Nach der Piëch-Ära: VW plant den Umbruch
Wege aus dem Zentralismus
Unter Ferdinand Piëch bündelte der VW-Konzern seine Macht in Wolfsburg. Nach dem Abschied des Patriarchen soll der Zentralismus ein Ende finden.
Wolfsburg - Kann eine Handvoll Manager einen Konzern mit 120 Fabriken und 600.000 Mitarbeitern zentral lenken? VW-Patriarch Piëch hätte "ja" gesagt. Er ist nun weg, und Martin Winterkorn beginnt den Umbau.
Winterkorn muss nach der Kraftprobe, die vor 100 Tagen begann und mit dem Rücktritt des VW-Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch endete, die Weichen stellen für die Zukunft. Das Motto dazu: Dezentralisierung. Für den riesigen, weltumspannenden Konzern wird das eine neue Erfahrung.
VW-Zentralismus soll weichen
Volkswagen befindet sich gewissermaßen in einer Familientherapie. Die zwölf Marken könnten aufgeteilt werden, angedacht ist eine Viererstruktur. Offen fordern Top-Manager inzwischen mehr Familiensinn, weniger Klein-Klein und ein Ende des Wolfsburger Zentralismus. , der bisher den Nabel der VW-Welt bildet mit ihren 120 Werken - in denen vom Motorrad bis zum Schwerlaster praktisch jede Art Straßenfahrzeug vom Fließband läuft.
Noch Anfang des Jahres hatte Winterkorn dem "Stern" zur Kultur der VW-Führung gesagt: "Die wichtigsten Entscheidungen müssen zentral fallen." Es sei stets er, auf den die Wege zugeschnitten seien. "Am Ende muss einer entscheiden. Man kann ja nicht ewig diskutieren."
In der Nach-Piëch-Ära scheint das überholt. Die zwölf Marken sollen sich intelligenter sortieren; bei den schweren Nutzfahrzeugen MAN und Scania ist das mit einer eigenständigen Holding schon geschehen. Dieser Weg zu neuen Familiengruppen könnte als Blaupause dienen.
Wie geht es nach Piëch und Winterkorn weiter?
Seit Juli hat Winterkorn die Führung der Marke VW abgetreten an den Ex-BMW-Vorstand Herbert Diess.Der sagte in seinen ersten Worten an die Belegschaft gleich einem "Silo-Denken" den Kampf an.
Um Winterkorn herum, im Führungszirkel der Vorstände, könnten Posten bei einer dezentralen Neuaufstellung einfach wegfallen. Eigentlich herrscht nur an einer Front Ruhe: Piëch hat noch immer keinen Nachfolger. Der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber bleibt nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" noch mindestens bis Jahresende kommissarischer Aufsichtsratschef.
Bei all den Plänen geht es letztlich um die Balance für eine künftige Führung ohne Winterkorn und den Übervater Piëch. Winterkorn (68) regelt sein Erbe - das er, falls alles glatt läuft, ab 2016 als Aufsichtsratschef und Piëch-Nachfolger doch noch selber überwachen könnte. Daran hatte sich der Machtkampf einst entzündet.
Wandel wird sich langsam vollziehen
Die Eckpfeiler sollen diesen Herbst stehen, zur Aufsichtsratssitzung Ende September. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der für das Land im Präsidium des Gremiums sitzt, dämpft Erwartungen, wonach die Wolfsburger ihr Reich mit einem Paukenschlag neu ordnen. "Das ist ein Prozess", sagte Weil jüngst der Deutschen Presse-Agentur. "Bei Volkswagen steht keine Revolution an, sondern allenfalls eine Evolution."
In der Tat: Schon Anfang 2014 geißelte der VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh das enttäuschende Abschneiden in den USA als "Katastrophenveranstaltung" und forderte eine Entlastung für den Wolfsburger Flaschenhals.
Im Herbst 2014 warb Osterloh für die eigenständige Holding, die nun das Lkw- und Busgeschäft bei MAN und Scania verzahnt. Nach Osterlohs Willen hätte sie auch schon vor dem Antritt des VW-Nutzfahrzeugchefs Andreas Renschler kommen sollen.
