Land Rover Experience Tour 2015 in Australien
Tausend Kilometer ohne Gegenverkehr
Es gibt Orte, da gibt es nichts außer Staub, Sand und giftigen Spinnen, dachten wir. Dann fuhren wir mit der Land Rover Experience Tour hin. Und fanden viel, viel mehr.
Ayers Rock/Australien – Tag eins: Dass etwas kaputt gehen würde, war klar. Aber dass es gleich so viel sein muss? Es ist der erste Abend auf der dritten Etappe der Land Rover Experience Tour 2015. Viel zu spät haben wir den heutigen Platz für das Nachtlager erreicht und die Land-Rover-Crew zieht Bilanz: Ein gutes Dutzend platte Reifen, abgerissene Kotflügel- und Schweller-Verkleidungen und vier demolierte linke Außenspiegel. Festland-Europäer entwickeln einen kaum zu überwindenden Linksdrall, wenn sie in einem Rechtslenker sitzen. Gefährlich, bei den eng am Wegesrand stehenden Büschen und steinharten Termitenhügeln hier im Outback.
Doch mindestens zwei Teilnehmer haben ihre Lektion gelernt. Sollten sie wirklich nochmal in die Situation kommen, mit einem Land Rover Discovery Sport durch das australische Outback zu fahren, sie werden ihren Außenspiegel hüten wie James Cook die Wasservorräte auf der Endeavour. Ihr Spiegel und der enthaltene Temperaturfühler für die Klimaautomatik verabschiedeten sich komplett. Der Computer misst dann minus 40 Grad Celsius, wo 46 herrschen – und beginnt zu heizen.Kein Scheiß?, frage ich Tour-Mechaniker Frank. Die Klima spielt verrückt, wenn ich den Spiegel verliere? Kein Scheiß. Ich verdrücke mich und wickele noch ein paar Lagen Duct-Tape um das Elend, das an unserem Disco Sport baumelt. Dann versuche ich die Rationsdose „XXXX“ und den unfassbaren Sternenhimmel zu genießen. Doch 375 Milliliter dünnes australisches Bier verdunsten auf einem heißen Stein schneller als ein Tropfen Wasser. Die Sterne dagegen beschäftigen mich und viele andere im Lager bis zum frühen Morgen.
Tag zwei: Erinnerungen an die Geisterstadt
Die dritte Etappe der Tour startete in Balgo, einem Aborigine-Dorf mitten im roten Nirgendwo. Geschätzte 350 Menschen wohnen dort. Ein Tag und 170 Kilometer trennen uns jetzt davon. Doch als die rund 50 Teilnehmer der Tour an diesem Morgen in ihren Zelten aufwachen, fühlt es sich an, als wären wir in einer anderen Dimension.
Die letzten Anzeichen von Zivilisation waren ein paar verlassene Autowracks und die Geisterstadt Yagga Yagga. Für einen Großstadt-Europäer gibt es nichts Seltsameres als den Anblick eines verlassenen Spielplatzes. Offene Haustüren quietschten leise im Wind und vor der ehemaligen Dorf-Werkstatt verrottet ein Differential. In Western Australia gibt es mehr als 85 solcher Geisterstädte - die Zivilisation kann sich nicht überall halten.
Für die heutigen 250 Kilometer benötigen mein Mitfahrer Willy und ich mehr als zehn Stunden. Der 180-PS-Diesel in unserem Disco Sport ackert den ganzen Tag und schluckt mehr als zehn Liter. Trotzdem fahren wir selten schneller als 50 km/h. Und wenn, dann bin ich es, der verzweifelt Gas gibt. Gibt es hier überhaupt ein Ziel? Nach der ersten Faszination kommt die Eintönigkeit. Kurven gibt es kaum, für gefühlte Stunden geht es geradeaus. Die kleinste Veränderung wird vom Gehirn groß gefeiert. Plötzlich ein paar Bäume, dann wieder Kilometer lang nur Buschgras - und im Grunde nichts als rote Erde.
