Mercedes W 124
Unverwüstlich auf der Überholspur
Für viele ist er der letzte echte Mercedes: Der W 124 machte Schluss mit 70er-Jahre-Barock und blieb 13 Jahre im Geschäft. Wir schauen zurück auf die erste E-Klasse.
Köln - 1984: Das Waldsterben beschäftigte Politik, Presse und Öffentlichkeit. Ausgerechnet Mercedes nahm die Diskussion gelassen: Die Schwaben präsentierten ihre neue, mittelgroße Reihe W 124 rasch mit geregeltem Dreiwegekatalysator. Ab 1990 gab es sogar die Dieselversionen mit Oxidationskatalysator und Abgasrückführung.
Gleichzeitig setzte der bis zu 190 PS starke W 124 neue Maßstäbe auf der linken Spur. Und das sollte erst der Anfang sein. Ab 1991 beschleunigte der 500 E mit 320 PS starkem V8 sogar schneller als ein Ferrari Mondial.
Aber auch die Taxifahrer freuten sich: Erstmals überholten einen Mercedes 200 D keine 40-PS-Polos mehr. 160 km/h Spitze waren für den Selbstzünder damals sensationell.
Aerodynamik statt Chrom-Barock
40.000 Kunden bestellten den W 124 blind vor. Dabei wagte sich die neue Mercedes-Mittelklasse auf neues Terrain: Der Nachfolger des betont konservativen W 123 wirkt heute noch frisch, damals war er im Vergleich zum Vorgänger hypermodern. Er machte den Mercedes-Mittelklassekunden die Aerodynamik schmackhaft.Mit einem Bestwert von cW=0,29, markant hohem Heckabschluss und dem weitgehenden Verzicht auf Chrom folgten die W-124-Limousinen der Linie, die zwei Jahre zuvor der Typ 190 eingeleitet hatte. Ein frischer Auftritt, der den schärfsten Rivalen BMW 5er noch älter aussehen ließ.
Qualitätsprobleme zum Start
Ausgerechnet bei der Qualität erlitt der W 124 dagegen einen Fehlstart. Dabei galt der Stuttgarter Hersteller damals als globaler Qualitätsmaßstab. Taxifahrer klagten über den „Bonanza-Effekt“, ein Ruckeln beim Anfahren ihrer Diesel-Droschken. Hinzu kamen Klappergeräusche und schlecht passende Teile.
Daimler-Benz reagierte umgehend und großzügig, entsprechend schnell war der Ärger vergessen. Bis heute gilt die W-124-Reihe als Inbegriff der Solidität.
Fast unbegrenzte Auswahl
Anders als der viertürige Mercedes 190, verordnete Daimler dem W 124 eine noch nie dagewesenen Karosserievielfalt: Als 4,74 Meter lange viertürige Limousine, ab 1985 zudem als T-Modell und Fahrgestell für Krankenwagen- oder Bestattungsfahrzeugaufbauten. 1987 kam ein Hardtop-Coupé hinzu, 1989 die sechstürige Limousine (damals mit 5,54 Metern Deutschlands längster Serien-Pkw) und 1991 das familientaugliche Cabriolet.
Für jeden Kunden das passende Format, lautete in Stuttgart die Devise. Das galt auch für den Antrieb: Nie zuvor und nirgendwo sonst gab es bis dahin eine so große Bandbreite an Motoren in der gehobenen Mittelklasse. Von 109 PS bis 381 PS reichte die Auswahl bei den Benzinern, mit vier, sechs oder acht Zylindern. Diesel gab es von 72 bis 147 PS mit vier, fünf oder sechs Zylindern.
Auf der IAA 1985 stellte Mercedes das Allradantriebssystem 4Matic für 124er Limousinen und T-Modelle vor. In Serie ging das System erst zwei Jahre später, für heftige 12.000 Mark Aufpreis. Dafür waren das automatische Sperrdifferential ASD, und ASR, der Vorläufer der aktuellen Antriebsschlupfregelung, Serienumfang.
13 Jahre Bauzeit
Erst 1997 verabschiedete sich die Baureihe mit dem Auslauf des Cabriolets in den Ruhestand. Produziert wurden in 13 Jahren 2.737.860 Millionen Einheiten. Darunter waren 2.213.167 Limousinen, 340.503 T-Modelle; 141.498 Coupés, 33.952 Cabrios, 2.342 Limousinen mit langem Radstand und 6.398 Fahrgestelle.
