Zum 20. Todestag Ayrton Sennas
Und Brasilien weinte
Es ist 20 Jahren her, da starb zum letzten Mal ein Rennfahrer bei einem Formel-1-Rennen. Für viele war er der charismatischste, beste, unergründlichste von allen. Zum Tod von Ayrton Senna.
Berlin – Der gelbe Helm bewegt sich noch, ein letztes Mal. Er zuckt nach links. Dann bleibt der Kopf, der ihn trägt, müde hängen. Als würde der Fahrer schlafen. Wer heute vor 20 Jahren das Rennen zum Großen Preis von San Marino sah, vergisst dieses Bild nie.
Der Unfall des Williams FW16 mit der Nummer 2 prägte sich in das kollektive Gedächtnis einer Generation PS-Afficionados. Der Mann, der starb, hieß Ayrton Senna da Silva. Ihm zu Ehren ordnete Brasiliens Präsident Itamar Franco drei Tage Staatstrauer an. Hundertausende begleiteten den Trauerzug. Nie wurde um einen (Motor-)Sportler so viel geweint.
Er war anders
Ayrton Senna starb vor den Augen von Millionen, die ihm nie begegnet waren, die ihn nicht kannten. Und denen er doch vertraut war wie ein Freund.
Einer, der an Gott glaubte und damit sagte: Ich kann nicht alles alleine schaffen, ich brauche Hilfe von oben. Einer, der keine Angst hatte, Schwäche zu zeigen, wo andere Härte spielten. Einer, der weinte und fluchte, der arrogant und witzig war – und besessen von Ehrgeiz. Denn wenn Senna ins Cockpit stieg, wurde der Mensch Senna unmenschlich. Auch dafür liebten ihn Millionen.
Der beste Formel-1-Fahrer aller Zeiten
Michael Schumacher gewann sieben Formel-1-Titel, Fangio fünf, Sennas Teamkollege und Rivale Alain Prost vier. Senna selbst erfuhr in seiner Karriere „nur“ drei Titel - wie Lauda, wie Stewart, wie Brabham und wie Piquet. Senna baute und provozierte unzählige Unfälle. Trotzdem gilt er vielen als unerreichbar, als bester Formel-1-Fahrer aller Zeiten.
Es kommt dabei nicht darauf an, wie oft Senna gewann (41 Siege, 80 Podestplätze). Es liegt daran, wie er fuhr: Denn Senna fuhr das Auto nicht. Er tanzte mit ihm. Er tanzte in der Hitze und im Regen, er tanzte mit Vierzylindern und V12-Motoren. Er tanzte, wenn das Material schlecht und die Bedingungen katastrophal waren. Er betete nicht zu Gott für ein besseres Team oder ein schnelleres Auto, beschwerte sich nicht über die Reifen oder das Wetter. Er nahm, was er bekam. Vielleicht brauchte er Gott nur, um mit seinem unfassbaren Talent fertig zu werden.Die Motoren brüllten weiter
Die Anekdoten, die Sennas Mythos schmücken, sind so zahlreich, dass nur eine Biographie sie umfassend erzählen kann: Er liebte das Kartfahren mehr als die Formel 1. Er stieg lieber beim kleinen Toleman-Team in die Formel 1 ein, als bei McLaren auf der Ersatzbank zu sitzen. Senna fuhr in den verregneten Gassen von Monte Carlo 1984 im völlig unterlegenen Toleman vom 13. auf den 2. Platz. Er wurde während der Ehrenrunde in seinem Auto ohnmächtig, nachdem er den Großen Preis von Brasilien 1991 nur im sechsten Gang zu Ende gefahren war. Er schoss Alain Prost ab, um Weltmeister zu werden. Und er stoppte 1992 in Spa seinen Wagen, um dem verunglückten Érik Comas aus seinem Autowrack zu ziehen. Damit rettete er ihm wahrscheinlich das Leben.
Als Senna am 1. Mai 1994 in der siebten Runde des dritten Saisonrennens in die Betonmauer der Tamburello-Kurve einschlug, hielt niemand an. Es hätte nichts genützt. Mit einer Geschwindigkeit von 310 km/h flog der weiß-blaue Williams aus der Kurve. Senna bremste mit voller Kraft. Trotzdem prallte er im 22-Grad-Winkel mit 217 km/h an die Wand. Die Wucht schleuderte den Williams zurück an den Rand der Strecke. Senna-Verfolger Michael Schumacher sah den Unfall vor sich.Die Ärzte kamen, das Rennen stoppte. Während man im Krankenhaus von Bologna um Ayrton Sennas Leben kämpfte, fuhren die anderen in Imola weiter. So wie nach dem Barrichello-Crash im Freitagstraining, so wie nach dem Tod Roland Ratzenbergers im Qualifying, so wie nach dem Crash zwischen Lehto und Lamy beim ersten Start.
