Genormte Verbrauchsmessgeräte in Neuwagen: Pro und Kontra
Totale Überwachung oder mehr Transparenz?
Die EU schlägt vor, in Zukunft den Realverbrauch von Neuwagen mit genormten Messgeräten zu überwachen. Schwachsinn oder gut so? Ein Pro und Kontra aus der MT-Redaktion.
Brüssel - Die EU-Kommission hat Anfang November ihren Vorschlag für die CO2- und Abgasgesetzgebung zwischen 2021 und 2030 veröffentlicht. MOTOR-TALK berichtete. Ein Bestandteil waren: normierte Verbrauchsmessgeräte in jedem Neuwagen. Damit soll in Zukunft eine Datenbasis für den Realverbrauch auf Europas Straßen geschaffen werden. Der Vorschlag basiert auf Vorschlägen aus Beratergremien sowie aus dem EU-Parlament.
Diesen Aspekt aus dem Vorschlagspaket griff „Spiegel Online“ in dieser Woche auf. Bis dahin hatte die Öffentlichkeit praktisch keine Notiz davon genommen und sich auf die künftigen CO2-Grenzwertberechnungen konzentriert.
Soll also bald in jedem Neuwagen der Verbrauch überwacht werden? Schwachsinn oder gute Idee? Darüber gehen die Meinungen auch in der Redaktion auseinander. Ein Pro und Kontra von Björn Tolksdorf und Constantin Bergander.
Pro: Ein überfälliger Schritt
Von Björn Tolksdorf
Interessant, dass „Spiegel Online“ aus dem am 8. November 2017 veröffentlichten EU-Papier am 22.11. eine „Exklusiv“-Geschichte „nach Spiegel-Informationen“ macht. Ist das wirklich ein Aufreger? Die EU will also in Zukunft den realen Spritverbrauch unserer Autos überwachen und, im Fall von noch nicht näher definierten Abweichungen von noch zu beschließenden Grenzwerten, die Autohersteller zur Kasse bitten.
Ganz klar: Mit dem Abgas-Skandal und seinen Nachwehen hat die Branche selbst für diese Debatte gesorgt. Die Autohersteller haben bei Verbrauch und Abgasen jahrzehntelang nur das Nötigste getan, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen – und nur in Ausnahmen versucht, das sauberstmögliche Auto zu bauen. Hinzu kam beim VW-Konzern der nachgewiesene Betrug.
Deshalb heißt es nun: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Die Politik will Verbrauchsgrenzwerte für die nächste Dekade beschließen und deren Einhaltung, anders als bisher, auch in der Praxis kontrollieren. Schon seit vielen Jahren erfassen Bordcomputer in beinahe jedem Pkw den Verbrauch. Bei vielen Autos lassen sich diese Daten über eine App auslesen, bei der Inspektion durch die Werkstatt oder direkt „over the air“, wenn das Auto online mit dem Hersteller verbunden ist.
Diese Messgeräte würden künftig nach definierten Standards arbeiten. Dadurch werden die Daten erst vergleichbar. Im nächsten Schritt sollen sie zentral erfasst und einmal im Jahr veröffentlicht werden. Das bedeutet nicht mehr Überwachung, sondern mehr Transparenz. Denn die Statistik interessiert sich nicht für den Gasfuß einzelner Autofahrer, sondern für den Gesamtschnitt der Flotte eines Herstellers. Das werden je nach Modell in vielen Fällen Hunderttausende von Fahrzeugen sein.
Wer heute den Realverbrauch ermitteln will, muss kompliziert um die Ecke rechnen: Versicherungsverträge geben Aufschluss über die ungefähre Laufleistung. Der Kraftstoffabsatz in einem Land lässt Schlüsse auf den Gesamtverbrauch zu. Hinzu kommen Flottendaten und Seiten wie Spritmonitor.de. Mit anderen Worten: Viel zu rechnen für die Praktikanten der Umwelt-Lobbyvereine. Aber nichts, das irgendeinen Anspruch an verlässliche Daten erfüllt.
