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Wäscheschleudern: Die Kult-Coupés der 80er

verfasst am Thu Dec 02 18:00:51 CET 2010

Obwohl Elkes Vater einen Mercedes hatte, wurde sie lieber von ihrer Mutter im VW Scirocco zur Grundschule gefahren. Der Scirocco war weiß, und Elke wusste schon mit acht, wie sie uns gleichalte Jungs beeindrucken konnte. Im VW Scirocco durfte sie vorne sitzen - das war schon einmal nennenswert cool. Manchmal erwähnte sie auch wenig beiläufig, dass sie und ihre Mutter mal wieder einen Porsche überholt hätten.

Von solchen Abenteuern war im Fond eines basismotorisierten Fließheck-Passat nicht zu träumen. Das lag nicht nur an der motorischen Unterlegenheit, sondern viel mehr an einem Kleber auf der Kofferraumklappe des tornadoroten Passats: "Rettet den Wald! Tempo 100 auf Autobahnen, Tempo 80 auf der Landstraße." Der sorgte dafür, dass Familie R. viel häufiger überholt wurde, als sie selbst überholte. Es gab also keine Möglichkeit, Elke zu beeindrucken - und somit keine Chance, zu ihrem Kindergeburtstag eingeladen zu werden.

Coupés sind doof - wegen Elke!

Wahrscheinlich gab es in vielen Grundschulklassen so eine Elke. Und weil diese Elkes womöglich viel zu wenige Jungs mit familiärem Fließhecklimousinen-Hintergrund zum Kindergeburtstag einluden, beschlossen die Verschmähten, kleine Coupés generell doof zu finden.

Besonders schlimm traf es dabei den Opel Manta. Mit welchem Recht haben wir uns eigentlich vor 15 Jahren so schamlos über dieses Auto lustig gemacht? 1975 debütierte der Manta B. Bis 1988 blieb er im Opel-Programm. Aber anstatt ihm danach einen würdigen Lebensabend zu gönnen und langsam zu einem Klassiker reifen zu lassen, musste er Anfang der neunziger Jahre den Hohn und Spott einer ganzen Nation ertragen.

Über den Scirocco wurden immerhin keine Filme gedreht, in denen Schauspieler, die besser unentdeckte Talente geblieben wären, tiefer gelegte Witze über Mantas im Allgemeinen und ihre Besitzer im Speziellen in die Kamera stotterten. Aber auch das Image des VW lag, sagen wir mal, unterhalb des Körpermittelpunktes. Galt er doch lange als prollige Aufreißerkiste. Selten wurde ein Satz über ihn geschrieben, in dem nicht auch das Wort Dorfdisco vorkam.

Günstig, robust, bezahlbar - die Vorteile der beiden Coupés

Beide Coupés haben ihr Schicksal nicht verdient. Sie sind nämlich großartige Autos. Es ist Zeit, sie von dem Schmutz reinzuwaschen, mit dem sie beworfen wurden. Opel Manta B und VW Scirocco II basieren auf Großserienautos: Der Opel teilt sich die Technik mit dem zeitgleich erschienenen Opel Ascona B, also längs eingebauter Frontmotor, Hinterradantrieb, Starrachse im Heck. Für den zweiten Scirocco nutzte VW 1981 erneut die Technik des ersten VW Golf: quer eingebauter Frontmotor, Vorderradantrieb. Zwei unterschiedliche Rechnungen, die zum gleichen Ergebnis führten: günstige und robuste Technik plus schnelle Form gleich bezahlbarer Coupé-Fahrspaß.

Manta und Scirocco mit sehr verschiedenem Charakter

Der B-Manta ist ein Wrestler. Er macht gerne eine Show, tut aber niemandem weh. Seinem Fahrer macht er es nie leicht. Aber deshalb macht der Opel Manta auch so viel Spaß, wenn man ihn bändigt. Man kabbelt sich herzhaft mit ihm, um sich sofort wieder mit ihm zu verstehen. Die Hinterräder haben so wenig Traktion, dass sie schon beim Ausparken quietschen. Beim Beschleunigen bäumt der Opel Manta hinten für die Dauer eines Wimpernschlages das Heck auf, schiebt dann erst stampfend voran.

Die Kraftübertragung klingt dabei so, als gäbe es zwischen Motor und Getriebe größere Reibereien. Erst oberhalb von Spielstraßentempo lässt sich die Lenkung mit erträglichem Kraftaufwand bewegen. Mit seinen breiten Reifen schnüffelt der Opel Manta jeder Spurrille hinterher. Die Beschleunigung bleibt diesseits von berauschend. Gut so. Denn hat man das Fahrwerk schon aufgebraucht, ist noch eine ordentliche Portion Leistung da. In Kurven schiebt, drückt und schwenkt das Heck heftig, aber nie tückisch, immer mit Ansage. Wer mit dem Opel Manta von der Straße fliegt, muss es so gewollt haben.

Das Pedalgefühl der Opel Manta-Bremse ist matschig und selbst bei vollem Druck bremst das Auto nur zögerlich. Heißt ja auch Verzögerung.  Doch dann dieses herrliche Getriebe: Präzise und flüssig klacken die Gänge durch die Ebenen. Der Schalthebel steht in den Stufen 1, 3 und 5 senkrecht auf dem Mitteltunnel, in 2 und 4 liegt er flach. Das schaut sehr sportlich aus. Wie die Sitzposition des Fahrers.