Brasilien und die Welt trauern
Bereits das gesamte Wochenende war Senna angespannt. Nachdem die aktiven Fahrwerke in der Formel 1 wieder verboten worden waren, hatte das Williams-Team große Mühen. Noch im Vorjahr war Sennas Rivale Prost mit dem Team Weltmeister geworden. Senna ging als Favorit in die Saison '94, kam aber in den ersten beiden Rennen nicht ins Ziel. Ohne die elektronischen Hilfen war das Handling des Williams giftig. Der junge Schumacher machte Druck. Senna kämpfte um jede Hundertstelsekunde.
Aber vielleicht übertrieb er es dieses Mal. Der Williams war auf den Bodenwellen vor der Tamburello extrem instabil. Durch eine Safety-Car-Phase hatten die Reifen an Temperatur und Druck verloren, so dass er tiefer lag. Heute geht man davon aus, dass Senna die Risiken missachtete, um zu gewinnen. Wahrscheinlich setzte sein Rennwagen auf, der Abtrieb erzeugende Luftstrom riss ab, die Kontrolle war dahin. Der Verdacht, eine umgebaute Lenksäule trage die Schuld am Tod Ayrtons, diese Legende ist längst ausgeräumt.Er konnte nicht aufhören
Formel-1-Arzt Sid Watkins hatte Senna vorher, an der Unfallstelle von Roland Ratzenbergers Crash, vorgeschlagen, das Rennen zu vergessen und Angeln zu gehen. Senna soll darauf geantwortet haben: "Ich kann nicht aufhören, Sid. Ich kann es einfach nicht".
Am Tag danach durchschlug um 14:17 Uhr ein Teil der Aufhängung Ayrton Sennas Helm. Um 18:17 hörte sein Herz auf zu schlagen.
Heute wirken die Aufnahmen von den Minuten nach dem Unfall friedlich, als würde Ayrton in seinem Wagen schlafen. Nach all der Mühe, dem Kampf, dem Stress, dem Druck. Neben ihm im Wagen fand man eine österreichische Flagge: Seinen 42. Sieg wollte er dem am Vortag verstorbenen Roland Ratzenberger widmen.
2010 ehrte die britische Autosendung Top Gear Ayrton Senna mit einer kurzen, aber interessanten Dokumentation:
Top Gear ist ja normalerweise für Blödeleien bekannt, aber bei diesem Stück über Senna sieht man, wie man gutes Fernsehen macht und was JC kann. Der kurze Clip, zusammen mit der Doku "Senna" von Asif Kapadia sagen alles über diesen unvergesslichen Mann.
cancelled
Kleiner Kommentar auf englisch eines Brasilianers darüber, was Senna in seinem Heimatland für die Menschen bedeutete.
Ich habe gestern abend auch mal ein paar Worte zu Ayrton Senna verfasst, auch wenn ich zu seinen Afnagsjahren noch sehr jung war. Genau wie Motor-Talk bin ich auch bei dem Video von TopGear gelandet, dass ich mehr als gelungen finde - zur Erinnerung an Ayrton Senna
Natürlich ist es schön, dass 20 Jahre nach diesen Ereignissen Senna nicht vergessen wird. Der stärkste Fahrer aller Zeiten auf einer schnellen Runde im Abschlusstraining und im Regen. Da war er unschlagbar. Aber im trockenen Rennen war er nicht überlegen. Und mit einer Aura gesegnet, die kein Fahrer danach mehr erreicht hat.
Er wird dank der Onbord-Aufnahmen niemals vergessen werden von den Fans, und aufgrund seiner Taten abseits des Sports von seiner Familie und Freunden auch nicht.
Aber:
Warum wird in keinster Weise die Unfallserie dieses Wochenendes erwähnt, dass den Rennsport für immer verändert hat?
Warum wird der tödliche Unfall von Roland Ratzenberger nur am Rande erwähnt?
All dies gehört zur Geschichte dieses Wochenendes dazu. "Roland the Rat" so der Spitzname Ratzenbergers wird immer vergessen, weil er erst bei seinem 3. Rennen in einem kleinen Team umkam. Das die Medien ihn immer vergessen, finde ich sehr sehr ungerecht.