Genau diese Datenlücke hat aber zum Abgas-Skandal geführt. Dass sie künftig geschlossen werden soll, ist daher nur vernünftig. Autokäufer erhalten eine zusätzliche, fundierte Entscheidungshilfe. Die Industrie ist zuerst an verlässlichen Rahmenbedingungen interessiert und erhält eine Datenbasis, die sie niemals selbst erheben könnte. Die Politik kann sich Emissionen nicht mehr anhand von Papierwerten schönreden. Wer also verliert?
Kontra: Aus Kontrolle wird Überwachung
Von Constantin Bergander
Die größte Fehlerquelle im Auto sitzt vorn links. Das gilt auch – und besonders – für den Verbrauch. Start-Stopp nervt, hohe Gänge sind lahm und zu Fuß gehen ist blöd. Also kommt hinten mehr raus, als unbedingt nötig wäre. Das akzeptieren wir, denn das ist bequem. Oder wir wissen es einfach nicht besser. Das Ergebnis ist dasselbe. Kostet ja nur ein paar Euro.
Wenn ein Vertreter-Diesel mit 200 über die Bahn knallt, wenn Opa mit 6.000 Touren ausparkt, wenn im Monsterstau der Motor an bleibt, wenn Kalle es an der Ampel jucken lässt, dann geht das auf den Verbrauch. Dafür kann aber das Auto nichts. Das liegt am Fahrer.
Klar: Der Normverbrauch hat mit unserem Alltag nichts zu tun. Das liegt bisher am unrealistischen NEFZ. Bald liegt es am etwas weniger unrealistischen WLTP. Denn Norm bedeutet, dass gewisse Variablen gesetzt sind, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Im echten Leben schwanken aber mehr Faktoren, als ein Prüfzyklus darstellen kann. Zum Beispiel: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Verkehr, Fahrstil, Strecke, Laune, Beifahrer, Gepäck, Klimatisierung.
Wenn Autos unseren Verbrauch aufzeichnen, wird die EU merken: Nicht nur die Hersteller lassen sich kontrollieren, sondern auch die Autofahrer. Und manche weichen mehr von der Norm ab als andere. Im besten Fall wird dann unser tatsächlicher Verbrauch besteuert. Im schlimmsten Fall zwingt man uns dazu, umweltfreundlich zu fahren. Die Hersteller trifft es wohl kaum. Denn die wären blöd, wenn sie nicht mit den Fahrstilen argumentieren.
Verbrauchskontrollen sind keine Lösung, sondern ein Schritt zur Überwachung. Wir brauchen Zyklen, die wenigstens an der Realität kratzen. Und Organisationen, die die Hersteller überwachen. Übrig bleiben Autofahrer, die Sparsamkeit lernen müssen – oder sich nicht mehr über den Verbrauch beschweren dürfen.
Link zum Originaldokument der EU-Kommission
Ab sofort verschicken wir unsere besten News einmal am Tag über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. Es dauert nur 2 Minuten.
Es gibt keinen Normfahrer.
Das gleiche Fahrzeug unterliegt bei verschiedenen Fahrern Spreizungen von 200% und mehr beim Verbrauch.
Der Normverbrauch war noch nie mehr als ein sehr grober Richtwert. Und wird er auch immer bleiben, egal wie sehr man versucht an die Realität ranzukommen.
Björn Tolksdorf hat Recht. Der Verbrauch soll real gemessen und anonym ausgewertet werden. Dann können die Kunden auch mit transparenten Verbräuchen rechnen. Und die Hersteller geraten unter Druck, wirklich ihre Technik zu verbessern und nicht mit Prospektwerten zu glänzen.
Dass es unterschiedliche Fahrweisen und damit individuelle Unterschiede gibt - kein Problem; es handelt sich ja um den Durchschnittsverbrauch.
