Kommentar: Opels Zukunftsplan "Pace" und PSA
Tavares ist Opels beste Chance
Opel hat den Zukunftsplan „Pace“ vorgestellt, Tempo. Für Bedenken hat Opel keine Zeit. Das liegt nicht an PSA-Chef Carlos Tavares. Der ist vielmehr Opels beste Chance.
Ein Kommentar von Björn Tolksdorf
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Berlin - Bei Renault nannten sie Carlos Tavares den „kleinen Carlos“. Ein ziemlicher Unsinn, stellt man sich daneben seinen damaligen Chef Carlos Ghosn vor. Auch im übertragenen Sinn wird das Bild nicht besser. Das lernte ich in den 15 Minuten meines Interview-Slots mit Tavares auf der IAA 2015: Dieser Mann taugt nicht für halbgares Lavieren oder Ausflüchte. Auch die Umschreibung „messerscharf“ charakterisiert seinen blitzschnellen Verstand nur unzureichend.
Das Hirn des neuen Opel-Herren arbeitet eher wie ein Laserskalpell. Es sollte Opel Mut machen, dass der neue starke Mann in der Regel sagt, was er denkt – und offenbar selten damit falsch liegt. Auch, wenn er dabei nicht so jovial wirkt wie ein Zetsche, oder so bestimmend wie ein Winterkorn.
Gibt es Alternativen zu dem, was gestern in Rüsselsheim angekündigt wurde? Die Chancen dafür stehen schlecht, wenn Carlos Tavares sich weigert, „nur gute Nachrichten“ zu überbringen. Wenn der ebenso drahtige wie motorsportbesessene Portugiese sagt: Opel hat keine Zeit mehr zu verlieren, dann sollte man ihm glauben. Weder Tavares noch Opel-Chef Michael Lohscheller wollten zum jetzigen Zeitpunkt über Opels aktuelle Zahlen sprechen. Aber Tavares bezeichnete die Lage als „dramatisch“. Und zum Drama neigt er nicht.
PSA brauchte die Chinesen - und Tavares
Als Carlos Tavares 2014 an die Spitze von PSA wechselte, war die Lage bei dem französischen Konzern vergleichbar, vermutlich schlimmer: 2013 hatte PSA 2,3 Milliarden Euro Verlust gemeldet. Dabei hatte Tavares‘ Vorgänger Philippe Varin bereits hart gespart. 11.000 Stellen gestrichen, Tafelsilber verkauft, ein großes Werk geschlossen.
All das hatte nicht gereicht. PSA fehlte Geld für Investitionen, um aus dem Tal der Tränen herauszukommen. Erst der Einstieg des chinesischen Dongfeng-Konzerns brachte die dringend benötigte Luft zum Atmen. Und er brachte Tavares, dessen Sanierungsplan den französischen Konzern in allen Belangen auf Effizienz trimmte: Produkte, Entwicklung, Einkauf, Produktion, Vertrieb, Liquidität.Es funktionierte, trotz schwieriger Modellpalette: nur nach und nach kamen neue Modelle, die das neue PSA erlebbar für Autofahrer machen. Auch wegbrechende Exportmärkte wie der Iran erleichterten die Aufgabe nicht. Heute beschäftigt PSA weltweit 170.000 Menschen, 15.000 weniger als 2013. Das operative Ergebnis betrug 2016 3,24 Milliarden Euro, erstmals nach sechs Jahren zahlte der Konzern wieder eine Dividende aus.
Luft und ein klarer Plan
Effizienz in allen Belangen, das ist nun auch der Plan für Opel. Die wirklich harten Schnitte liegen auch hier, wie 2014 bei PSA, womöglich schon in der Vergangenheit. In 15 Jahren gingen 30.000 Jobs verloren, rechnete Tavares in Rüsselsheim schonungslos vor. Werke in Bochum und Antwerpen wurden für immer geschlossen. Für die Trendwende, die Opel bislang trotz alldem nicht geschafft hat, braucht es ebenfalls Luft zum Atmen und einen klaren Plan. Die Luft kann PSA, nach der eigenen Gesundung, zur Verfügung stellen. Der Plan liegt seit gestern vor.
