Fußball- und Autojahr 1974
Von Thronfolgern und Sängerknaben
Während die Welt nach Brasilien zur Fußball-WM schaut, blickt MOTOR-TALK zurück und erzählt die besten Fußball- und Auto-Geschichten der packendsten WM-Jahre. Heute: 1974
Von MOTOR-TALK-Reporter Ralf Schütze
München – 1974 war das Autojahr des Thronfolgers: Der VW Golf löste den Käfer ab, mit erstaunlichem Erfolg. Ähnlich verblüffend verlief die Fußball-WM in Deutschland, bei der die einen überraschend auftrumpften und die andere für negative Sensationen sorgten.
Bei der Gruppenauslosung am 5. Januar im großen Sendesaal des Hessischen Rundfunks bewies der Schöneberger Sängerknabe Detlef Lange ein glückliches Händchen, als er die Mannschaften der BRD und DDR in eine gemeinsame Gruppe loste. Wie keine andere Einzelperson beeinflusste der Elfjährige den Verlauf der WM '74. Es folgten faustdicke Überraschungen und ein einzigartiges Bruderduell mit pikantem Beigeschmack.
Aus der Feder von Giorgio Giugiaro
Kurz nach der ersten Ölkrise von 1973 gelang Volkswagen der große Wurf für eine Zeit nach dem Käfer. Auf Heckmotor, Luftkühlung und Heckantrieb folgte ein quereingebauter Frontmotor mit Wasserkühlung und Frontantrieb, dazu das innovative Fließheck samt großer Klappe und variablem Kofferraum. Giorgio Giugiaro persönlich, Gestalter von Auto-Ikonen wie BMW M1, Bugatti EB 118, DeLorean DMC-12, Lotus Esprit oder Maserati Bora, hatte Wolfsburgs neuen Liebling der Massen gezeichnet.
Giugiaros breite C-Säule hat seitdem die Rundumsicht von Millionen Autofahrern eingeschränkt, aber den Golf über sieben Generationen hinweg optisch geprägt. Der Erfolg kam 1974 rasant. Bereits Ende November meldete das Hamburger Abendblatt die automobile Wachablösung: „Der VW Golf hat sich zu einem der größten Autoerfolge in Deutschland entwickelt. Von 4,1 Prozent Anteil an den Gesamtzulassungen im Juli stieg er auf 15,2 Prozent im Oktober. Der VW Käfer ging von Mai bis August von 8,3 auf 4 Prozent zurück.“
Türsteher Sepp Maier
Wachablösungen gab's auch beim Fußballfest in Deutschland. Ehemalige Favoriten wie England, Portugal, Uruguay und Italien schafften es nicht bis zur Endrunde oder schieden dort sang- und klanglos aus. Dagegen stießen Newcomer wie Niederlande und Polen in die Weltelite vor. Letztere scheiterten nur gegen Deutschland am schier unbespielbaren, überfluteten Rasen und der Türsteher-Manier des deutschen Torwarts Sepp Maier: Er ließ einfach keinen rein.Immerhin unter die letzten Acht schaffte es die DDR. Zuvor schlugen sie sogar im Bruderduell die „BR Deutschland“ mit 1:0 – ein Schuft, wer dahinter die Absicht des Gastgebers wittert, als Verlierer auf leichtere Finalrunden-Gegner zu stoßen. Danach kamen die Wessis bis ins Endspiel. Die Ossis dagegen bissen sich an Argentinien, Brasilien und Niederlande die Zähne aus.
Nur ein Star aus Italien
Erfreuliches kam 1974 aus Italien. Der Dino 308 GT 4 war ein ungewöhnliches Coupé mit vier Sitzen und Mittelmotor. Ferraris erstes V8-Serienauto war der letzte Maranello-Bolide unter dem Label „Dino“. Von 1976 bis 1980 zierte ihn das springende Pferd. „Auto Motor und Sport“ attestierte in etwas hölzernem Tonfall: „An technischer Funktionalität und wahrem Fahrvergnügen nur
schwerlich zu übertreffen, bietet der Dino bei einem gewissen Understatement genügend Exklusivität.“Der einzige italienische Star der Fußball-WM hieß Silvio Gazzaniga, denn erstmals bekam der Weltmeister den von ihm kreierten neuen Pokal überreicht: Ein fast 37 Zentimeter großer und gut 6 Kilo schwerer Pokal aus 18-karätigem Gold, dazu der grüne Halbedelstein Malachit. Bis heute stemmen frischgebackene Champions das heißbegehrte Ding in die Luft.
Ein Auto für Nichtraucher
Ein kurioses Auto kam 1974 aus Kanada: Der schnittige Bricklin SV-1 schöpfte aus satten 5,9 Litern Hubraum lediglich 177 PS und fuhr 175 km/h Spitze. Der nach dem kanadischen Millionär Malcolm Bricklin benannte Sportwagen hatte weder Zigarettenanzünder noch Aschenbecher an Bord, denn Bricklin war strikt gegen Rauchen am Steuer.