Im übrigen, bei der Navi-Echtzeiterkennung greifen wir auch auf die Daten der anderen Verkehrsteilnehmer zurück. Dies ist für alle ein Vorteil und keiner beschwert sich. Warum also nicht auch beim Verbrauch?
Das Problem ist, dass durch verschiedene Käuferschichten bestimmte Autos besser, bestimmte schlechter abschneiden würden.
Aber: Nur weil Auto A den besseren Durchschnittsverbrauch hat, bedeutet das nicht, dass es sparsamer ist als Auto B. Es hat einfach nur die sparsameren Fahrer.
Wie wäre es denn mit einer Kombination? Mit einer zuverlässigen on Board Verbrauchsermittlung könnte man das im Bericht genannte eigentliche Problem offenlegen, der Fahrer. Denn im Gegensatz zur contra Seite hilft ein "besserer" Zyklus wenig, den kein Zyklus kann alle möglickeiten abdecken. Was aber den Realverbrauch deutlich senken sollte wäre eine progressive Kraftstoffsteuer in Abhängighkeit des eigenen Verbrauchs. Hieße praktisch, wenn der Vertreter mit 200+ über die Bahn fahren will, dann soll er, kostet dann halt. Genauso wie die unzähligen anderen, teilweise schon idiotischen weil ohne Vorteil, Spritverschwendungsmaßnahmen vieler Fahrer, wie Drehzahl hoch halten (3.Gang bei 50 z.B.), Gas geben beim Starten, Kurzstreckenfahrten, Kavalliestarts etc.
Wie könnte sowas aussehen? Z.B. wird ein Verbrauch von z.B. 3l/100km Benzin (die anderen Kraftsoffe müsste man halt umrechnen, nach Primärenergie oder CO2 oder was auch immer sinnvoll ist) Steuerfrei und für jeden liter mehr kostet diese dann z.B. 50ct/l extra. So wird sparsames fahren belohnt und es wäre sozial gerechter als z.B. pauschal die Steuern zu erhöhen oder gewisse andere Pauschalverbote (vmax auf AB) zu erlassen. Den wohlhabenden Raser wird es nicht jucken, wenn er für 100km statt 20€ eben z.B. 100€ bezahlen muß, der etwas ärmere fährt eben sparsamer und der Staat freut sich über die Einnahmen. Zudem könnte man den schwachsinnigen CO2 Anteil bei der Kfz Steuer abschaffen, den der Normverbrauch (egal wie der ermittelt wird) ist für die Umwelt völlig egal.
Eigentlich ist es doch völlig unwichtig, wie viel Co2 ein Fahrzeug theoretisch herausbläst. Und hirnrissig, daran eine Steuer festzumachen.
Entscheidend ist, wie viel tatsächlich hinten rauskommt. Pro 100 Kilometer und absolut. Und für beides zahlt man jede Menge Strafsteuer an der Tankstelle.
Ist doch irgendwie Käse, wenn ein Vielfahrer für einen EcoBoost-Focus fast keine Steuer zahlt, obwohl er übers Jahr mehr Co2 emittiert, als ein Dodge Charger, der 5.000km pro Jahr bewegt wird.
Solange unklar ist, wie die Kontrollmechanismen denn wirklich aussehen sollen oder die einzubauenden Verbrauchsmessgeräte technisch funktionieren, solange gilt das Vorhaben auch als intransparent und weckt eher Zweifel und Mißtrauen, ob dies nicht der Einstieg zur Überwachung der Autofahrer darstellt.
Denn es erweckt eher den Anschein, dass es hier um automatisch zu übermittelnde Telemetriedaten geht.
Das ist in der Tat das Problem bei eine Durchschnittbetrachtung, vor allem will ich, wenn ich ein Auto XY haben will, nicht für die Dummheit anderer bestraft werden.
Völlig bekloppt.
Also nicht die Redaktionsmeinungen mit pro und contra, sondern die Idee, derart durchzuregieren und am vorgegebenen Ziel vorbeizuschrammen.