Es ist eine Monotonie, wie ich sie nicht kannte. Bizarr und langweilig, aber darin auch beruhigend und wunderbar. In Zeiten der dauernden Digital-Verfügbarkeit ist das ein Gegenschnitt zu dem Leben in Berlin, der berührt und begeistert. Aufgelockert wird die wunderbare Eintönigkeit durch Reifenplatzer oder bis zur Türkante im Sand eingegrabene Discovery Sport. Erschreckend, wie gestandene Autojournalisten und langjährige Autofahrer an etwas rotem Sand scheitern. Statt mit Schwung darüber zu gleiten, wird angehalten und ordentlich im Dreck gewühlt. Das setzt den stärksten Landy fest.Die Leute von der Experience-Crew kommen dann mit ihren Discovery 4 zu Hilfe und verteilen tröstende Worte, Schaufeln oder neue Reifen. Während die sechs deutschen Tour-Gewinner eifrig Reifen flicken und Autos ausbuddeln, parken bei manchem Kollegen Schreiberling die Hände in den Taschen. Ich packe mit an und frage mich: Werden wir unsere Zelte je im Hellen aufbauen?
Nein. Im Dunkeln erreichen wir das Tagesziel, den Salzsee Lake Mackay. Im Licht der Zusatz-Scheinwerfer schlagen wir das Lager auf. Der Tourarzt meint es gut, als er erklärt, dass es hier zwar „die ganzen guten Sachen“, wie den westlichen Taipan oder die Braunschlange gebe, diese sich aber ob unseres Lärms längst verdrückt hätten. Beunruhigen kann das nur einen kleinen italienischen Chefredakteur, alle anderen sind zu müde für Angst.
Tag drei: Sterbende Kulturen
Aufregung im Auto am dritten Tag: Ist das etwa Gegenverkehr? Ein waschechter Road-Train? Wir sind kurzzeitig auf einer „Straße“ unterwegs, die das zulassen würde. Auf der breiten Schotterpiste, würde die Begegnung mit einem solchen Schwerlasttransport eine Zwangspause von mehreren Minuten bedeuten. So viel Staub wirbeln die auf. Über das Funkgerät in unserem Auto bekommen wir Entwarnung. Der Road-Train parkt – und er ist läppische 30 Meter lang.
Es wäre auch zu viel Aufregung an einem Tag gewesen. Zwei Tankstopps absolvieren wir heute in den Aborigine-Siedlungen Kiwirkurra und Kintore. Der Anblick in den Dörfern ist immer der gleiche. In den Vorgärten der blechernen Hütten liegt Müll. Die Autos der Aborigines sind manchmal bunt bemalt. Oft sind es alte Holden Commodore (der australische Opel Omega). Fast immer sind die Scheiben kaputt, Türen eingedellt und die Reifen abgefahren. Sie haben keinen Sinn für materielle Dinge, sagt „John John“ Stafford, unser Buschexperte aus Alice Springs. Die zurückgelassenen Wracks im Busch stammen allesamt von ihnen.
In Kiwirkurra sitzen einige der australischen Ureinwohner vor dem örtlichen Lädchen und rauchen. Trinken dürfen sie hier nicht mehr. Seit den Aborigines das öde Land zurückgegeben wurde, haben sie sich strenge Vorschriften auferlegt, um sich selbst zu schützen. Allein für die dritte Etappe mussten die Planer der Land Rover Experience Tour drei sogenannte „Permits“ einholen, die uns erlauben, das Aborigine-Land zu passieren.Retten kann das die uralte Kultur nicht. 1984 wurde der letzte der eigentlich nomadisch lebenden Stämme sesshaft. Seitdem leben die Aborigines vor allem von der Vermarktung ihrer traditionellen Kunst. Von Bildern, deren Bedeutung nur noch für wenige Eingeweihte besteht. Am Abend bringt es einer der Teilnehmer auf den traurigen Punkt: „Wir haben wahrscheinlich die letzten Überreste einer sterbenden Kultur gesehen“.
Tag vier: Neues Terrain
Das mit den Duschen ist nun ein Running-Gag der Crew, klärt uns einer der deutschen Experience-Gewinner auf. „Das erzählen sie alle paar Tage mal“. Eigentlich hätte es am Lager des dritten Tages eine Erfrischung geben sollen. Das Gesicht brennt mittlerweile von Staub, Schweiß und zu viel Sonnencreme. Ein bisschen Wasser aus einer Pumpe muss als Wäsche am Morgen des vierten Tages reichen.