Ein stolzes Ergebnis, zumal sich die 124er-Reihe mit immer neuer Konkurrenz auseinandersetzen musste. In den USA griffen 1989 Lexus und Infiniti an. In Europa erneuerte BMW 1988 den 5er, und Ende 1990 der frische Audi 100 mit starken Sechszylindermotoren.
Umso erstaunlicher, dass die Stuttgarter durch regelmäßige Modellpflege und einen Ausbau der Palette alle Angriffe parieren konnten. Erst die 1995 lancierte E-Klasse W 210 mit Vier-Augen-Gesicht leitete die Ablösung des Vorgängers ein.
Der letzte echte Mercedes
Bis heute ist der W 124 nicht aus dem Straßenbild verschwunden. Unzerstörbare Exemplare mit Kilometerständen nahe der Million sind darunter, ebenso wie nur bei Sonnenschein gefahrene Liebhabercoupés und -cabriolets.
Vielen Fans gilt der W 124 heute als letzter echter Benz. Denn nach ihm wurde alles anders, sogar der Name: Daimler-Benz mutierte zur Welt-AG DaimlerChrysler. Eins blieb aber bis heute: Die Bezeichnung E-Klasse, die der W 124 1993 als erster Mercedes trug.
Mercedes W 124: Typen
Limousinen
- 200 D / E 200 Diesel (Produktionszeit 1984-1995)
- 250 D (Produktionszeit 1984-1993)
- 250 D Turbo / E 250 Turbodiesel (Produktionszeit 1988-1995)
- 300 D (Produktionszeit 1984-1993)
- 300 D Turbo / E 300 Turbodiesel (Produktionszeit 1986-1995)
- 300 D 4Matic (Produktionszeit 1987-1991)
- 300 D Turbo 4Matic / E 300 Turbodiesel 4Matic (Produktionszeit 1988-1995)
- E 250 Diesel (Produktionszeit 1993-1996)
- E 300 Diesel (Produktionszeit 1993-1995)
- 200 (Produktionszeit 1984-1990)
- 200 E (Produktionszeit 1985-1992, anfänglich nur für Export)
- 230 E (Produktionszeit 1984-1992)
- 260 E (Produktionszeit 1984-1992)
- 300 E (Produktionszeit 1984-1992)
- 260 E 4Matic (Produktionszeit 1987-1991)
- 300 E 4Matic / E 300 4Matic (Produktionszeit 1987-1995)
- 300 E-24 (Produktionszeit 1989-1992)
- 400 E / E 420 (Produktionszeit 1991-1995)
- 500 E / E 500 (Produktionszeit 1991-1995)
- 200 E / E 200 (Produktionszeit 1992-1995 mit Motor M 111)
- 220 E / E 220 (Produktionszeit 1992-1996)
- 280 E / E 280 (Produktionszeit 1992-1995)
- 320 E / E 320 (Produktionszeit 1992-1995)
- E 60 AMG (Produktionszeit 1993-1994)
Coupés
- 230 CE (Produktionszeit 1987-1992)
- 300 CE (Produktionszeit 1987-1992)
- 200 CE (Produktionszeit 1990-1992, Exportmodell)
- 220 CE / E 220 Coupé (Produktionszeit 1992-1996)
- 300 CE-24 (Produktionszeit 1989-1992)
- 320 CE / E 320 Coupé (Produktionszeit 1992-1996)
- E 36 AMG (Produktionszeit 1993-1996)
- 200 CE / E 200 Coupé (Produktionszeit 1992-1996, Motor M 111)
Cabriolet
- 300 CE-24 Cabriolet (Produktionszeit 1992-1993)
- E 200 Cabriolet (Produktionszeit 1994-1997)
- E 220 Cabriolet (Produktionszeit 1993-1997)
- E 320 Cabriolet (Produktionszeit 1993-1997)
T-Modell
- 200 TD (Produktionszeit 1985-1991)
- 250 TD (Produktionszeit 1985-1993)
- 300 TD (Produktionszeit 1986-1993)
- 300 TD Turbo / E 300 Turbodiesel T-Modell (Produktionszeit 1986-1996)
- 300 TD Turbo 4Matic / E 300 Turbodiesel 4Matic T-Modell (Produktionszeit 1987-1996)
- 250 TD Turbo / E 250 Turbodiesel T-Modell (Produktionszeit 1992-1996, Exportmodell)
- E 250 Diesel T-Modell (Produktionszeit 1993-1996)
- E 300 Diesel T-Modell (Produktionszeit 1993-1996)
- 200 T (Produktionszeit 1985-1990)
- 200 TE (Produktionszeit 1988-1992)
- 230 TE (Produktionszeit 1985-1992)
- 300 TE (Produktionszeit 1985-1992)
- 300 TE 4Matic / E 300 4Matic T-Modell (Produktionszeit 1987-1995)
- 300 TE-24 (Produktionszeit 1989-1992)
- 200 TE / E 200 T-Modell (Produktionszeit 1992-1996 mit Motor M 111)
- 220 TE / E 220 T-Modell (Produktionszeit 1992-1996)
- 280 TE / E 280 T-Modell (Produktionszeit 1992-1996)
- 320 TE / E 320 T-Modell (Produktionszeit 1992-1996)
- 36 AMG T-Modell (Produktionszeit 1993-1996)
Quelle: SP-X
Mit Sicherheit eines der qualitativ hochwertigsten und langlebigsten Autos die es je gegeben hat.
