Realverbrauch versus Normverbrauch
Wenn Spritspar-Technik nur Makulatur ist
Eine neue Studie zeigt: Die Differenz zwischen dem realen Spritverbrauch und den Herstellerangaben ist seit 2001 von 10 auf 25 Prozent gewachsen. Der VDA kritisiert die Studie.
Berlin - Autos verbrauchen auf der Straße deutlich mehr Sprit als auf dem Papier. Das weiß jeder. Laut einer aktuellen Studie des International Council of Clean Transportation (ICCT) geht es hierbei aber nicht nur um ein paar Tropfen, sondern um 25 Prozent. Das entspricht im Durchschnitt einem Mehrverbrauch von 1,4 Litern auf 100 Kilometer oder 34 g/km höheren CO2-Emissionen.
Die jetzt veröffentlichte Studie verglich die Hersteller-Verbrauchsangaben mit realen Verbrauchsdaten und unabhängigen Verbrauchstests. Wie die Herstellerdaten zustande kommen, ist klar: Im Rahmen der Typzulassung durchlaufen Autos eine Verbrauchsmessung gemäß Neuem europäischem Fahrzyklus (NEFZ).
Die Datenbasis
Wie aber lassen sich tatsächliche Verbräuche ermitteln? Das ICCT entschied sich für die Auswertung verschiedener, öffentlich zugänglicher Datenbestände. Dazu zählen die deutsche Seite spritmonitor.de sowie das britische Portal honestjohn.co.uk, Daten der holländischen Flottenfirma LeasePlan, des Tankkarten-Anbieters Travelcard, Tests des britischen WhatCar?-Magazins sowie des Schweizer Automobilclubs TCS und des deutschen ADAC.
Die Daten reichen zurück bis ins Jahr 2001, und in der zeitlichen Entwicklung fanden die Statistiker das eigentlich Spannende an der Studie: Die Differenz zwischen Herstellerangaben und Realverbräuchen wuchs zwischen den Jahren 2001 und 2011 von 10 Prozent auf den aktuellen Wert von 25 Prozent. Und: Die größten Sprünge ergaben sich mit dem Inkrafttreten von CO2-Grenzen auf europäischer Ebene.Technische Ursachen
Was das bedeutet: In der Praxis ist die Sprit-Ersparnis durch moderne Kraftfahrzeugtechnik deutlich geringer, als die Herstellerangaben vermuten lassen. Dafür gibt es verschiedene Ursachen. So ist beispielsweise die Start-Stopp-Technologie, die im Stillstand den Motor abstellt, seit Jahren auf dem Vormarsch. Ihr Effekt im NEFZ-Messzyklus ist aber deutlich größer als in der Realität, denn im Zyklus steht das Fahrzeug satte 25 Prozent der Zeit still.
Wie das ICCT in seiner Studie schreibt, stieg auch der Anteil der Autos mit Klimaanlage in den letzten Jahren deutlich an. Von 25 Prozent im Jahr 1995 auf 96 Prozent im Jahr 2008. Klimaanlagen werden aber bei der Messung der NEFZ-Verbrauchswerte grundsätzlich deaktiviert.
Hinzu kommt, dass Autohersteller alle Möglichkeiten nutzen, den Zyklus besonders sparsam zu absolvieren. Dazu gehören erlaubte Mittel wie Leichtlauföle und –reifen, und bei Automatikgetrieben die exakte Abstimmung der Schaltpunkte auf den Zyklus. Bei manuellen Schaltgetrieben sind die Schaltpunkte vorgegeben.
VDA: Vergleich nicht aussagekräftig
Ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) kritisiert: Die Gegenüberstellung des NEFZ mit der "Realität" sei wenig aussagekräftig. Der NEFZ sei ein von der EU vorgegebener und zertifizierter Test und entspreche nicht dem Fahrprofil eines einzelnen Autofahrers.
Die Autos werden nicht auf der Straße, sondern auf dem Rollenprüfstand getestet. Gegen geltendes Recht würde damit nicht verstoßen, so der Sprecher. Im Gegenteil: Dass die Klimaanlage ausgeschaltet werde, sei beispielsweise Vorgabe der EU. Bei konstanten 80 Stundenkilometern könne ein Autofahrer die NEFZ-Werte durchaus unterschreiten, im Stau liege er aber darüber.
Bereits seit 2009 arbeiten Experten, Politik und Industrie an einem Nachfolger des NEFZ namens Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedures (WLTP). Der neue Zyklus soll auf den Fahrprofilen von Autofahrern aus aller Welt beruhen und deutlich realistischere Werte liefern.Bis wann der neue Zyklus in der EU eingeführt werden kann, ist offen. Das EU-Parlament möchte die neuen Testmethoden 2017 einführen, intern plant die WLTP-Arbeitsgruppe aber mindestens bis 2018. Ab 2020 dürfen die Neuwagenflotten der Hersteller nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Derzeit gilt ein Zielwert von 130 Gramm.