Drei Tage schleppten wir uns mit Durchschnittgeschwindigkeiten von 25 km/h ohne jeden Gegenverkehr durch den Busch. Dann, am Mittag des vierten Tages, werden die Wege plötzlich breiter. Wir befinden uns jetzt auf einer Schotterpiste, die sogar in der Karte meines - zugegebenermaßen erstklassigen - Reiseführers verzeichnet ist. Nur wenig später knarzt das Kenwood-Funkgerät und am Horizont nähert sich eine Staubwolke. Tatsächlich. Nach fast genau 1.000 Kilometern: ein schneeweißer Toyota Land Cruiser.Die verbleibenden 272 Kilometer werden zum Katzensprung. Es folgen weitere Autos, unter ihnen eine Aborigine-Familie mit Panne und schließlich: Asphalt. Unterfahrschutz, Reifendruckkontrolle, Zusatzscheinwerfer, Dachgepäckträger und Zelte - das alles scheint plötzlich sinnlos, während wir auf den am Horizont erscheinenden Ayers Rock zufahren. Für viele ist der riesige Felsklumpen das große Finale, das Ende, das Symbol der Tour. Für mich war es der Toyota.
Eine Übersicht mit Karte zur Land Rover Experience Tour 2015 findet Ihr auf dieser Seite. Die dritte Etappe begann am 2. und endete am 5. November.
Hallo MT.
Ein sehr schöner Artikel. Schön geschrieben. Schöne Story. Schönes Land. Da gibt es nix zu meckern.
Sowas würde ich auch gern mal machen. Kostet bestimmt 1 oder 2€. -- je Minute. LOL.
Das der Fühler der Klima im Spiegel ist? Das ist schon lustig. Die Idee von LR war bestimmt gut gemeint.
Gruss
W.
alles rein in die außenspiegel.... maximale kosten bei minimalem nutzen....
Gegen Gegenverkehr hätte ich nichts, aber wenigstens keine Schleicher vor einem im Outback :-))
😆 Erst eine Antwort, @ Tommy 1181, doch Tommy, Du 😆 ( schnell fahren
ist da wohl fehl am Platz...........)
Herzlichen Dank für die wunderschöne Beschreibung der Expierience Tour.
Da wird (mir) Einem bewußt, Was für Belastungen dabei durchzustehen sind.
Das ist (für mich) ernüchternd, da muß man TOP FIT sein, um Dies durchstehen
zu können. Da ist das Entdecker GEN gefragt, was mir deutlich, meine Grenzen
aufzeigt. Zum Glück enthalte ich mich seit Jahren (aber sehnsüchtig) der Bewer-
bung zur Teilnahme. Doch habe ich die Beschreibung verschlungen. Danke.....
Zauberhafte Bilder :-)
Aber über die "Experience Tour" kann ich nur grinsen. Für uns war das Alltag 😆 Aber garantiert nicht in so ner Prollkutsche, die im Sand und Staub verrecken. Allein der Temperaturfühler im Außenspiegel!!! Was soll der Quatsch?! Die Aborigines fahren den "Holden Omega". Und sind auch in den Busch gekommen. Ohne Allrad 😆
Toyota Landcruiser, der Hilux oder ein Isuzu Pickup... und zwar die alten Schüsseln. Das sind noch echte Autos und jede Wette: Im Sand kommt man damit weiter als mit dem Discovery! Der mag mal lieber weiter in der Großstadt auf Parkplätzen "wildern".
Gruß aus der Savanne
Wenn man mit dem falschen Fahrzeug im Busch unterwegs ist, darf man sich nicht über Schwierigkeiten mit der Bodenfreiheit, mit dem Sand und mit der Technik wundern. Und Fahrer, die erst noch lernen müssen, wie man durch weichen Sand und über Dünen kommt, bleiben auch öfter mal stecken. Aber bei einer organisierten Tour sind ja auch immer Lumpensammler dabei, die beim Rausziehen oder Reparieren helfen.