Allerdings : Bei Markteinführung gabs Probleme, die Dieselmodelle "schaukelten" sich beim gleichmäßigen Fahren unerträglich auf, Abhilfe kam aber bald.
Mit Grausen denke ich noch heute an den 200er Diesel mit KAT. Der hatte angeblich 75 PS, aber wo waren die nur ? Es war fast unmöglich auf einer Bundesstrasse jemanden zu überholen. Bei den Benzinern gab es ein paar kranke Motoren (M102,M103), es gab Nockenwellenverschleiß mit anschließendem Motorschaden. Mit der Modellpflege und Umbennnennung zur E-Klasse wurde wurde die Baureihe 124 zum absolut perfekten Auto.
Die Doppelnockenwellen-Benziner, egal ob 4-6-oder 8-Zylinder waren eine Wucht was Leistung, Verbrauch und Lebensdauer anging.
Der E 400 war optisch nicht vom 200er Diesel zu unterscheiden und rannte wie der Teufel, eine Schau !
Dann kam die Baureihe 210......🙁 und mit der Qualität wars vorbei.
Franz
Danke für diesen netten Artikel 😊! Als Fahrer eines 250 D mit Automatik kann ich nur eines sagen: Das beste Auto meines bisherigen Lebens! Als Diesel ein echter Benz, egal ob als Schalter oder Automat, sie fahren sich beide toll, ich wüsste nicht was ich machen würde, hätte ich keinen W124 mehr...
Um auf Nummer Sicher zu gehen wird ein zweiter angeschafft, natürlich als Diesel... 😉
Ich muß ja gestehen das ich mich bis jetzt eher "zujung" fühlte für diesen Benz.....aber auf der Suche nach einem Kombi ist er jetzt doch auf die Liste der möglichen Kandidaten gekommen....und eigendlich find ich ihn solangsam doch ganz schick😆
Der 124er war nicht nur der beste, sondern auch der zeitloseste Mercedes:
Selbst heute wirkt er sowohl außen als auch innen noch nicht wirklich alt und der Fahrkomfort ist immer noch gut.
Wunderbare Modelle. Besonders gut gefallen mir die Coupés. Zu der Zeit mussten die Autos noch nicht so zwanghaft dynamisch aussehen. Da waren noch andere Qualitäten gefragt.
Ich hatte alle Aufbauvarianten. Der 24Ventiler als Kombi war ein Traum und ist verlustfrei weiterverkauft worden (ging nach Norwegen). Das E200 Cabrio steht behütet in der Garage, wird aber leider kaum gefahren. In zwei Jahren gerade mal 1000 km. Hier denke ich - wegen Nichtnutzung - an einen Verkauf. An sich ist diese Wanderdüne aber mein Lieblingsauto.
peso
Allein schon als Stuttgarter, Besitzer und Fahrer eines 200D bedanke ich mich für diesen Beitrag, sowas lässt sich immer wieder mit wohlwollen lesen ;-)
Ein sehr haltbares und wirklich zeitloses, qualitativ enorm gutes Auto, wenn auch bisweilen in seinem Können überschätzt. Alters- und pflegebedingte Schwachstellen sowie der Rost machen auch einem der besten Mercedes-Typen aller Zeiten inzwischen zu schaffen - gemessen an dem, was andere Fahrzeuge in diesem Alter, sollte es sie überhaupt noch geben, zeigen, sind das jedoch fast schon Kleinigkeiten.
Die Qualitäten des W124 sind noch heute offenkundig: Solidität, Zuverlässigkeit, Geräumigkeit, Komfort, Alltagstauglichkeit und ein sinnvolles Maß an Entlastung der Insassen sowie des Fahrers machen sich heute noch positiv bemerkbar. Im Grunde ist er die Alternative der oberen Mittelklasse, die am Neuwagenmarkt fehlt und von vielen vermisst wird. Es zählen in dieser Klasse, auch wenn viele Hersteller das anders sehen, einfach andere Dinge als Sportlichkeit und Dynamik.
