Suzuki Swift Hayabusa: Fahrbericht

Susi, lass den Turbo kreiseln

Timo Friedmann

verfasst am Fri Aug 29 18:00:41 CEST 2014

720 Kilo, 330 PS. Dieser Suzuki Swift Hayabusa fährt entschieden wilder als er aussieht. Allein, sein Drang zum Kreiseln lässt den Autor schwitzen bis das Blut dampft.

MOTOR-TALK-Redakteur Timo Friedmann wird gleich erfahren: Eine Fahrt im Suzuki Swift Hayabusa-Prototyp ist ein schrecklich-schönes Erlebnis
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis

Klettwitz – Hayabusa, das klingt wie die japanische Variante des heimischen Hatschi. Wobei Suzuki auf solche Kalauer eher verschnupft reagiert. Tatsächlich steht Hayabusa für Wanderfalke und den weltweit schnellsten Serienplastikbecher. 197 PS stark, mehr als 300 km/h schnell.

So steht die Hayabusa für unbändige Kraft, für Testosteron. Sie balanciert auf der Klippe zwischen Mut und Leichtsinn, Männlichkeit und Tod. Das weiß jeder, der die 300er-Marke nur mal im Auto geknackt hat. Suzukis Super-Motorrad steht damit für all das, wofür die Autos von Suzuki nicht stehen. Die kleinen Braven oder großen Vernünftigen.

Ein bisschen Wildheit schadet uns nicht, dachten deshalb ein paar deutsche Suzukianer anno 2012 auf der Automesse in Leipzig. Und stießen ein Projekt an, wie es selten eines gab. Die Verschmelzung des Swift-Pkw mit dem Herzstück des Hayabusa-Motorrads. Unter der kundigen Hand des Kfz-Meisters, Rallye-Profis und Ur-Bayern Niki Schelle entstand ein einzigartiger fahrender Turbo-Kreisel-Japaner.

400 Kilo unter der Serie

Das Herz eines Motorrads im Swift-Heck: Der Hayabusa fährt theoretisch genauso schnell vorwärts wie rückwärts, wenn der Fahrer sich traut
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Das, was jetzt rollt, ist genial. Den zahmen 1,6er-136PS-Vierzylinder des Swift tauschte Schelle gegen einen auf 330 PS gepuschten 1,3er-Hayabusa-Turbo-Motor. Der treibt ganz rallyelike die Hinterräder des ehemaligen Fronttrieblers an.

Und weil die Rückbank eh schon draußen war, räumte das Team auch sonst alles aus dem Karren, was nicht dem Vortrieb dient. Stattdessen kamen rein: Rennschalensitze mit Sechs-Punkt-Gurt und Gitterrohrkäfig. Ergibt ein Renngewicht von 720 Kilo statt 1.150 Kilo.

Geschaltet wird mittels einer komplizierten Konstruktion über Knöpfe am Lenkrad. Das sequenzielle Sechsgang-Getriebe stammt aus dem Motorrad und zickte am Anfang gewaltig. Auch die Kupplung verrauchte unter der Last mehr als einmal.

Doch fertig ist so ein fahrender, rasender Prototyp ohnehin nie. Allein die einzige Belüftungsmöglichkeit für die Insassen, zwei aufschiebbare Fensterchen in den Seitenscheiben, wurde erst im Hochsommer eingebaut. Als selbst der härteste Bayer merkte: Du kannst mit dem Ding nicht fahren, wenn Du nach zwei Kilometern medium gegart und nach 10 Kilometern well done bist.

Zittern und weinen

Also rein in die Kiste, ersten Gang einlegen (unterhalb des Leerlaufs, wie Biker wissen) und los. Schreiend laut fährt der Swift los. Wie ein Monster in der lautlosen Abgeschiedenheit des Lausitzrings. Wie eine Rockband im Schützengraben. Es rattert, es donnert, es kreischt und hämmert. Kein TÜV der Welt... egal, vergessen, Fuß aufs Gas.

MT-Redakteur Timo am Steuer des komplett entkernten 330-PS-Swift
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Eng liegen die drei Pedale beieinander, nach links versetzt, und eindeutig für Schuhgröße 36 optimiert. Gebannt vom eigenen Tun erzieht das Auto den Fahrer zur Demut. Bei 3.000 Umdrehungen rolle ich auf die erste Kurve zu. Das Tempo ist mild, aber der Motor schreit, als sei der Drehzahlmesser im Urlaub. Wie wird das erst auf der Geraden?

Laut, viel lauter, viel, viel lauter als alles, was ich je bewegt habe. Der Hayabusa-Vierzylinder lässt Trommelfelle erst zittern, und dann weinen. Aber das Herz lacht, es hüpft vor Freude, immer weiter mit steigender Drehzahl.

Bei 7.000 Umdrehungen kommt der dickste Leistungsschub, bei 8.000 Umdrehungen verschlingt Dich ein Orkan aus Geschwindigkeit und Geschrei. Er reißt Dich mit und Du haderst und kämpfst, weil die nächste Kurve naht. Du rast auf sie zu, und willst das Gaspedal trotzdem treten, wie dieser Kick, den Dir das Tempo ins Gehirn schießen lässt.

Wo, verdammt, ist jetzt das Bremspedal? Und warum hat dieser einstige Großserien-Biedermann zwar Rennbremsbeläge, aber keinen Bremskraftverstärker. Gewalt muss sein, bis zur Grenze der Haftbarkeit, denn ABS oder ESP kennt dieser Wagen nicht, aber das Gesetz des Kreiselns sehr wohl. Mit schweißnassen Händen lenke ich den Hayabusa-Swift um die Kurven. 14 gibt es auf dieser Strecke, und in jeder zerrt das Heck an meinen Nerven.