Die Firma Landrover hat ja schon vor über 10 Jahren erkannt, dass ihre Fahrzeuge nicht fürs Outback taugen und daher alle Niederlassungen und Vertragswerkstätten in den Städten im Outback geschlossen. Nur in den Großstädten sind sie noch präsent und bieten dort ihre SUV für Großstadteinsätze an.
Wer in Australien einen 4x4 fürs Outback braucht, kauft sich einen Landcruiser, einen Hilux, einen Patrol oder ähnlich, aber kein Spielzeugauto.
Was mich extrem erstaunt, ist die große Zahl an Reifenpannen. Wir waren mit unserem HZJ 1 Jahr lang und über 40000km im Outback unterwegs und hatten dabei insgesamt nur 4 Piercings zu behandeln. Allerdings hatten wir auch BFG AT montiert; die haben ein paar Lagen Stahl und Gewebe mehr, als die Softreifen für Asphalt.
Auf der Canning oder in der Simpson Desert schluckte unser HZJ bis zu 25l im weichen Sand und in der Untersetzung. Dafür sollte ein Outback Cruiser entsprechende Longrange Tanks haben, oder der Begleit-Truck ausreichend Diesel/Benzin vom Fass für die ganze Truppe.
Wenn es trocken ist, macht so ein Konvoi überhaupt keinen Spass. Der Erste hat noch freie Sicht, die Folgenden fahren mit sehr viel Abstand oder fressen Staub. Daher hält man vermutlich die Fenster geschlossen und ist auf die Klimaanlage angewiesen.
Wie war es eigentlich mit den Fliegen, die sich gerne auf alles stürzen, das sich im Freien bewegt?
Wenn man nur durch das Outback rast, kann man natürlich nichts von der besonderen Atmosphäre und den vielen Nuancen des Outbacks mit bekommen. Die richtige Experience beginnt erst, wenn man das Auto mal ein paar Stunden verlässt. Wer mehr lesen will: http://www.australia.kunstvirus.de
Auch die Problematik der Aborigines ist extrem verkürzt, wenn nicht sogar falsch dargestellt. Das ist allerdings ein so schwieriges Thema, dass man es in einem solchen Bericht kaum darstellen kann. 200 Jahre Kolonisierung, Unterdrückung, Verfolgung und Massenmord haben ihre Spuren hinterlassen und die Menschen zu dem gemacht, was sie heute sind. Ein großer Teil der Kultur ist längst gestorben. Ob der australische Staat und die Bevölkerungsmehrheit es zulässt, dass die Überlebenden eine neue Kultur ausbilden und wie die überhaupt aussehen kann, sind völlig offene Fragen.
Bernhard
Achja, da kommt gleich wieder Fernweh in mir auf! 😊
Schöner Bericht, tolles Erlebnis!
Fuer solche Tuhren sind Diagonalreifen erforderlich , Die koennen
mehr Bummss ab, dann gern ohne Kleinkram auf dem Dach , wichtig ist
dann die tuepische VW-Buskabiene -ohne Nase -VW-t2a oder
UAZ-2206-Bus mit 4x4 .
LG. Franz
Hallo Bernhard,
ja, die Fliegen. Sie waren da. Milliarden von ihnen, sobald die Sonne aufging, bis zur Dämmerung.
Zu den australischen Ureinwohnern: im Text ist ja nur ein kurzer Eindruck angerissen, ohne Wertung. Wie Du schon sagst, kann man das hier nicht erörtern. Ich jedenfalls habe kein negatives Bild von diesen Menschen - falls das so wirken sollte. Vielmehr wollte ich darauf hinweisen, dass die Lebensweise eben kaum zu verstehen ist. Und das hängt ganz sicher damit zusammen, was dieser Kultur angetan wurde - auch wenn ich das in so einem Text nicht erwähnen kann.
Grüße
Sehr interessanter Artikel! Es beeindruckt mich wirklich, wie die Aborigines versuchen, ihre Kultur aufrecht zu erhalten. Auch wenn es wohl wirklich schwer ist.