Rallye Monte Carlo für alternative Antriebe

Wer hier grün fährt, fährt hinterher

Björn Tolksdorf

verfasst am Wed Mar 26 16:50:33 CET 2014

Sand und Felsbrocken auf der Piste, ein 68-PS-Motörchen am Limit und eine Sammlung gelber Zettel. Zwei MOTOR-TALKer fuhren die Öko-Monte und lernten: Öko ist hier nicht viel.

Rallye Monte Carlo für Alternative Antriebe, das klingt nach Müsli. Ist aber trotzdem Rallye Monte Carlo. Und das bedeutet hart gefahrene Zeitprüfungen auf Hochgebirgspässen, lange Etappen und plötzliche Wetterwechsel

Monaco – Die Rallye Monte Carlo ist ein Mythos. Ausgetragen seit 1911, verbunden mit Namen wie Walther Röhrl, Didier Auriol oder Sébastien Loeb. Dort, wo die Alpen direkt ans Meer grenzen (und deshalb Seealpen heißen) ist das Wetter unberechenbar, winden sich schmale Gebirgspässe in haarnadelengen Kurven schroffe Felswände hinauf. Kommt man zurück ins Tal, scheint die Sonne als wäre nichts gewesen über der Bucht des wohlhabenden Zwergstaats an der Cote d’Azur.

Auch die Legende kann sich dem Zeitgeist nicht entziehen. Deshalb veranstaltet der Automobilclub Monaco, ältere Herren mit selbstverordneten Orden, in diesem Jahr bereits zum 15. Mal die Rallye Monte Carlo für alternative Antriebe.

Alternativ sportlich

Derk und Björn verbrachten insgesamt vier Tage im Citigo
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Für MOTOR-TALK-Moderator der_Derk und mich, Redakteur Björn, beginnt eine mehrtägige Rallye-Lehrstunde. Erste Lektion: 17 Jahre nach dem ersten Prius dürfen sich Fahrzeuge mit Strom-, Gas- und Hybridantrieb sowie Autos mit E85 oder Biodiesel im Tank "alternativ" nennen.

Damit niemand das Wort "alternativ" mit unsportlich verwechselt, gestaltet der Automobilclub Monaco die Zeitvorgaben entsprechend stramm. Ob deswegen auch das Roadbook fehlerhaft ist und das Navi abgeschaltet bleibt? Wir wissen es nicht.

Am ersten Tag fahren wir von Clermont-Ferrand nach Aix-en Provence. 545 Kilometer in elfeinhalb Stunden. Klingt einfach, ist es aber nicht. Die Einfahrt nach Aix-en Provence muss auf einer exakten Route erfolgen, weil wir zwei Tankstellen anfahren müssen. Nach dem Tanken müssen wir die Spritmenge gegenzeichnen, dann wird der Tank versiegelt. So messen die Veranstalter den Verbrauch.

Ohne Navi und Ortskenntnis, dafür mit Michelin-Atlas und Funklöchern fahren wir eine halbe Stunde zu spät ins Ziel. Dafür gibt es erste Strafpunkte.

Auch die Profis sind überrascht

Unterwegs sind wir mit dem Team Skoda. Es besteht aus vier Autos. In einem davon sitzt der siebenfache deutsche Rallye-Meister und heutige Werksfahrer Matthias Kahle. Sein Beifahrer Peter Göbel fuhr schon viele Rallyes und verantwortete fast so viele als sportlicher Leiter. Aber selbst ihn überraschte die Nachricht, die ihn vor einem Tag erreichte:

Der Veranstalter montiert zwar ein GPS-Gerät namens Tripy II in den Autos, zur Überwachung und eigentlich als Navigationshilfe. Doch Tripy bekommt keine Navigationsdaten. Die Teilnehmer müssen mit Routenbeschreibungen auf Papier navigieren. Unsere Panik teilen wir mit allen anderen Nichtfranzosen.

Vorbereitung ist alles: Die Werksfahrer Peter Göbel (l.) und Matthias Kahle (r.) planen den Tag
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
„Alle, die hier vorne mitfahren, haben getestet und kennen die Route“, sagt Peter. Er zum Beispiel. Die anderen, wie wir, nicht. Mit einer Sammlung gelber Zettel und einer Kopie von Peters Unterlagen fahren wir am nächsten Morgen Richtung Seealpen.

Jede Sekunde ein Strafpunkt

Unser Skoda Citigo G-Tec emittiert 79 Gramm CO2 pro Kilometer, das entspricht 2,9 kg Erdgas pro 100 Kilometer. Auf der anderen Seite stehen magere 68 PS und 90 Newtonmeter maximales Drehmoment, beides erst bei hohen Drehzahlen. Bei der ersten Wertungsprüfung stört das noch nicht. 24 Kilometer lang geht es durch sanfte Täler, hügelige Wälder und kleine Ortschaften, mit einem vorgegebenen Durchschnitt von 48 Kilometern pro Stunde.