Doch einer bremste: Piëch. Das Beispiel zeigt anschaulich, wie der Miteigentümer des Konzerns dachte: Die VW-Welt war nach seiner Vorstellung zugeschnitten auf einen engen Machtzirkel aus Top-Managern, der im Zweifel nur aus Winterkorn und ihm bestand.
Piëchs-System der "inneren Mannschaft"
Piëch schreibt in seiner Biografie, eine "innere Mannschaft von fünf bis zehn Leuten, deren Zusammenspiel wiederum nur ein Einzelner im Detail lenkt", sei für ihn das Erfolgsrezept. Nun sucht VW einen neuen Weg.
Diess soll das vor einem Jahr gestartete milliardenschwere Sparprogramm für die renditeschwache Kernmarke vorantreiben. Das ist nicht ohne Risiko für den Neuen. Ein Konzerninsider glaubt: "Wenn er das Effizienzprogramm zum Erfolg führt, heißt es, er habe Winterkorns Konzept erfolgreich umgesetzt. Und wenn er scheitert, heißt es, er sei wohl der Falsche."
Der VW-Umbau steht vor großen Herausforderungen
Vor Diess liegt eine Sisyphusarbeit. Die Detailversessenheit der Ingenieure treibt mitunter wundersame Blüten. Der Konzern hat beispielsweise mehr Außenspiegel als Automodelle, und mancher Kleinwagen-Außenspiegel ist auf schwere Limousinen ausgelegt.
Im Gespräch ist eine Viererstruktur, bei der die Massenmarken VW-Pkw, Skoda und Seat die größte Säule bilden. Die drei kommen zusammen auf fast 75 Prozent des Konzernabsatzes. Vor allem aber nutzen sie schon viele gleiche Bauteile markenübergreifend.
Auch die Marktbearbeitung wirkt Kritikern wie Osterloh zuweilen zu zentral und damit zu starr. Und so sind für die künftige Besetzung im VW-Vorstand nur die Posten Finanzen, Einkauf und Personal gesetzt. Vertrieb dagegen nicht - das träfe Christian Klingler. Und auch die Produktion ist seit der Demission von Michael Macht vor einem Jahr unbesetzt - und dürfte es nun wohl auch bleiben.
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Ihr habt das stückzahlenmäßig erfolgreichste Produkt nicht im Ansatz erwähnt...
notting
PS: Diesen von mir hier zitierten Fehler mit den Satzzeichen sollte doch eine Rechtschreibprüfung erkennen?
Kommt jetzt wieder die ermüdenden Currywurst-Diskussion?
Gähn...
Nein, die Bobby-Cars mit VW-Logo. 😆
Nö, keine Diskussion, nur eine Erwähnung.
notting
Gehsse in'ne Stadt, wat macht dich da satt? - 'ne Körriwuast! 😆
https://www.youtube.com/watch?v=apdc2tZCpKg
Was an der Thematik so spannend ist, dass VW
a) eine betriebseigene Metzgerei hat, die die Werkskantinen versorgt (was angesichts der MA-Zahl ja irgendwie naheliegt...)
b) dort u.a. ein Currywurst herstellt, die unterdessen nicht nur in den Werkskantinen zu bekommen ist (wie ich aus meiner akt. Zeit dort selbst noch gern erinnere) oder in der Autostadt, sondern auch außerhalb der Werksgelände
ist mir bis heute nicht klar geworden, zumal dann nicht, wenn diese Tatsache mit einem verschämten "kicher-kicher" vorgebracht wird.
Na gut, wenn man div. Sendungen auf RTL sieht oder den einen oder anderen Comedian (ich sage nur: Mario Barth), dann weiß man, dass es mit dem dt. Humor noch immer nicht sonderlich toll bestellt ist und dass einigen schon banalste Dinge reichen, um sich darüber schier totzulachen.
Für simple Gemüter reichen eben auch simple Witzchen! 😊
...bei uns gab´s heute Frankfurter Grüne Soße. Ist sonst noch was wichtiges passiert?