Nun muss Opel zeigen, ob der traditionsreiche Autobauer bereit ist, unter Zukunftssicherung mehr zu verstehen als kurzfristige Besitzstandswahrung. Das wird weh tun: Opel wird den Personalstand reduzieren, das Innovationstempo erhöhen und auf viel Bequemlichkeit verzichten müssen. Pressemeldungen über gestrichene Wasserspender auf Fluren oder fehlende Kekse bei Besprechungen sind der Anfang.
Unrentable Modelle und Varianten werden verschwinden, Arbeitsverträge auf tarifliche Notwendigkeiten reduziert, die Auslastung der Werke gesteigert. Keine Autos mehr aus Übersee importiert.„Unprofitable Vorschläge sind das einzige Tabu, das es bei PSA gibt“, sagte uns Carlos Tavares 2015. Für die französische Belegschaft und die französischen Gewerkschaften war das 2014 ein Schock. Eine englische Ökonomin an der Spitze von Citroen. Kein toller, aber erfolgloser Peugeot RCZ mehr. Preziosen wie der Diesel-Hybrid? Weg damit.
Tolle Autos reichen nicht mehr
2017 sagt Tavares bei jeder Gelegenheit dies: Nur Leistung schützt Arbeitsplätze. Die Opel-Führung muss nun die Strukturen schaffen, die diese Leistung ermöglichen. Und im Hinterkopf behalten: General Motors zahlte geschätzte sechs Milliarden Euro, um Opel loszuwerden. PSA dagegen traut Opel zu, noch in diesem Jahrzehnt zu einem sicheren Arbeitgeber und einem zukunftsträchtigen Industrieunternehmen zu werden. Darin steckt Vertrauen, und eine neue Chance für den gebeutelten Autobauer.
Diese Chance gilt es nun zu ergreifen und kreativ zu gestalten. "Opel soll noch deutscher werden als bisher. Dann werden sie komplementärer zu den französischen Marken", sagte Tavares beim Automobilwoche Kongress in Berlin. Lohschellers Vorgänger Karl-Thomas Neumann setzte auf Nähe zu Detroit – geholfen hat es den Opelanern nicht. Sie haben in dieser Zeit tolle Autos auf die Räder gestellt. Das wird künftig nicht mehr reichen, ähnlich wie bei PSA.
Ein wirklich guter Kommentar. Opel hat eine reelle Chance - auch um noch mehr Opel zu sein als bisher möglich. Diese Chance muss man nun ergreifen.
Jetzt sollten die Nörgler und Schwarzseher mal innehalten, nicht wieder vorschnelle Vermutungen des baldigen Untergangs der Marke in jede neue monatliche Statistik interpretieren und Opel einfach mal drei Jahre Zeit geben. Dann wird man sehen.
Schließe mich dem Lob an, guter Kommentar!
Ich habe die PSA-Übernahme von Opel schon seit Bekanntgabe positiv gesehen. Das PSA Opel französisch machen will, wie manche befürchten, halte ich für unbegründet. Man möchte doch den "Trumpf" einer deutschen Marke ausspielen. Das Ziel Opel wieder wettbewerbsfahig zu machen ist durchaus realistisch. Hoffentlich bekommen die Opelaner die Kurve.😊
Schließe mich auch an: sehr guter Kommentar.
Mehr solche Kommentare zu Interviews mit hochrangigen Vertretern der Automobilindustrie, nicht nur der deutschen. Internationale Messen sollten dafür noch viel mehr genutzt werden, um besonders über Pläne und Entwicklungsvorhaben, aber auch über den aktuellen Stand des jeweiligen Unternehmens an den Märkten zu berichten.
Endlich mal ein positiver Bericht.
Das ist eine Wohltat zu der ganzen Schwarzmalerei die die Presse so veranstaltet.
Würde die Presse Opel nicht bei jeder Kleinigkeit in der Luft zerreißen würde es nicht so schlecht um Opel stehen - meine Meinung.
Ich sehe PSA auch als große Chance für Opel. Und ganz ehrlich sonst stand das GM Logo auf jedem Bauteil was keinen interessiert hat und nun steht PSA drauf. Dem "normalen" Käufer wird das sicher nicht auffallen.