Der 124er ist auf jeden Fall ein Fahrzeug, das ich sehr schätze und welches Kultstatus genießt - zu Recht!
Ich danke für diesen Artikel, habe ihn gern gelesen.
Mercedes hat (hatte) schon immer aufgrund der schweren Karosserie mit fast jedem Motor eine Leistungsentfaltung gleich einer Schlaftablette.
Die gefühllose Gummi Lenkung und das komfortabele Fahrwerk passt hier genau zum Charakter von Mercedes.
So waren sie eben die Diesel ohne Aufladung.😊 So einen Motor muss man digital fahren, das Gaspedal kennt im Prinzip nur zwei Stellungen.😆 Und immer schön in Schwung halten die Fuhre...
Das mit der Leistungsentfaltung mag wohl stimmen.
Ich hatte damals des öfteren das Vergnügen, das 230er Cabrio von meinem Chef fahren zu dürfen.
Ein wirklich tolles Auto. Er war nicht so spritzig wie vielleicht ein 5er, aber das hat dem Fahrspaß absolut keinen Abbruch getan. Auch die "Gummi Lenkung" störte nicht weiter.
Es war der perfekte Cruiser.
Noch heute erinnere ich mich seelig an die Stunden zurück, die ich bei Sonnenschein mit offenem Dach mit dem W124 verbracht habe, obwohl es nicht mein eigenes Auto war.
Rasen durften die anderen. Man hat es sich einfach in den bequemen Ledersesseln bequem gemacht und den Moment genossen. Das sehr komfortable Fahrwerk, der niedrige Geräuschpegel, die gute Verarbeitung.. Das alles hat Gelassenheit und Ruhe ausgestrahlt wie kaum ein anderes Auto, welches ich seitdem gefahren bin.
Vor allem heute, wo alles immer noch dynamischer (=weniger Platz), noch sportlicher (=weniger Komfort), noch trendiger (= nicht mehr zeitlos-elegant), noch moderner (= völlig überladen) sein muss vermisse ich Autos wie den 124er.
Den Wagen gibt es übrigens noch immer. Verbringt die Wintermonate in der beheizten Tiefgarage und wird im Sommer bei schönem Wetter für Wochenendausflüge genutzt.
Liebe Mercedes-Ingenieure & vor allem Controller: Fahrt mal mit diesem wunderbar soliden und bequemen Auto mit, versteht den Geist, der dahintersteht und baut endlich wieder eine E-Klasse, die diese guten Gene weiterträgt.
MFG Sven
......Unverwüstlich auf der Überholspur
Ja,das triffts genau. 😆
Man musste wirklich eine Unverwüstliche Sturheit besitzen um das Lichthupen Gewitter der drängelten Autofahrer zu ertragen, wenn man mal wieder mit dem 200 d die Überholspur blockierte. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Wer mit dem Teil einmal auf die rechte Spur wechselte sah sich bis zum Rest seiner Autobahnfahrt zwischen LKWs eingekeilt.
Mein Schwager hatte so ein Teil und war mit jener Sturheit gesegnet, Ich bin jedesmal vor Scham im Beifahrersitz versunken.😆
Mir gefällt er in der letzten Ausbaustufe vorallem als Limo mit den schwarz-rote Rückleuchten eine Wucht. Ein Bekannter fuhr solch ein Exemplar als 94er 300D in rot ich glaube nach meiner Internetsuche dass es Almandinrot gewesen sein muss dass war ein durchaus eher seltener Farbton in meinen Augen, denn den sah ich sonst höchstens ab und an dann an einem Cabrio 124er. Leider starb der Benz mit 670TKM an einem Auffahrunfall der sich als wirtschaftlicher Totalschaden rausstellte. Gekauft wurde er trotztdem noch von einem orientalisch wirkendem Händler der sagte dass man in Afrika alles noch irgendwie gerichtet bekommt und wenn nicht wäre es schon seine gute Ausstattung wert.
Komischerweise war er eine Zeit lang verschrien und ihm wurde vieles nachgesagt wie jetzt dem W210 und anderem. Ich glaube in ein paar Jahren bzw. in einem Jahrzehnt sagen wir uns dann der W210 ist der letzte echte. Wobei wiederum der W124 wirklich einer der letzten war der so eine Robustheit versprühte leider hatte der W210 doch so einiges an Problemen allem vorran der böse Rost.