Zum Nachlesen: Die Studie des ICCT zum Download
Quelle: ICCT; m. Material v. dpa
Die Abweichung ist ja auch logisch. Wenn ich was teste was in der Realität kaum bis garnicht nach zu vollziehen ist, dann bekomme ich Ergebnisse die sich eben entsprechend wenig mit der Realität decken.
Aber das ist ein kaum lösbares Problem. Da es unendlich viele Nutzungs- und Streckenprofile gibt. Wie soll man diese Realitätsnah abbilden?
Wie weden Gewicht und Luftwiderstand auf einem Rollemprüfstand simuliert?
Problem sehe ich eher bei der KFZ Steuer, da die Fahrzeuge ja nach dem c02 Ausstoss besteuert werden. Aber wie will man das überhaupt genau festlegen.
Aber die Grundregel Kraft kommt von Kraftstoff bleibt. Schon lustig was im Prospekt einiger Fahrzeuge für Verbräuche angegeben sind. Der Oberklopfer! Siehe Prospekt RS6 und BMW M5.
Wieder mal viel Wind um nichts. Nichts was nicht jeder schon weiß garniert mit stümperhaften Aussagen der Autolobby.
@itpassion: Ein genaues Abbild für jedermann ist tatsächlich kaum zu machen. Eine deutlich realistischere Einschätzung aber sehr wohl. z.B in dem man Beschleunigungsphasen auf realistische Werte verkürzt, Zusatzverbraucher die einen besonderen Verbrauchsanstieg bewirken wie Klimaanlagen verpflichtend hinzu schaltet, Standzeiten verkürzt und die Höchstgeschwindigkeit auf die von vielen Ländern erlaubten 130 km/h anhebt. Ebenso müssen die Fahrzeuge mit den Reifen bestückt werden, welche auch zum Kunden geliefert werden und die gleichen Betriebsstoffe eingesetzt werden wie beim Kunden. Schon hätte man eine DEUTLICH aussagekräftigere Zahl.
Danach muss natürlich die Richtlinie zur KFZ Besteuerung angepasst werden.
doppelt sorry -.-
Am sinnvollsten wäre es wohl, grundsätzlich die Volllastverbräuche der Fahrzeuge anzugeben.
Ich glaube der gestiegene Mehr-Verbrauch liegt auch an den neuen Turbomotörchen. Turbo läuft, Turbo säuft. Ein Sauger verbraucht zwar auch viel wenn man ihn tritt, er steigt jedoch nie so in astronomische Höhen wie der Turbo.
Das würde auf jeden Fall Sinn machen. Was mich wundert ist, dass der "Innerortsverbrauch" immer relativ nah an der Gesamtrealität lag. Schon erstaunlich wenn man sieht wie da getestet wird.
Der Gedanke ist im Grunde nicht abwegig. Wobei er zusätzlich angegeben werden sollte. Wenn man dann alle Werte addiert und durch die Anzahl der Werte teilt, liegt man sicher irgendwo realistischer. Wobei ich bei meinem Passat nichts dergleichen feststellen kann. Ich komme im Schnitt auf 7,1 bis 7,2 Liter. Bin das Auto allerdings auch schon mit 3,9 bis 4 gefahren.
Gerade die neuen Turbos brauchen real verdammt wenig, man schaue sich nur mal die neuen 1.0 Ford Ecoboost Motoren an, und zwar die echten Testverbräuche.
Wen interessiert das? Und welche Vollast überhaupt, bei welcher Drehzahl in welchem Gang? Wie oft läuft ein Motor mit Volllast: 0,1% seiner Zeit? 0,01%? De facto die uninteressanteste Zahl überhaupt.
Es bleibt dabei - die NEFZ ist eine hypothetische Zahl, die zu erreichen ist, aber dann Fahrweise wie NEFZ erfordet. Das die Richtlinie recht weich aufgeschrieben ist und viele Parameter zur Optimierung lässt, liegt nicht an den Autoherstellern. Das die Optimierungen seit Strafen darauf stehen, wenn der Papier-CO2 Ausstoss zu hoch ist, gerne genutzt werden, ist doch wohl kaum verwunderlich.
Niemand will den NEFZ anfassen. Ändert man ihn, so steigen die CO2 Werte: Auch die EU weiss ganz genau, dass reale 90g CO2 technisch nicht machbar sind, müsste also ihre hehren Ziele aufgeben. Das wird sie natürlich nicht tun.
