Recht: Haftung bei Ketten-Auffahrunfall
Wer auffährt, hat nicht immer Schuld
Wer auffährt, hat immer Schuld. Laut einem aktuellen Gerichtsurteil gilt das nicht immer – zum Beispiel dann, wenn der Unfallhergang nicht mehr genau aufzuklären ist.
Hamm - Nicht immer ist der Auffahrende bei einem Autounfall automatisch schuld. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Sind an dem Unfall mehrere Fahrzeuge beteiligt und ist der Ablauf der Zusammenstöße nicht mehr aufzuklären, muss etwas anderes gelten als der so genannte „Beweis des ersten Anscheins“. Der spricht gewöhnlich dafür, dass der Auffahrende mit einem zu geringen Sicherheitsabstand gefahren ist oder zu spät reagiert hat.
Der Fall: Bei einem Auffahrunfall mit mehreren Fahrzeugen prallte eine Frau als letzte der Unfallbeteiligten auf das Auto vor ihr. Das Fahrzeug des Vordermanns erlitt einen Heckschaden sowie einen Frontschaden – wobei nicht aufzuklären war, ob die Frau durch das Auffahren den Pkw auf das andere Auto geschoben hatte oder der Fahrer zuvor bereits mit dem vorausfahrenden Wagen kollidiert war.
Der Kläger wollte den Heckschaden zu 100 Prozent ersetzt haben, das OLG Hamm sprach ihm aber nur einen 50-prozentigen Ersatz des Schadens zu. Denn der Beweis des ersten Anscheins sei bei Kettenauffahrunfällen nicht anzuwenden, so das Urteil. Der typische Geschehensablauf liege nicht vor, wenn nicht feststehe ob das vorausfahrende Fahrzeug rechtzeitig hinter seinem Vordermann zum Stehen gekommen sei. Es bestehe die Möglichkeit, dass der Kläger für die Frau unvorhersehbar, ruckartig zum Stehen gekommen sei, indem er seinerseits auf seinen Vordermann auffuhr.
Quelle: Spotpress
Aktuell ?
Das war schon immer so.
Kapier ich nicht...in diesem Fall hat die Frau doch auch den Sicherheitsabstand unterschritten?
Hi!
Einfach den Einbau der Überwachungskaremas in den Autos legalisieren, welche z.B. immer nur die letzen 30 min speichern und danch überschreiben und gut ist. Das ist auch keine Überwachung, da die Polizei die bilder NUR im Falle eines Unfalls bekommt, sonst eben nicht. Dann würde man die Handynutzer und Blinkkermuffel auf frischer Tat ertappen 😆.
Gruß
Micha
Wenn wir davon ausgehen, dass jedes Auto gleich gut (voll)bremst, dann ist der Sicherheitsabstand dazu da, um trotz reaktionszeit ohne Kollision mit dem Vordermann zum stehen zu kommen, obwohl dieser voll bremst.
Kracht jetzt der Vordermann auf das vorausfahrende Fahrzeug, dann verzögert er wesentlich schneller, als es jede Bremse kann und der Hintermann kommt trotz Sicherheitsabstand und Vollbremsung nicht mehr rechtzeitig zum stehen.
Da würde dem Aufgefahreren eine DashCam helfen, wenn sie zeigt, dass er normal zum Stehen gekommen ist. Immerhin kann sich der Richter entscheiden, dieses Video als Beweis zuzulassen, und dann wäre diese "Ungewissheit" ganz schnell ausgeräumt.
Tja, die Dash-Cam darf's richten...
Wenn leider der vorderste auch nicht im Bewußtsein hat, ob's 1 oder 2-mal bei ihm eingeschlagen hat/spürbar wurde ;o)
Das hab ich im V+S schonmal beschrieben.
Einfache Überlegung dazu ist auch:
Vor mir ein LKW. Der fährt mittig über einen auf der Fahrbahn liegenden 20 cm Holzklotz. Ungebremst.
Jetzt taucht der Klotz unter dem LKW auf.
Ich kann im Gegensatz zum LKW nicht über 20 cm drüber ohne Schaden.
Schaffe ich das mit Mindestabstand? 😆
Der Sicherheitsabstand im Sinne eines Minimum funktioniert eben nach dem Prinzip, daß man dort bremst wo der bremsende Vordermann vor 2 Sekunden war. 😆
Wird der jetzt kaltverformt (Auffahren auf nen LKW) abgebremst ist dieser Sicherheitsabstand nicht mehr da.