Immerhin glänzte der SV-1 mit Flügeltüren, Klappscheinwerfern und hochstabilen Stoßfängern. Diese und eine hochfeste Fahrgastzelle aus Stahl begründeten das Modellkürzel SV für „Safety Vehicle“. Sicher ist auch: 1975 löste ein 5,2-Liter-Motor von Ford den bisherigen V8 ab, 1976 war
nach 2.875 Bricklins trotzdem Schluss mit der Draufzahl-Produktion.Flops sind relativ
Für Günter Netzer war die Fußball-WM 1974 ein Flop. Der Ferrari-Fahrer galt als Popstar unter den damaligen Fußballern, kam aber im gesamten Turnier nur einmal kurz ins Spiel. Humorvoll betont er seither, wie wertvoll sein Kurzeinsatz für den WM-Titel der Deutschen gewesen sei: Bei seiner Einwechslung stand es 0:0 gegen die DDR. Danach verlor sein Team noch 0:1 und kam so in die leichtere Finalgruppe. Wenn Netzer heute davon erzählt, grinst er souverän. Auch Flops sind eben relativ.
Das Wichtigste zur Fußball-WM 1974 in Deutschland
- 13. Juni bis 7. Juli 1974
- 16 Teilnehmer
- Spiel um Platz 3 am 6. Juli in München: Brasilien - Polen 0:1 (0:0)
- Endspiel am 7. Juni in München: Niederlande – BR Deutschland 1:2 (1:2)
Weitere Automobil-Neuheiten
- Audi 50
- VW Scirocco
- Citroen CX
- Datsun 240 Z (Marktstart in Deutschland)
- Seat 133
- AMC Matador Coupé
Wikipedia Bildnachweise: Bricklin SV-1 AMI: By Thomas doerfer (Own work) [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons; Ferrari Dino 308 GT 4: KarleHorn [GFDL, CC-BY-SA-3.0 or CC-BY-SA-3.0-de], via Wikimedia Commons
An die Fussball WM 1974 hab ich die schönsten Kindheits Erinnerungen. Als 12jähriger Junge war dies die erste WM, die ich so richtig mitbekommem hatte. An das Spiel BRD-DDR kann ich mich noch bestens erinnern. Die Wasserschlacht von Frankfurt ist mir noch genau so präsent wie das tolle Finale gegen Holland. Selbstverständlich war auch mein erstes Panini Album voll geworden. Die Autos in den 70er waren natürlich auch kultig.
WOW, das ist das schönste Bild, Ursula Andress aus Dr. NO. Auf den seat kann ich allerdings verzichten... ;-)
Die 74er waren weitaus cooler als die weichgespülten Jungs heute.
War eine tolle Zeit.
Stimmt, Ursula Andress hat tatsächlich mal mit nem kleinen Seat posiert.😊😎
Stimmt, ich auch! Jürgen Sparwasser,das Stadion in Frankfurt unter Wasser, Spiel gegen Polen.
Wer kennt Lato noch? Mit Walzen haben sie damals versucht, das Wasser vom Rasen zu bekommen.
Gerd Müller entscheidet die Regenschlacht, 1:0 für uns😊
Jonny Rep aus Holland...Rainer Bonhof gab im Finale die Vorlage...das waren noch Zeiten😉
Warum gabs damals keine Fahnen an den Autos?
Ist nun interessant, welche Autos damals rumfuhren. Den Scirocco und den Golf von damals habe ich noch gut in Erinnerung. Schöner Artikel!
Der Pole Lato wurde doch Torschützenkönig. War wohl auch die beste deutsche Nationalelf aller Zeiten. Beckenbauer mit Katsche Schwarzenbeck als Wasserträger. Paul Breitner auch sehr souverän und auf der andern Seite Wadenbeisser Berti 😊 Bonhof, Grabowski, Overath, Hölzenbein, Heynckes, Müller und der schnelle Uli. Das waren alles Superfussballer. Wobei natürlich die Holländer rund um Cruyff und Neskens auch excellent besetzt waren. Ein Superfinale damals in München.
"Spiel um Platz 3 am 6. Juli in München: Brasilien - Polsen 0:1 (0:0)
Endspiel am 7. Jupi in München: Niederlande – BR Deutschland 1:2 (1:2)"
Was habt ihr denn geraucht ? 😆
Wie kann das Endspiel am 7. Juni gewesensein, wenn die WM erst am 13. Juni begonnen hatte. ;-)
1974 haben nur 16 Nationen um den Pokal gekämpft. Heute sind es 32 und es gibt ein Achtelfinale, welches es 1974 nicht gab...