@Luke1972: Durch den eingestellten Widerstand der Rolle. Der wird aus Ausrolltests ermittelt (bei dem dann Elemente wie Reifendruck, Aussentemperatur etc. ihre Rolle spielen).
@draine: Altes Märchen, stimmte vor 40 Jahren, aber wird nicht wahrer. Moderne Turbos sind auch unter Vollast so sparsam wie gleichstarke Sauger. Das hat die Autobild längst getestet. Sparsamer können sie natürlich nicht sein - es sind die kW, die genutzt werden, die den Verbrauch bestimmen. Die Turbos sind aber in Teillast viel sparsamer und die ist es, die im NEFZ die grösste Rolle spielt (das hängt auch wieder mit dem PS-Wahn der letzten 20 Jahre zusammen). Aber manche sehen es eben als Vorteil an, wenn ein Auto immer 10l/100km verbraucht und bei der deutschen Autobahnjagd 14l/100km, statt das es "normal" 8l/100km braucht und dann bei der Hatz auch 14l/100km. Das ist rein psychologisch, denn man hat eine bessere Rechtfertigung für die Raserei ("verbraucht eh kaum mehr").
Amen
Über die Antriebskraft, die auf die Rollen ausgeübt werden muss (die Rollen werden mal mehr und mal weniger stark gebremst).
Als ich meinen Wagen neu gekauft hatte, habe ich die Angaben des Herstellers sogar unterschritten. Mittlerweile liege ich drüber, was aber eher daran liegt, dass ich nun zwischendurch auch mal eine kürzere Strecke fahre. Wenn ich aber nach Berlin fahre, dann überschreite ich die Angaben des Herstellers dennoch nicht um die besagten 25%. Und das obwohl ich nicht nur stur 80-90 fahre im 6. Gang, sondern 120-130. Ich kann jetzt nur für meinen Wagen sprechen, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass viele das eigene Fahrprofil unterschätzen. Selbst mit gemieteten Fahrzeugen habe ich nie mehr als 10% über den Herstellerangaben gelegen (abgesehen von Vollgasorgien 😆).
Das die Ermittlung der Werte beim NEFZ trotzdem manchmal seltsam sind, das bestreite ich nicht 😆
Ein neuer Verbrauchszyklus schadet erstmal, wenn man genau darüber nachdenkt, fast Allen.
Der Normalbürger zahlt dank "gestiegenem" Verbrauch mehr Steuern, die Automobilhersteller zahlen Strafsteuern und müssen teurere Spritspartechniken einbauen, die dann wiederum der geneigte Autokäufer als Aufschlag beim Neuwagenkauf bezahlt.
So weis doch Jeder, dass man gute 20-25% drauf tut und dann den realen Verbrauch hat ;-)
Der "Gewinner" wird natürlich auf Dauer die Umwelt sein, da die Verbräuche real und im Alltag sinken sollten. Das wird dann natürlich die Ölmultis wieder nerven 😆
Und um zu guter Letzt' noch etwas Zündstoff in die Diskussion einzuwerfen:
Wie wäre es denn, den realen Co²-Ausstoß des Fahrers zu besteuern?
Mein Bruder z.B. verbraucht dank seiner Fahrweise mit seinem 115PS (?) Golf 3 Cabrio mehr Benzin, als ich mit meinem A4 mit 220PS an Autogas Verbraucht habe.
Die Möglichkeit wäre dann: Jeder Neuwagen erhält ein zusätzliches Bauteil, dass den Verbrauch gemäß (eingemessener) Verbrauchsanzeige aufzeichnet und bei jedem TÜV-Besuch ausgewertet wird (meinetwegen mit einem irgendwie verplombten Chip, der nur einfach beschreibbar ist und dann bei jedem Besuch getauscht wird). So würde man dann nur alle zwei Jahre KfZ-Steuer bezahlen, aber dann wirklich fair nach verursachtem Ausstoß. Es gäbe dann Von-Bis-Listen, die dann die Steuer festlegen würden, je nach verwendetem Kraftstoff (wegen wirklich giftiger Subastanzen im Abgas).
So wäre das System wirklich einfach nur fair und man könnte durch umsichtige Fahrweise seinen Schadstoffausstoß und somit die Steuer selbst "bestimmen".
Dann würde der, der wirklich viel fährt und somit das Straßennetz mehr belastet (denn zum Erhalt dessen ist die Steuer ja eigentlich mal da gewesen...) auch mehr bezahlen.
Das war ja nur mal ein Denkansatz :P
MfG
Blubba