Habe ich in dem Eröffnungsbeitrag jetzt etwas Wichtiges überlesen oder wie wirkt sich der neue Kurs auf die Wurstproduktion aus? 😕
Die Produktion der Würste muß gesteigert werden 😉
Solange man sich selbst nicht dazu zaehlen muss ist doch alles paletti?
Genaugenommen sind diese Nachrichten ebenso ermüdend wie die von der Kurzarbeit bei Opel.
Es stecken politische Entscheidungen dahinter, es kann gutgehen, muss aber nicht, und letztendlich weiß man erst, ob es eine gute Idee war, wenn danach die Produkte gut sind und laufen. Und das tun sie normalerweise, wenn man die richtigen Entscheidungen getroffen hat - ganz gleich unter welcher Struktur, es sind halt nur eventuell andere Köpfe die Entscheider.
Man weiß halt nie im Voraus - führt das nun dazu, dass ein Werk oder eine Marke (mit oder ohne Absicht) systematisch abgesägt wird, weil sie später keine Entscheidungsfreiheiten mehr hat oder falsch geleitet wird... oder dass dieselbe oder eine andere dafür aus dem Schatten drängt, weil man nun was richtig macht, was bisher einfach nicht funktioniert hat.
(Sollte man in naher Zukunft u.a. weniger Motorenprobleme durch unausgereifte Technik verursachen, war der Umbau gut 😆)
Richtig wäre in jedem Fall, die Anzahl der Bedenkenträger zu reduzieren. Ich hab aber meine Bedenken (!), dass die nur irgendwohin verschoben werden, dazu gab es ja jahrzehntelang genug Beispiele 😉
Eine (auch allg.) wirtschaftl. "Schönwetter"-Situation kann aber durchaus dazu führen, dass man bei Fehlentscheidungen weicher fällt bzw. dass die Auswirkungen erst viele Jahre in der Zukunft spürbar werden - wenn die damaligen Entscheider gerade vllt. schon wieder den nächsten Laden an die Wand fahren...
notting
Tja, warten wir es ab, was in jetzt in WOB passiert. Erst in paar Jahren wird sich zeigen, ob der Weg nach Piechs Abgang richtig ist. Die Currywurst schmeckt aber.
Die markenübergreifende Nutzung vieler Bauteile wird weiter sicher bestehen und ob sich eine neue Freiheit der Einzelmarken auch auf das Design oder die Modellvielfalt auswirken wird, bleibt abzuwarten. Wo bei neuen Modellen hohe Summen bewegt werden, wird eine Entscheidung sicher auch mit zentral diskutiert und mitverantwortet werden.
Ob bei einem emotionalen Produkt sich hier bei VW viel ändern wird bleibt abzuwarten - eher nein würde ich vermuten. Kunden leben in der Außenwelt und sehen zunächst die Autos, Designs und die Verkaufsstellen/Werkstätten. Für den Kunden ist es völlig unwichtig, wie aufgeblasen oder schlank die Strukturen sich intern darstellen. Für den Mitarbeiter ist es aber eher das, was ihn interessiert. Es dürfte somit für die Mitarbeiter fühlbarer und wichtiger sein.
Der Kunde steht vor der Black-Box und sieht nur, was rauskommt. Ob in der Box etwas zentral o. dezentral gesteuert wird, ob die Verwaltung zu aufgeblasen oder nicht ist, ob ... ist für den Kunden nicht beeinflussbar und nicht sichtbar. Wenn der Konzern hier aber "zu fett aufgestellt ist, schrumpft die Rendite natürlich spürbar ab", weil die Leistungserbringung schlicht zu teuer ist. Auch verlangsamt sich unnötig die Reaktionsfähigkeit auf äußere Markteinflüsse.
Also hört der Kunde es momentan stärker in der Black Box rappeln und schaut nun interessiert, was denn da nun aus der Box herausgerollt kommt. Passiert jetzt etwas Überraschendes ? Kommt mehr Individualität ? Mehr Qualität mit 7 Jahre Garantie ? Mehr Modelle ? Mehr Nischenabdeckungen ?