Grund:
Unnötig. Über große Flottenzahlen und gefahrenen km kann man sehr genau statistisch ermitteln, wie die Verbräuche bzw. die CO2 Emissionen liegen. Dazu benötigt man keine Messgrößen aus jedem Fahrzeug, sondern man kann die vier bis fünf großen Mineralölkonzerne um Zahlen bitten, wieviele Tonnen CO2 äquivalente Kraftstoffe auf den hiesigen Markt gebracht werden.
Verbrauchszahlen kann man steuern, man kann aber auch die km-Strecken steuern. Beides sind Faktoren, die auf die CO2-Emission hindeuten.
Wenn die EU die CO2-Emissionen reduzieren will, dann machen sie es so, wie es bisher läuft. Man normt einen Prüflauf für jedes auf den Markt kommende Fahrzeug, kalibriert die Kraftstoffemission der Mineralölkonzerne darüber und schon hat man einen guten Faktor, wie stark der Normverbrauch vom realen Verbrauch abweicht.
Ergo: Es ist unnötig. Wir sollten langsam mal darüber nachdenken, jede Form einer politischen Festlegung darauf abzuklopfen, wie stark dadurch die Bürger in ihrer freiheitlichen Entfaltung bzw.in ihren heiligen Bürgerrechten eingeschränkt bzw. gefährdet werden.
Wenn wirksame Instrumente gesucht werden, um CO2 beim Individualverkehr zu begrenzen, dann langen CO2-Grenzwerte in vernünftigen Prüfläufen völlig aus. Alles andere ist nur wütender Blindaktionismus, der langsam geächtet werden sollte.
Immer und immer wieder habe ich geschrieben:
Benzinpreis um 10 % erhöhen und Dieselpreis um 30 %. Fertig.
Jeder zahlt dann für das was er verbraucht und wenn er eine Firmentankkarte hat, na dann zahlt´s eben die Firma, auch egal. Und wenn er in Österreich tankt und... nein Leute, darüber muss man nicht diskutieren. Pendlerpauschale vielleicht um 1 oder 2 Cent anheben, aber dann ist´s auch gut.
Was soll denn der Schwachsinn... nur dass ich dann nachher eine Mobilverbindung im Auto brauche, zur Datenübermittlung, die ich dann wieder extra bezahlen muss.
Außerdem haben viele Hersteller bewiesen, dass sie den Verbrauch auf die Nachkommastelle genau ermitteln können (u. a. Daihatsu, Mitsubishi) und andere, dass...
Es wird schon so kommen, es ist traurig... 😮
Zitat: "Genau diese Datenlücke hat aber zum Abgas-Skandal geführt."
Nein, kriminelles Verhalten hat zum Abgas- Skandal geführt!
BTT:
Statt halbgarer CO2- Rechnerei bei der die Alibi-Hybride auch die großen Säufer gut stellen und die gefahrenen Kilometer nicht einzubeziehen - da sollte man lieber die KFz-Steuer abschaffen und den Sprit entsprechend besteuern. Dann liegt es an jedem selbst, was er sich für eine Karre kauft und wie er damit umgeht. Wer rasen möchte, muss halt etwas mehr bezahlen. Das würde ein echtes Umdenken bewirken und auch garantiert die Schadstoffquoten absenken...
Es würde auch den Wahnsinn mit den immer fetteren und stärkeren Kisten beenden!
Strikte Kontrolle der Abgase.
Verbrauch regelt der Markt von selbst.
Warum schaffen die "blöden" Amis einen einen realistischen Zyklus, inkl. Strafen für die Hersteller bei realem Mehrverbrauch ohne Echtzeitüberwachung?
Ein neuer Verwaltungsirrsinn bahnt sich an. Gut das wir keine Probleme haben 🙄
Schwachsinn³! Verbrauchsschwankungen sind normal.
Mein Auto braucht zw 9 und 18 Ltr.
Meine Kawa braucht zw 4 und 8 Ltr.
und das geht den Stasi-spitzeln gar nichts an.