Interessant, aber, daß sich das Gericht auf so eine Definition einlässt.
Das Gesetz selbst definiert keinen Abstand...
Ich würde die Schuld trotzdem beim Auffahrer sehen.
(ja, bei Massenunfällen wird das anders geregelt, ist klar)
Vorausschauendes Fahren.
Oder, wenn man nicht vorausschauen (durch den Vordermann, LKW, Sprinter...) kann - dann eben mehr Abstand.
Defensive Driving.
Wenn ich das richtig verstehe, wurde dem mittleren Unfallopfer also der Heckschaden voll erstattet, und der Heckschaden des ersten Autos wurde geteilt zwischen dem ganz hinteren und dem mittleren Fahrer. Somit wäre die Gesamtschuld 75/25 für den hintersten Auffahrer. Aber sicher bin ich mir nicht, die Formulierung ist zu kompliziert.
Tja, kein einfache Sache, allerdings müsste der Fahrer des ersten Autos ja wissen, ob es einmal oder zweimal gekracht hat. IMHO ist es nicht zu verlangen, dass der Sicherheitsabstand miteinplant, ob man von hinten auf den Vordermann aufgeschoben wird, da die Wucht ja nicht kalkulierbar ist.
Das verstehst du falsch. 😉
Liegt aber an MT - MT verkürzt sehr stark und gibt grundsätzlich wohl keine Links und keine Aktenzeichen an. 🙄
http://www.justiz.nrw.de/.../6_U_101_13_Urteil_20140206.html
4 Fahrzeuge.
Nr. 3 verklagt Nr. 4 und kriegt nur 50 % "weil ja sein könnte, daß er (Nr. 3) kaltverformt an Nr. 2 abgebremst hat" und "das kein typischer Ablauf" wäre.
Problem das ich eben sehe, der Mindestabstand ist im Prinzip eine reine Erfindung des Bußgeldkatalogs.
Im Sinne von "wenn das unterschritten ist kostet es".
Aber ob der ausreichend ist... 😉
Beim AB § gibt es sogar explizit das Wort "ausreichend".
Original geschrieben von Archduchess
@Mod: Das o.a. ist wahrlich zu beklagen und ziemlich unprofessionelles auftreten seitens MT !
bei mir löst dieses Urteil absolutes Unverständnis aus.
Fassen wir zusammen: Der Vorletzte hat ein defektes Heck und bekommt den Schaden nicht zur Gänze ersetzt. Er hat demnach eine Teilschuld. Welches Vergehen hat er begangen? Achja, er stand. Ob er jetzt wiederrum seinem Vordermann davor aufgefahren ist oder nicht ist imho nebensächlich. Fakt ist, er stand und die letzte in der Kette konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Ich sehe kein schuldhaftes Verhalten ihres Vordermannes, was hätte er tun sollen um den Auffahrunfall hinter sich verhindern zu können - über die zwei Autos davor drüberspringen? Brauchen wir in Zukunft einen "Kitt" um uns vor solchen Urteilen schützen zu können?
Oh man, da waren ein paar Rechtsverdreher am Werk und ein Richter(in?) kurz nach dem Studium. Ich (wenn ich Dritter wäre) würde zu einem Oberlandesgericht etc. gehen, vielleicht findet man dort ein offenes Ohr für den Passus in der Stvo wonach man immer rechtzeitig stehen bleiben können muss und entsprechend Sicherheitsabstand und Geschwindigkeit zu wählen hat. Alles andere ist eine freie Auslegung und völlig indiskutabel.
Habe ich schon lange drin.
peso
Den Auffahrunfall vor sich verhindern, denn sein eigener zu niedriger Abstand mit der Folge dass er aufgefahren ist hat erst den Unfall ausgelöst.
Es ist eine Unsitte, solche Urteile als Aufhänger für einen Artikel zu nehmen. Da wird so getan, als könne man aus einer untypischen Situation eine allgemeine Regel ableiten. Das Ergebnis ist Konfusion! Also das Gegenteil von dem, was man braucht. Der Sachverhalt konnte vor Gericht nicht vollständig aufgeklärt werden. Also musste irgendwie eine diesem Einzelfall angemessene Entscheidung getroffen werden. Mehr nicht! Darum lohnt es nicht, darüber zu diskutieren.
Grüße vom Ostelch