Dazu kommt ja auch noch ein inhaltlicher Fehler in diesem Artikel. Nicht 1991, sondern 1990 schoss er Prost in Suzuka ab, um Weltmeister zu werden.
Der Sieg 1984 beim Eröffnungsrennen mit dem 190er war übrigens sein einziger auf dem Nürburgring. Wahnsinn wie die Zeit vergeht, schon 20 Jahre her dieses schwarze Wochenende der F1.
20 Jahre...verdammt lange her...
Senna ist unerreicht. "Er Beschwerde sich nicht, nahm, was er bekam" allein deswegen wird ein Vettel nie seine Klasse erreichen.
Hallo.
Den inhaltlichen Fehler habe ich natürlich korrigiert.
Alles andere kann ich nicht nachvollziehen. Ich erwähne alle Unfälle vor Sennas.
In einem Text zu Sennas 20. Todestag erwähne ich Ratzenberger 3! Mal. Das Ende meines Textes weist sogar darauf hin wie sehr Senna selbst von Ratzenbergers Tod mitgenommen wurde.
Ich finde auch, dass er einer der besten Rennfahrer seiner Zeit war. Und ich hätte gerne mehr Duelle zwischen ihm und Schumacher gesehen.
Nur, das mit dem Charisma stimmt leider so nicht. Ich habe ihn noch als sehr unfreundlich in Erinnerung. Ich war recht klein als mich mein Vater mit zu einem Rennen nahm. Und Senna stand vor mir. Ich müsste sechs gewesen sein. Das war das Jahr an dem er gestorben ist. Ich bat ihn um ein Autogramm. Für mich war er sowas wie ein Held. Er schaute mich abfällig an, dann voller Verachtung meinen Vater, und stapfte davon. Und das war wohl auch kein Einzelfall.
Wenn man Gerhard Bergers Notizen liest, erklärt er darin, dass er der einzige war, der mit Senna auskam.
Vielleicht muss man ja auch so sein um so weit nach oben zu kommen.
Für mich ist er nach wie vor ein Held. Aber charismatisch war er nicht. Das gehört zu der modernen Verklärung eines Volksmythos.
Der Beste ist und bleibt Schumi. Senna ist nur durch seinen Unfall zur Legende geworden.
Senna hat mit seiner an den Renntagen gezeigten Hingabe den normalen Zuschauer, wie ich einer war, in den Bann gezogen - natürlich war er auch Egomane durch und durch. Ansonsten wäre gegen Kaliber wie Prost, Mansel, Berger kaum ein Sieg möglich gewesen. Ich kann es kaum erklären, aber seine Siege udn auch Niederlagen wirkten oft episch auf mich. Das habe ich danach bei keinem F1-Fahrer mehr so erlebt.
Die F1-Lebensleistung von Michael Schumacher ist dabei gar nicht in Frage gestellt - aber es war für mich "besser" Senna siegen oder verlieren zu sehen.
Just my 2 cents
Gruß aus EN
Mein Gott, so lange ist das schon wieder her! Bei solchen Gelegenheiten merkt man erst wieder, wie alt man eigentlich geworden ist.
Danken möchte ich für den Bericht; habe Senna sehr gemocht.
Mag viellreicht so gewesen sein, aber Senna hat sich oft Stunden Zeit genommen um JEDEN ein Autogramm zu geben. Wenn Du/Ihr Senna zu einem verkehrten Zeitpunkt erwischt habt wo er vielleicht auch keine Zeit hatte etc, so muss man ihm das vergeben. Er hätte nicht Jedem zu jeder Zeit an jedem gewöhnlichen Ort ein Autogramm geben können.
Und ob er Dich von Oben herab betrachtet hat lasse ich mal so stehen, weiss nicht ob man sich da als 6jähriger nach so einer langen Zeit überhaupt noch dran erinnern kann.
Senna war ein feiner Kerl der zudem auch viel für seine eigenen Kinder im Lande übrig hatte und durch sein Geld heute noch getan wird. DAS ist was für mich zählt. Jedem konnte er es nicht immer Recht machen.
RIP Senna
Man hat schon viel über Senna gesehen, gelesen und gehört. Aber es ist das erste Mal für mich, dass ich einen solch persönlichen Einblick von jemanden bekomme, der erlebt hat und darüber berichtet, was dieser Mann für sein Land und die Menschen dort bedeutet hat, insbesondere zu dieser ohnehin schon schwierigen Zeit.
Danke für diesen tollen Link!!
RIP Ayrton Senna! 🙁