbeimer, Leiter und Tapeziertisch rein, ab zum Kunden. Oder zum Großmarkt, halbe Schweine abholen. Erschwerend kam hinzu, dass beide Hersteller mit Erfolg Lieferwagen-Ausführungen mit voll verblechten Flanken anboten. Wer fährt dann schon einen Lieferwagen mit Fenstern?
VW-Fahrer waren ab 1962 froh darüber, denn das Ladevolumen im Typ 3 ließ abseits des Variant arg zu wünschen übrig. Da half es auch nicht, dass zwei kleine Kofferräume zur Verfügung standen, wenn man eigentlich einen größeren brauchte. Und so liefen bis 1973 1.339.124 Stufenhecks und Fließhecks sowie 1.202.935 Variants vom Band. Eine solche Gewichtung hatte es bisher nirgendwo gegeben, die Limousinen waren sonst weit deutlicher in der Überzahl. Beim Passat als Typ-3-Ablösung verhielt es sich nicht anders, die Kunden hatten Lust auf mehr Platz bekommen.
Volvo macht den Kombi attraktiv
Auch Volvo trug zum verbesserten Renommee des Kombis bei, galten die schwedischen Wagen doch seit Ende der 50er mit der Einführung des Sicherheitsgurts als besonders sicher. Das traf auf die Amazon-Stufenhecks wie die Kombis mit zweigeteilter Klappe zu, ebenso auf deren legendäre Nachfolger der 100er- und 200er-Reihe.
Als sicher geltende Autos baute neben Volvo auch Knautschzonen-Pionier Mercedes-Benz, doch passten Premium-Anspruch und Handwerker-Image nach Meinung der Chefetage noch nicht zusammen. Wer seinen /8 unbedingt als Kombi wünschte, hatte einen der hierzu lizenzierten Karosseriebauer aufzusuchen.Erst mit dem T-Modell S123 von 1978 gab es einen Kombi ab Werk, an dem nichts provisorisch war sondern alles so solide, so durchdacht und vor allem so edel wie in der Limousine oder dem Coupé. Derlei mit Coupé und Limousine gleichrangiges Ambiente in einem Kombi war in Europa bis dato unbekannt. Ford und Opel beispielsweise hatten die Topausstattungen Berlina respektive Ghia in der oberen Mittelklasse ihren Stufenheckmodellen vorbehalten.
Auch Citroën bot den CX Break nicht im eleganten Pallas- und Prestige-Trimm an. Erst mit dem Ritterschlag aus Stuttgart wurde der Kombi aus Sicht vieler zum vollwertigen Auto, mit dem man sich keineswegs schämen musste. Ford erkannte den Trend und lancierte 1980 das edel aufgemachte Granada Turnier-Sondermodell „Chasseur“, Opel hatte bereits Anfang der 70er mit dem wesentlich kleineren Ascona Caravan Voyage im US-Stil mit reichlich Holzfolie auf der Karosserie einen Akzent gesetzt.
Die 80er werden edler
Lancia sprach wählerische Kunden erstmalig 1984 mit einem echten Kombi, dem Thema SW an. BMW haderte mit dem 3er-Touring noch bis Herbst 1987, während Audi und Volvo zwar gut gemachte Autos, aber noch längst nicht das heutige Prestige boten. Darauf waren aber beide Hersteller aus. So brachte Audi nach dem eher ignorierten 100 Avant C2-Schrägheck den sehr gefälligen 100 Avant C3 mit wesentlich klarerer Positionierung als Kombi, Volvo ab 1991 den sehr erfolgreichen 850.
Elegante Innenräume, hohe Verarbeitungsqualität, technische Finessen wie Allradantrieb oder kraftvolle Turbobenziner halfen beim Aufstieg ins automobile Oberhaus gewaltig, das stellte man in Ingolstadt wie in Göteborg fest. Außerdem wäre es fatal, anspruchsvolle Kunden mit Transportbedarf zu einer anderen Marke schicken zu müssen.
Damit waren die letzten Bedenken gefallen, feinste Schnelltransporter mussten her. Von heute auf morgen erfolgte dieses Umdenken nicht. BMW war mit dem 5er-Touring 1992 schnell mit von der Partie, Saab entschloss sich nach diversen Kombi-Coupés 1999 zu einem vollwertigen 9-5 Kombi. Gleichfalls als Lifestyle-Laster für verwöhnte Kunden trat 1998 der Lancia Kappa SW an, ebenso 2000 der Alfa Romeo 156 Sportwagon.
Jaguar hatte in den 80ern anlässlich der Leyland-Pleite ganz andere Sorgen und brachte erst 2004 den X-Type auf Mondeo-Basis. Damals eine beachtliche Neuerung, vergleichbar mit der kürzlichen Meldung „Aston-Martin bringt 2019 ein SUV!“ Konkurrenzlos war der Kombi, ob nun in Kaviar- oder Sparmenü-Ausführung, da aber schon lange nicht mehr. Vans und SUVs machten ihm speziell in den USA schwer zu schaffen. Auch in Europa ist die Attraktivität dieser Rivalen unzweifelhaft festzustellen, doch werden Kompakt- und Mittelklasse-Modelle vorerst kaum ohne die geräumige Alternative zur Limousine auskommen.
Gibt nichts schrecklicheres als einen Kombi. Lieber gleich ein SUV. Trotzdem wird der Fahr- und Geräuschkomfort einer Limousine immer unerreicht bleiben. Gerade für Fondpassagiere ist ein zur Kabine offener Gepäckraum eine Zumutung.