Wir verdienen uns mit 42 Sekunden Abweichung 42 Strafpunkte – immerhin sechs weniger als Matthias Kahle, dem ein Lkw die Durchfahrt versperrt. Der Sieger fuhr auf drei Sekunden genau.

Das war harmlos, die Eingewöhnungsrunde. Im richtigen Gebirge, auf den Pässen Col St. Raphael und Col de la Madone, schmecken wir das bittere Monte-Aroma. Und lernen, wie schnell 45 bis 50 Kilometer pro Stunde sein können – zu schnell für uns.

Anspruchsvoll, aber verantwortungslos

Der Citigo nimmt manche Steigung nur im ersten Gang und erreicht nach Kehren nur mühsam wieder Geschwindigkeit. Den schmalen Pass-Straßen fehlt an vielen Stellen jede Absicherung. An anderen vermitteln bröcklige Begrenzungsmauern ein wenig, gelegentlich eine Leitplanke etwas mehr Sicherheit. Die Rallyestrecken sind nicht abgesperrt, auf den Pisten liegen Sand, Kies und spitze Steine. Unter diesen Bedingungen bedeutet ein Schnitt von 49 Kilometern pro Stunde echten Sport für erfahrene Rallye-Fahrer, für uns puren Stress.

Die Erfahrenen wissen so wenig wie wir, was hinter der nächsten Kurve passiert, oder besser, hoffentlich nicht passiert. Manche ignorieren das, die anderen landen weit hinter der Zielzeit. Was bezweckt der Veranstalter mit so straffen Zeitvorgaben in so einem Gelände? Ja, diese Situationen gehören zur klassischen Monte, deren berühmteste Wertungsprüfung „Nacht der langen Messer“ heißt. Ja, sie bringen echte sportliche Herausforderungen in die Öko-Monte.

Dichter Nebel auf dem Hochpass Col de Braus
Quelle: MOTOR-TALK
Aber die Öko-Monte ist nicht die Monte. Hier fahren neben Profis auch Leute wie wir, mit wenig oder keiner Rallye-Erfahrung. Uns begegnen Autofahrer, Radfahrer, Wanderer, denen der Monte-Mythos egal ist, und manche sind blass vor Angst. Kein Wunder, ihnen rasen am engen, unübersichtlichen Pass 70 Autos entgegen, denen Sekunden in diesem Moment wichtiger sind als Verkehrsregeln.

Nebel macht alle gleich

Am Col de Braus, Col de Brouis und Col de Vescavo sind die Straßen breiter und besser, dafür erleben wir das typische, unberechenbare Monte-Wetter. Es regnet, es schüttet, später zieht dichter Nebel durch die Berge. Das ist zunächst schade, denn die schöne Aussicht ist weg. Es heißt aber auch, dass niemand schneller fahren kann als wir, so dass niemand seine Sollzeit erreicht.

Für den Automobilclub von Monaco bedeutet das: Die letzte Wertung wird gestrichen. Gut für uns, denn ohne elektronische Hilfen navigieren wir in Sospel am Ziel der Wertungsprüfung vorbei.

Längst haben wir uns von der Jagd auf Sekunden verabschiedet, der Rallye-Computer zählt nur noch informativ die Wegstrecke mit. Wir verlegen uns aufs Spritsparen. Das wird schließlich auch gewertet, nur: wie? Die komplizierte Formel aus Verbrauch, Energiegehalt und Fahrzeuggewicht können wir nicht nachvollziehen.

Trotzdem, unsere Wettbewerbsverbräuche von 3,2 kg, 3,0 kg und 3,6 kg pro 100 Kilometer sind gut, finden wir. Sieht Matthias Kahle genau so.

Der wenig überraschende Sieger: Der Tesla S hat genug Reichweite für alle Etappen und genug Leistung für jede Situation. Fahren konnten die Jungs auch
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler

Der Tesla schlägt sie alle

In der Verbrauchsstatistik liegen wir auf Platz 11, als zweitbestes Auto ohne Hybrid- oder Elektroantrieb nach Kahle. Nach Anwendung der komplizierten Formel wird daraus allerdings Rang 26. Etliche Auris Hybrid, Jetta Hybrid, Ampera und Prius stehen auf einmal vor uns, denn sie sind schwerer und fahren mit Strom. Auch die Startnummer eins, ein Abarth 500 mit E85- und Erdgasbefüllung, überholt uns.

Einer hat es am Ende allen gezeigt. Das beste Rallye-Auto kommt aus Palo Alto, zwei Tesla Model S belegen die Plätze eins und zwei. Sie hatten genug Reichweite, um alle Prüfungen zu fahren. Sie hatten genug Leistung, um überall gleichmäßig zu fahren. Sie nutzen mit Strom den effizientesten Energieträger. Und, nicht ganz nebenbei: Die Jungs können fahren.