Der GSi Exklusiv ist sportlich ausgestattet

Der sitzt auf schwarz-roten Recaro-Sitzen. Die braucht man weniger aufgrund der extremen Geschwindigkeiten als vielmehr wegen der beträchtlichen Seitenneigung in Kurven. Mit seinem eher bockig als komfortabel abgestimmten Fahrwerk fährt man den Manta gerne auch etwas beschaulich. Dazu Fenster runterkurbeln - und schon erwischt man sich, dass der linke Ellenbogen wie selbstverständlich auf der Kante der rahmenlosen Türen liegt und die Stereoanlage ein wenig lauter als unbedingt nötig tönt.

Aber es lästert auch keiner mehr. Auch nicht über den besonders auffälligen GSi Exclusiv. GSi Exclusiv bedeutet neben den Recaros auch Sportlenkrad und eine rundum verirmscherte Karosserie mit Frontspoiler, Doppelscheinwerfern, Sportrückspiegeln, breiten Seitenschwellern und einem opulenten dreiteiligen Heckflügelarrangement, dass das gewiss nicht zierliche Hinterteil einzäunt. Der Flügel sorgt übrigens vor allem für wunderbare Übersichtlichkeit nach hinten. Vorneraus erblickt man eine gestreckte Motorhaube - durchaus sportwagenadäquat. Und das ist der Manta ja auch. Ein kleiner, ein bisschen unvernünftiger Sportwagen, der den Herzschlag seiner Besitzer flotter beschleunigt als sich selbst.

Die rollende Tennissocke - Scirocco White Cat

Der Scirocco gibt sich dagegen kühler, ist eher ein Schattenboxer. Mit ihm ist man heute viel unauffälliger unterwegs als im Manta. Selbst in der grellsten Version: White Cat. Im Frühjahr 1985 vorgestellt, bekommt dieses Sondermodell 14-Zoll-Aluräder, einen Rundumspoilersatz, grün getönte Scheiben, weiße Sitzpolster, eine Dachantenne - später exklusiv den 16-Ventil-Modellen vorbehalten. Und alles, was sich am Scirocco anmalen lässt, wird weiß lackiert. So schaut er zwar ziemlich nach Tennissocke aus.

Doch auch dem White Cat bleibt die ganze vernunft- und zweckbetonte Volkswagenhaftigkeit erhalten. Die zeigt sich Anfang der Achtziger von VW Designchef Herbert Schäfer windgeglättet. Zusammen mit VW Passat II und Polo II beendet der Scirocco II die Epoche des komplett kastigen VW-Designs.

Weil unter der strömungsgünstigen Scirocco-Karosse weiterhin Golf I-Technik sitzt, bleibt der Radstand bei 2,40 Meter. So bietet der Scirocco - bis auf die größere Breite - kaum mehr Platz als ein Polo Coupé. Ein bisschen was ging auch bei der Raumaufteilung daneben. Der Kopf stößt ans Dach, der Oberschenkel ans Lenkrad. Dafür passt die Ergonomie im Cockpit. Beim Manta lungern die Bedienungshebel ja etwas antiautoritär im Armaturenträger herum. Im Scirocco herrscht strenge Sachlichkeit. Wer hier an der Bedienung scheitert, sollte besser nicht Auto fahren. Nur der stark gekröpfte Schalthebel und das Vierspeichenlenkrad sorgen für etwas Sportflair.

Spannender als ein Golf GTI

Ohnehin kann man den Scirocco schwerlich als Rennmaschine bezeichnen. Nicht mit dem kultivierten 1,8-Liter-Langpleuel-Triebwerk. Das galt in Wolfsburg ja lange als motorische Allzweckwaffe. Aber zusammen mit dem hakeligen und lang übersetzten 4 + E-Spargetriebe - auch nicht gerade ein sportliches Highlight - entwickelt der Motor eine für ein Sportcoupé unterwältigende Dynamik.

Man muss schon ein ziemlicher Desperado sein, um sich auf Ampelduelle mit Autos der Leistungsklasse jenseits rentnergepflegter und goldfarbener Automatik-Jettas einzulassen. Den VW muss man auch nicht bändigen, man fährt mit ihm, nicht gegen ihn. Mit seinem kurzen Radstand zirkelt er viel flinker um Kurven als der Manta. Hebt dabei gerne mal ein Hinterrädchen. Wischt bei Lastwechseln in schnellen Kurven nur manchmal mit dem Heck weg - eher unterhaltsam als gefährlich. 

Traktionsprobleme verhindert die sachte Leistungsentfaltung. Und so fährt er sich viel spannender als ein VW Golf II GTI: agiler, tiefer, präziser, wendiger, mittendrinner. Weil er dabei auch begabt federt und wenig Krach macht, darf sich der Scirocco als kleiner, fast schon vernünftiger GT fühlen. Manta B und Scirocco II sind also gar keine Konkurrenten. Ganz früher vielleicht.

Aber dann wurde beiden das Wasser von Kadett GSi und Golf GTI abgegraben, als alle auf einmal keine Coupés, sondern nur noch Hot Hatches haben wollten. Wer Manta und Scirocco aber heute noch doof findet, kann sie nie gefahren haben. Und hat dann wirklich etwas verpasst. Viel mehr als bei Elkes Geburtstag.

 

Quelle: Motor Klassik