Hoffentlich werden bald SUV Limousinen (siehe Maybach Vision Luxury) umgesetzt. Dann kann man die Vorteile eines SUV und einer Limousine gleichzeitig haben. Inkl. Executive Seats im Fond für die Kids.
Die Limo sieht meiner Meinung nach immer schlechter aus, als der dazu gehörige Kombi.
Nach dem Q7 kommt bei mir auch wieder ein A6 Avant.
Weis nicht was du mit der Geräuschkulisse im Kombi meinst?
Man gut, dass Geschmäcker verschieden sind. Es gibt nichts schrecklicheres als ein SUV. 😊
Es gibt nichts schreckliches als Limousinen, sei es in der Optik sowie die Gepäckmöglichkeit *kotz*
Einzig der CW-Wert punktet... Toll!
Wenn man nur Kombis aus dem letzten Jahrtausend kennt mag das stimmen....
Einmal Kombi immer Kombi...ich möchte nicht mehr ohne😊
Das kann man so und so sehen. Es gibt hässliche Kombis und auch hässliche Limousinen, wo jeweils das andere Modell viel gelungener ist.
Praktischer ist ein Kombi natürlich immer und es gibt immer Situationen, wo selbst ein Fließheck zu klein ist. So simple Sachen wie ein Kühlschrank oder Herd passt in der Regel nur in einen Kombi oder Steilheck. Da ist eine E-Klasse trotz riesiger Ausmaße unbrauchbar.
Andererseits ist eine Limousine etwas leiser, man kann bessere Soundsysteme verbauen und die Federung ist oft auch etwas komfortabler, weil die maximale Zuladung begrenzt ist.
Daher fahre ich nach einiger Zeit Kompaktklasse nun meine dritte Limousine und werde das auch so beibehalten. Muss ich mal was großes transportieren, nehme ich das familiäre SUV.
Ich weiß nicht wie es bei anderen ist aber ich hasse nichts mehr als hoch zu sitzen beim Autofahren. Da kommt immer dieses Bus feeling auf, nein danke. Der Cayenne ist da keine Ausnahme, meine Schwägerin hat einen bedingt durch ihre Scheidung. Sie fährt trotzdem lieber mit der E-Klasse T rum.
Und von welcher Geräuschkulisse sprichst du beim Kombi? Also meiner ist absolut top was Fahrgeräusche angeht, auch von den hinteren Reihen bekomm ich immer wieder zu hören wie leise der Wagen doch ist.
Also versteh ich dich richtig, dein Cayenne II Turbo ist für deine Passagiere im Fond eine Zumutung? Und dein SLK demnach nicht?
So ist es !
Streitpunkt Fahrzeugkonzept. Interessant dabei ist immer die Begründung. Besonders wenn sie so theatralisch und aufgesetzt ist. So nach dem Motto: Der hat weiß gesagt, so sage ich schwarz und setze gleich noch einen drauf. Wer's braucht...
Nur Limo oder Coupe. Auf keinen Fall Kombi, mit so einem Pampersbomber, Vertreter-, Handwerker, HundedurchdieGegendfahrschleuder fahr ich nicht rum. Dann lieber gleich einen richtigen VAN mit echtem Mehrwert, wie Schiebetüren - kleiner Schlafgelegenheit und nicht, den ach so praktischen LifeStyleKombi, der in meinen Augen nicht Fisch und nicht Fleisch ist.
Naja wie viele Vans haben noch Schiebetüren??? C-Max läuft jetzt aus...
Und so was wie ein "Kastenwagen" kommt mir nicht ins Haus, ganz gleich wie viel Platz die haben... Busse sind auch nicht wirklich meins...
Bleiben also nur Sharan/Alhambra oder hab ich was übersehen?
Moin, ihr "Glaubenskrieger",
für mich stand schon in der späten Jugend fest, daß ein klassisches Stufenheckmodell im Prinzip (mindestens) 1,5 Kubikmeter ungenutzen Luftraum oberhalb des Kofferraumdeckels verschwendet. Die heute so beliebten Pickups maximieren diesen Wert noch weiter.
Sicher kam diese Einstellung auch aus den R16, die mein Vater in den 70ern hatte, auch wenn der ja ein Zwitter zwischen den Welten war, wie ihre Nachfolger R20 und R25. Aber irgendwann hatte es dann auch bei ihn vollständig "geklickt" und sein letztes Auto war ein Laguna Kombi ...
Als Student hatte ich nach dem Käfer (Hauptsache Auto ...) 2 R4, dann ging die Transportraumevolution über Kadett E Caravan, Passat Variant und Chrysler Voyager bis hin zum T4 - und nach dessen Hinscheiden im "zarten Alter" von 19 Jahren und 550tkm jetzt wieder eine Stufe zurück zum Caddy.
Die heute überwiegend zu sehenden "Lifestyle-Kombis", die mit dem BMW 3er (sogar vorher schon mit dem 2002ti) und dem Audi A4 "erfunden" wurden, aber mittlerweile auch Golf/Leon/Octavia/Focus/Insignia/Astra, sind in meinen Augen auch schon wieder suboptimal unpraktisch, da die Rückseite nicht transportoptimiert steil genug ist. Es reicht doch, daß bei mehr als 2 Insassen ein Schrank nicht die gesamte Fläche des Laderaums ausnutzen kann, weil da die schräge Rücklehne stört - da muß er doch wenigstens bin an die Heckklappe heran reichen dürfen, anstatt wegen der schrägen Scheibe 20 cm kürzer sein zu müssen.
Die Ära der "Steilhecklimusinen" ist wohl mit dem Omega und Volvo 850 zu Ende gegangen.