Britanniens Autoindustrie

Überholen ohne aufzuholen

Björn Tolksdorf

verfasst am Fri Jun 14 13:59:12 CEST 2013

Ein Land fährt vor: 2018 könnte Großbritannien Europas zweitgrößte Auto-Nation nach Deutschland werden. Und Frankreich überholen.

General Motors kürte Ellesmere Port zum Leitwerk für die Astra-Produktion. Rüsselsheim verliert das Modell
Quelle: General Motors

London – Oberflächlich betrachtet fuhr die britische Automobilindustrie beispiellos gegen den Baum, die Wand, ins Meer. Eigenständige Marken mit Stückzahlen im fünfstelligen Bereich - verrottet, verkauft, nicht mehr existent. Jaguar und Land Rover gehören dem indischen Tata-Konzern, BMW sicherte sich Mini und Rolls-Royce, Volkswagen baut Bentleys.

Das größte Werk in Großbritannien: Nissan Motor Manufacturing in Sunderland. Das Werk gilt als einer der produktivsten Standorte in Europa überhaupt, betrachtet man produzierte Autos pro Mitarbeiter
Quelle: Nissan
Genauer betrachtet sieht die Lage anders aus. Großbritannien entwickelt sich zu einer stark genutzten Werkbank der Autoindustrie. General Motors, Honda, Nissan und Toyota produzieren jährlich hunderttausende Fahrzeuge auf der Insel. Die englischen Werke produzieren zu großen Teilen mit voller Kapazität. Davon können Standorte in Frankreich und Italien nur träumen.

Exportstarke Autobranche

Beispiel Nissan: Der japanische Konzern baut in Sunderland den Juke, Note und Qashqai, fast 500.000 Fahrzeuge pro Jahr. Die Fabrik arbeitet an der Belastungsgrenze. Das gleiche bei BMW: Im Mini-Werk Oxford werden die Kapazitäten kontinuierlich erweitert.

Tim Abott, BMW-Leiter in Großbritannien, sagt: Die großen britischen Werke könnten 2018 zusammen mehr als zwei Millionen Fahrzeuge produzieren. Da wären: Sunderland (Nissan), Swindon (Honda), Oxford (Mini), Burnaston (Toyota), Solihull (Land Rover), Castle Bromwich (Jaguar) sowie Ellesmere Port und Luton (GM).

Der bisherige Rekord der Briten liegt bei 1,92 Millionen Fahrzeuge im Jahr 1972. Frankreich produzierte 2012 1,9 Millionen Autos, Deutschland etwa 5,5 Millionen.

82 Prozent der 2012 in Großbritannien gebauten Autos wurden exportiert. Aber auch der Heimatmarkt zeigt sich stabil in der europäischen Krise: Während der Neuwagen-Absatz in den ersten vier Monaten in allen großen EU-Märkten schrumpfte, legte er in Großbritannien um 8,9 Prozent zu.

Honda of the UK in Swindon: 3.000 Menschen arbeiten hier, die Kapazität liegt bei etwa 250.000 Fahrzeugen pro Jahr
Quelle: Honda
Komplett modernisiert: Land-Rover-Produktion in Solihull (hier: Range Rover Sport)
Quelle: Jaguar Land Rover
Mini-Montage in Oxford: William Morris führte hier 1914 die Fließbandproduktion ein
Das größte Werk in Großbritannien: Nissan Motor Manufacturing in Sunderland. Das Werk gilt als einer der produktivsten Standorte in Europa überhaupt, betrachtet man produzierte Autos pro Mitarbeiter
Quelle: Nissan