Sehr gut geschrieben!
Dann mal ran an den Speck ... äh, die Herausforderung!
Klingt auf der einen Seite gut. Auf der anderen Seite werden wohl solche Fahrzeuge wie ein Astra OPC selten werden bei Opel und die Marke damit so langweilig wie vor 15 Jahren. Spaßfahrzeuge sind bei Opel leider selten CashCows.
Mhhmm, die Einschätzungen über KTN darin weiß ich jetzt aber nicht so richtig (als Außenvorstehender) abzunicken oder.... - was blieb ihm denn anderes übrig als "die Nähe zu GM" (?), sie gehörten GM !
Und wenn man hier schon aufzeigte, womit PSA selbst gesundete. Bereits vor Tavares mit den unangenehmsten Dingen (Entlassungen, Schließungen,...).
Im Weiteren mit Geld vom Staat + Chinesen. Nun ja, "kein Wunder"(-Mann) also.
Langt es dann jetzt mit Geld von PSA für Opel ? Oder woher nochmal soviel mehr ??
Neben dem wie auch immer so tollen neuen Plan - nach so vielen (vermeintlich tollen) Plänen zuvor schon...
PS: An dem direkten, klaren Auftreten von Tavares könnte ich sogar Gefallen finden. Dagegen konnte der Untergeordnete Herr Lohscheller aber so gar nicht souverän...
Allein bei den Fragen zur Zukunft vom Werk Eisenach, das wirkte schon ziemlich überreizt
Opel ging es eigentlich immer gut, nur hat GM die Marke extrem runtergezogen.
Nun ist Opel endlich weg von den Amis. Die versauen doch alles, egal mit wem die zusammenarbeiten.
Schließe mich auch an: sehr guter Kommentar.
OPC - Modelle wurden doch bei Opel schon vor PSA eingestampft. Wohl auch als günstiger Weg zur Senkung des Flottenverbrauchs.
Bei PSA gibt es den Peugeot 308 GTI und man wird wohl auch bei opel bald wieder sportliche Versionen erleben - wenn der Flottenverbrauch erstmal durch sparsame Alltagsautos gesenkt wurde. Den kommenden Grandland mit 300 Hybrid-PS stelle ich mir jedenfalls recht flott vor.
Tavares ist Motorsport-Fan, dem wird sowas am Herzen liegen.
Der nächste "ZUKUNFSTPLAN" bei Opel.
Mit so einem Mist hat Nick Reiley schon Gewinne bei Opel versprochen.
Das war 2010 :-)
Ich frage mich wo das Geld herkommen soll für den Umbau zu einem Hersteller wie Tesla.
Ich wünsche Opel alles Gute.
Leider wurde in Vergangenheit die Marke Opel nur ausgenutzt und beschädigt.
Alles Geld was GM/Opel in Abfindungen investiert hat um Werke zu schließen und Mitarbeiter zu entlassen, fehlt jetzt in der Kasse.
Das primäre Ziel von Opel war leider in den letzten 20 Jahren "Headcount" .
Jetzt soll alles besser werden?
Ja 😊
Opel soll niemals ein Hersteller wie Tesla werden. Dann würde es ja genau so weiter gehen wie bisher. Tesla windet sich auch von Verlust zu Verlust.
Jedes Modell soll sowohl mit Otto/Diesel wie auch mit einer EV/Hybrid Variante angeboten werden. Nirgends wird was von rein elektrisch erzählt. Das wäre auch fatal, denn die Elektromobilität wird maßlos überschätzt. Es muss eine gesunde Mischung aus Verbrenner/EV geben. Anders wird es nie funktionieren.
Das wird auch Volvo merken, wobei die als Nischenhersteller noch minimale Chance haben könnten.
Der Elektro-Corsa ist ja super toll... aber ich gebe ihm 5% Anteil an allen Corsa Verkäufen. Die Leute können sich entweder nicht so einen teuren Kleinwagen leisten, oder ihn nicht nutzen. Der BMW i3 fährt ja auch nur in homöopathischen Dosen rum und meistens sind das irgendwelche Firmenwagen mit Aufklebern drauf.