Wir drehen uns im Kreis

Im Heck des Einzelstücks steckt der Motor des Hochleistungs-Motorrads Hayabusa. Zusätzlich gewürzt mit Turboaufladung
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Ein Sperrdifferenzial hilft, die Kraft besser zu verteilen. Als Reifen dienen normale Continental Sport Contact. Nie zuvor bin ich ein Auto gefahren, das lieber Zirkellinien zieht als Geraden. Dieses Heck kann unter Nikis Händen driften. Aber viel leichtfüßiger zieht es Kreise wie ein Wolf um die Schafherde.

Aus einem 136-PS-Fronttriebler macht keiner einen artigen 330-PS-Hecktriebler. Auch, weil das Gewicht sich vermeintlich im Verhältnis 40:60 verteilt. Das eigene Popometer tendiert bei der Beurteilung eher zu einer 25:75.

In vier bis fünf Sekunden geht es von Null auf 100 km/h. Ganz genau kann ich das nicht sagen, denn der Tacho ist außer Funktion. Er verträgt sich nicht mit der Sprache des Hayabusa-Steuergerätes.

Statt der legendären 300 km/h des herzspendenden Zweirads sind hier nur 190 km/h möglich. Wer das liest ahnt, wie kurz und knackig die Gänge übersetzt sind und mit welchen Schwierigkeiten der Lenker noch zu kämpfen hat. Außer den Fliehkräften.

Schwitzen für 60.000 Euro

Da wäre in jedem Fall noch die Temperatur zu erwähnen. Der Kühlkreislauf läuft wohl, aber mehr auch nicht. Rund 65 Prozent der Leistung des Motors stauen sich als Abwärme im Innern des Autos. Die Blechwand zwischen Fahrerkabine und Motorraum trennt bei Grad Celsius nicht so genau.

Oder, mit den Worten von Niki Schelle: „Fahren geht ganz gut, da kommt genug Luft an den Motor.“ Im Umkehrschluss bedeutet das: Stehen, bei laufendem Motor, treibt den Schweiß aus den Poren und in die Klamotten. Das nasse Höschen stellt sich nach 15 Kilometern oder drei Rennrunden ein.

60.000 Euro hat der Spaß Suzuki bislang gekostet, die unzähligen schlaflosen Nächte des Herrn Schelle nicht mitgerechnet. Aber gelohnt hat es sich. Weil noch kein Suzuki auf vier Rädern das Blut dermaßen bewegt hat.

Technische Daten: Suzuki Swift Hayabusa

  • Motor: 1,3-Liter-Turbo-Vierzylinder
  • Leistung: 330 PS (243 KW)
  • max. Drehmoment: 243 Nm bei 7.500 U/min
  • Getriebe: sequenzielles Sechs-Gang-Getriebe
  • Beschleunigung 0-100 km/h: ca. 4 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 190 km/h
  • Länge x Breite x Höhe in m: 3,85 x 1,70 x 1,53
  • Gewicht: 720 kg
  • Verbrauch: völlig egal
  • CO2-Emissionen: spielt bei diesem Einzelstück keine Rolle
  • Kofferraum: hat er nicht
  • Aufbaukosten: rund 60.000 Euro

Der Rallye-Fahrer Niki Schelle rupfte alles, was nicht zum Fahren gebraucht wird, aus dem japanischen Kleinwagen heraus
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Im Heck des Einzelstücks steckt der Motor des Hochleistungs-Motorrads Hayabusa. Zusätzlich gewürzt mit Turboaufladung
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Drei schnelle Swift auf dem Lausitzring: Swift GTi (1987), Swift Hayabusa, Swift Sport
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Während der Hayabusa ein Einzelstück ist, fahren die anderen beiden im Serientrimm
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
MT-Redakteur Timo am Steuer des komplett entkernten 330-PS-Swift
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Das Herz eines Motorrads im Swift-Heck: Der Hayabusa fährt theoretisch genauso schnell vorwärts wie rückwärts, wenn der Fahrer sich traut
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Das Getriebe wurde von ZCars speziell modifiziert
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Suzuki Swift Hayabusa: Cockpit
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Niki Schelle schwitzt in seinem kreiseldrehenden Ungetüm
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Nur das Nötigste an Schaltern auf der Mittelkonsole des Suzuki Swift Hayabusa
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Suzuki Swift Hayabusa: Cockpit
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Suzuki Swift Hayabusa: Die Pedale stehen eng zusammen
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Die Kommunikation zwischen Hayabusa-Steuergerät und Swift-Tacho klappt noch nicht so richtig
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Die Türverkleidung wurde deutlich abgespeckt
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Die Lufthutze im Dach hat vor allem die Funktion, den Motor zu kühlen
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Suzuki Swift Hayabusa: Cockpit
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Suzuki Swift Hayabusa: Lenkrad
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Suzuki Swift Hayabusa: Sechspunktgurte statt Sitzkomfort
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Wer hinein will, muss erst am Gitterrohrkäfig vorbei
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Suzuki Swift Hayabusa
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Suzuki Swift Hayabusa: Heck
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Suzuki Swift Hayabusa: Abgasrohr
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Nach der Fahrt: Heckklappe auf, Motor kühlen
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis
Auf nasser Bahn wird die Kreiselanfälligkeit des brutalen Zwergs noch stärker
Quelle: Suzuki/Christoph Michaelis