Autodesign im Wandel
Über Design lässt sich streiten, oder auch nicht
Wann gefällt uns ein Auto? Oder was gefällt uns an Autos, äußerlich? Auf beide Fragen gibt es keine Antwort. Oder 100 Millionen. Wir haben ein paar Chef-Designer dazu befragt.
Von MOTOR-TALK-Reporter Fabian Hoberg
Berlin – Frauen, Autos, Kinder, Hunde und Männer eint eines: Wie schön einer, eine oder eines ist, das entscheidet der persönliche Geschmack. Wider allen Versprechungen von Titelseiten, Werbemotiven und sonstigen Einflussnehmern.
Manche Frauen finden Schmerbäuche süß, einige Männer mögen Speck an den Hüften. Und sehr viele Käufer entscheiden sich für den Golf, weil er „so gut aussieht.“ Ein endgültiges Urteil zu Geschmack und Schönheit gibt es nicht. Aber allgemeine Trends, Richtungen und Vorlieben sind massentauglich. Das hilft Retro-Autos wie dem Fiat 500 oder dem Mini. Doch die Idee funktioniert nicht immer. Davon kann der VW Beetle ein Lied hupen.
Erst umstritten, dann ein Klassiker
Fast jeder Hersteller hat mindestens ein misslungenes Modell im Portfolio. Trotz intensiver Versuche, Abstimmungen, Kundenbefragungen. Der Fiat Multipla gilt bis heute als Design-Unfall.Autos wie die 90er-Jahre-S-Klasse W140 waren damals wie heute umstritten. Dabei verkaufte sich der Wagen besser als alle vorherigen S-Klasse-Generationen. Und heute ist der W140 auf dem Weg zum Klassiker.
Bei der aktuellen E-Klasse hat die erste Serie mit den doppelten Vier-Eck-Augen einen Eintrag im Geschichtsbuch sicher. Zum ersten Mal änderte Mercedes bei einer Modellpflege die Front so grundsätzlich.
Sinnliche Klarheit
Mercedes-Chef-Designer Gordon Wagener war für das modellgepflegte Auto zuständig. Er verantwortet seit 2008 das Aussehen aller Benz-Modelle. Zu den ersten Autos, die seine Handschrift tragen, zählt die aktuelle A-Klasse.
Nach Ansicht von Wagener gehören „klare Formen und homogene Flächen“ zum perfekten Autodesign. Zudem müssten die Autos „Hightech inszenieren und zugleich Emotionen wecken“, sagt der 44-Jährige. Das Design eines Mercedes muss laut Wagener für „sinnliche Klarheit“ stehen. „In unserem Design spiegeln sich die Markenwerte Tradition, Emotion und Progressivität wider, die je nach Modell unterschiedlich akzentuiert sind“, sagt Wagener.
Gutes Autodesign ist ein Versprechen
Sein Gegenüber bei BMW heißt Karim Habib, ist ein im Libanon geborener Kanadier und bei BMW seit zwei Jahren für alle neuen Autos verantwortlich. Er zeichnete das Concept CS, aus dem der 6er entstand.
Habib
sieht perfektes Autodesign in der Attraktivität. „Gutes Autodesign muss einen anziehen und zugleich ein Versprechen sein, das anschließend vom Fahrerlebnis eingelöst wird.“ Das Optische der Münchner stehe „für Sportlichkeit, Präzision, Dynamik, Agilität sowie für visionäre Fahrzeugkonzepte. Die inneren, technischen Werte werden im Design erlebbar gemacht.“An Sätzen wie diesen sieht man, wie sehr Designer heute PR-Strategen sind. Die Verkörperung von Markenwerten im Blech ist hier nicht mehr nur eine Frage des Gefühls, sondern mit Ansage definiert. Mag sein, dass frühere Autodesigner mit mehr Leidenschaft und Bauchgefühl gezeichnet haben.
Perfekt gibt es nicht
Grundsätzlich gilt aber, was zum Beispiel Porsche-Chef-Designer Michal Mauer sagt: „Perfektes Design gibt es nicht. Gutes Design ist ästhetisch und funktional." Die Designer der schwäbischen Marke achten bei der Entwicklung besonders auf die „Porsche-Design-DNA“. „Die wird nicht so sehr über Details definiert, sondern vor allem durch die Proportionen“, sagt Mauer.
Mauer sagt so leicht, was doch gerade bei Porsche so schwer ist. Cayenne und Macan können die Porsche-DNA unmöglich einhalten. Weil sie als SUV vom Ur-Sportwagen so weit entfernt sind wie ein Waldarbeiter von einer Prima-Ballerina.
Leicht verständlich
Irgendwo zwischen diesen beiden sieht VW-Designchef Klaus Bischoff die Autos seiner Marke. „Kann es überhaupt perfektes Autodesign geben?“, fragt Bischoff. „Unser Weg ist, ein schlüssiges Fahrzeugkonzept, innovative Technik und eine ausdrucksvolle Form in einer überzeugenden Einheit darzustellen. Unser Design soll leicht verständlich sein, für jeden und überall auf der Welt“, sagt er.Ein Ansatz, der logisch klingt, aber nicht erklärt, warum ein Golf so viel erfolgreicher als ein Opel Astra ist. Warum ein Käfer Kult und ein Beetle das Gegenteil davon ist.
Was sagt Ihr?
Wie seht Ihr das Design aktueller Autos? Kann aus einem VW Beetle noch ein Klassiker werden? Ist Mercedes mit dem S-Klasse Coupé auf dem richtigen Weg? Ist Lexus mit dem LF-NX zu progressiv? Und gefällt Euch der Audi Sport Quattro auch mehrere Wochen nach der IAA noch?
Zum größten Teil werden die Autos in der Masse immer unauffälliger oder sogar hässlich.
Wenn man mal 20 oder 30 Jahre zurück blickt, kann man feststellen, dass die Autos an Attraktivität und Formschönheit verloren haben. Unverwechselbarkeit wird immer mehr zum Fremdwort und die Designer immer fauler 🙄.
Ich bin noch immer der Meinung, dass die besseren Designer künstlerische talentierte Menschen mit tech. Ausbildung inkl. einer Fortbildung in Produktdesign sind.
Bestes Beispiel ist Jacek Fröhlich, der das Äußere des F10 von BMW gestaltete. Er hat sein Architekturstudium nach dem Grundstudium in Krakau abgebrochen und danach Produktdesign studiert.
Architektur in Polen ist anders als in Deutschland. Während in Deutschland des eher um die Gestaltung geht, ist in Polen die Gestaltung eher 1. Nebenfach. Erst kommt Baustatik, Bauwesen, Werkstofftechnik etc. - sprich die polnischen Architekten können wie ein Bauingenieur die Statik des Gebäudes berechnen.
Solche Leute erleichtern die Arbeit der Ingenieure ungemein.
Produktdesign ist wichtig. Doch gibt es eben viel wichtigere Dinge, die letztiglich für den Konsumenten kaufentscheidend sind. Und die sind mindest ebenso vielfälltig wie die individuellen Geschmäcker der nachfragenden Menge😉. Und daraus entstehen eben Kompromisse, die für den Einen ok, für den Anderen unverständlich erscheinen. Auch weil Schönheit immer subjektiv bleiben wird, Leistung, Verbrauch, Haltbarkeit, Sicherheit, Qualität und ähnliches sich aber (einigermassen) objektiv bewerten lassen.
Design keine Geschmacksache sondern unterliegt Prinzipien.
Wir alle lassen uns Design diktieren, in Wirklichkeit. Merken es nur nicht.
Design soll schon die Marke und den Markenkern widerspiegeln. Soweit stimme ich den Herrschaften zu. In dem Punkt hatte Mercedes mal eine ganze Zeit lang alles richtig gemacht. Ab den 2000ern wurde dann wurde alles über Bord geworfen. Und das ging dann auch Hand in Hand mit Qualitätsproblemen der Autos.
Früher war ein Benz wie eine fahrender Tresor. Eine unerschütterliche Burg auf Rädern mit kühlem Design und klassischer Eleganz und Endlosqualität. Man musste nicht auffallen, keinen Trends hinterherhecheln und niemandem etwas beweisen, da man wusste, dass man eh über jeden Zweifel erhaben war.
http://www.powerful-cars.com/images/mercedes/1993-w124-e500-1c.jpg
http://www.blogten.jp/8504/PhotoLibrary/p8504273361.jpg
Wenn ich mir heute die neuen Mercedes-Modelle ansehe, dann sehe ich wenig von der Souveränität früherer Tage.
Design ist Geschmackssache und die unterliegt eben keinen objektiv definierbaren Prinzipien. Ausser bei denen, bei der die Markenaffinität über den eigenen Geschmack geht😉. Bei Wohnmöbel noch besser erkennbar als z.B. beim Fahrzeug.
Bist Du da sicher...wir alle?
Wenn ich mutmaße, die Kaufzurückhaltung hat nicht nur wirtschaftliche Gründe, sondern viele Modelle
kommen einfach nicht mehr so an, wie einstige Vorgänger, so wäre der Schluß naheliegend, nicht alle lassen sich alles diktieren.
Ob bei VW-Konzern-Modelleen der eingetretene Hintern, oder das Asia-Gesicht, jüngerer Mercedes...das sind tatsächlich jeweils keine Überraschungen, nur habe ich zunehmend den Eindruck, dies kommt zumindest in Mitteleuropa nicht mehr so gut an. Aber Mitteleuropa ist nicht mehr deren Maßstab, sondern Asien. Bei der neuen S-Klasse ist das beim Blick von vorne an dessen Front sehr deutlich.
Die Orientierung an den asiatischen Märkten sieht man auch bei Porsche. Habe meine ich auch mal ein Interview mit einem Porsche-Sprecher über den neuen Cayenne gelesen, wo er meinte, dass der alte Cayenne wegen seiner "teutonischen" Heckpartie eher weniger gut in Asien ankam. Der neue hat nun brav entschärfte und mandelförmige Heckleuchten bekommen. Wie auch die neue S-Klasse...
Der E 500 war einfach nur schön. Falsch. Er war ausserdem gut, schnell, komfortabel, und,..... . Ein automobiler Traum der jüngeren Vergangenheit eben😊.
Wenn ich mir den BMW Designer so anschaue in seinem Wollpulli, da hab ich eigentlich keine Fragen mehr 😆
Was würdest du ihm anziehen? Oder bist du der Meinung, die Kleidung sagt vieles (oder alles) über dessen Fähigkeiten als Automobildesigner? Ok, u.U. sollte er sich so anziehen wie Bruno Sacco. Aber ob er dann auch so genial wäre?
Die deutschen Autos sehen vom Design her zum Gähnen langweilig aus.
Bei italienischen und französischen Autos werden beim Design Emotionen geweckt, während ein deutsches Auto die Langeweile auf 4 Reifen darstellt.
Ja, richtig. Aber nur bei einigen (wenigen). Nur net verallgemeinern😉.
Heute entscheidet Optik vor Funktionalität. Das gefällt mir nicht. Dass Auto kann noch so schön sein, wenn die Rundumsicht vorallem nach hinten nicht passt, ist das ein k.o. Kriterium. Honda Civic (oder Audi A4 Avant) ist so ein Beispiel, gefällt mir sehr gut, aber die Sicht nach hinten ist eine einzige Katastrophe. Daher werde ich den nicht kaufen, auch wenn er noch so schön (in meinen Augen) ist.