Unser Platz in der Gesamtwertung? 65 von 68. Immerhin, vor dem Fiat Multipla. Das zeigt auch, dass unsere Annahme falsch war: Mit sparsamem Fahren konnten wir unsere sportliche Schwäche nicht kompensieren. Eine Spritspar-Rallye ist die Monte für alternative Antriebe also nicht.

Hier geht es direkt zum Bericht von der_Derk in "Dem Derk sein Blog"!

Der Hochpass Col de Braus (Foto) war der am besten ausgebaute Pass auf der Strecke
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Unser Auto: Ein Skoda Citigo G-Tec mit CNG-Tank, 68 PS und 90 Nm maximalem Drehmoment
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Das MOTOR-TALK-Team für Monte Carlo: Moderator Derk und Redakteur Björn
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Derk und Björn verbrachten insgesamt vier Tage im Citigo
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Vor der technischen Abnahme wird der Citigo vollgetankt
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Der Rallye-Computer hilft dabei, die vorgeschriebene Durchschnittsgeschwindigkeit zu erreichen
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Hinter dem MT-Citigo stehen sie quer: Jan und Jens von ausfahrt.tv
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Technische Abnahme: Das Fahrzeug muss für den Straßenverkehr zugelassen sein, da die Rallye fast vollständig über öffentliche Straßen führt
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Der französische Rennkommissar sucht das Trockengewicht - gibt's nicht in deutschen Zulassungen Teil 2
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Derk und Björn im Parc Fermé. Hier müssen alle Autos über Nacht abgestellt werden
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Team MT auf der ersten Verbindungsetappe: Von Clermont Ferrant nach nach Aix en Provence
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
In die Skoda-Kolonne hat sich ein Citroën C3 geschmuggelt
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Unser Weg führt uns immer weiter ins Gebirge
Quelle: MOTOR-TALK
Kurze Pause auf 1.124 Metern Höhe
Quelle: MOTOR-TALK
Beeindruckende Alpenwelt - leider kaum zu fotografieren, so im Vorbeifahren
Quelle: MOTOR-TALK
Abends ein kurzer Bummel durch Aix en Provence. Sehr empfehlenswert!
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Im Parc Fermé von Aix en Provence: Wer zu spät kommt, steht in der Mittelreihe
Quelle: MOTOR-TALK
Ein Hybridantrieb qualifiziert diesen Porsche Panamera für die Öko-Rallye
Quelle: MOTOR-TALK
Er fährt zumindest auf den ersten 50 Kilometern sparsam: Opel Ampera
Quelle: MOTOR-TALK
Ein Fiat Multipla bei einer Motorsportveranstaltung? Ja, auch das gab es auf der Rallye Monte Carlo für alternative Antriebe
Quelle: MOTOR-TALK
Für diesen Toyota Hilux wird es auf manchem Hochpass sehr eng
Quelle: MOTOR-TALK
Vorbereitung ist alles: Die Werksfahrer Peter Göbel (l.) und Matthias Kahle (r.) planen den Tag
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Der Ernst beginnt: Startpunkt der ersten Wertungsprüfung. Eine vorgegebene Strecke muss mit vorgegebener Durchschnittsgeschwindigkeit gefahren werden
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
In dieser Prüfung wünscht die Rennleitung einen Schnitt von 48,2 Kilometern pro Stunde. Links: Die offizielle "Navigationshilfe"
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Die erste Prüfung: Sanft hügelig, waldig, einsam. Den Schnitt schaffen wir relativ gut, mit "nur" 40 Sekunden Abweichung
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Mit uns im Team fährt auch der siebenfache deutsche Rallyemeister Matthias Kahle, heute Skoda-Werksfahrer
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Place de St. Agnes: Unser Citigo wird gewogen
Warteschlange auf dem Place de St. Agnes
Quelle: MOTOR-TALK
Hoch geht es auf den Col de Braus zwischen Sospel und L'Escarene. Landschaftlich ein Highlight, allerdings wurde das Wetter zunehmend schlechter
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Spektakuläre Haarnadelkurven: Die Steigung schafft der Citigo teilweise nur im ersten Gang, aber er schafft sie
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Dichter Nebel auf dem Hochpass Col de Braus
Quelle: MOTOR-TALK
Schlechtes Wetter: Wir fahren mitten durch die Wolke
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Starker Regen ist auf einer guten Straße kein Problem. Später folgt starker Nebel - da schafft niemand die vorgegebene Zeit
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Bergab geht es mit 0,0 Liter Spritverbrauch. Leider haben wir keine Batterie, die etwas Energie für später speichern kann
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Monaco im Starkregen
Quelle: MOTOR-TALK
In den Seealpen bedeutet Regen an der Küste: Dichter Nebel in den Bergen
Ganz vorne liegen Elektroautos und Hybride: Tesla Roadster bei der abendlichen Slalomprüfung
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Häufigstes Rennfahrzeug: Toyota Prius der Generationen zwei und drei, teilweise mit Plug-in-Unterstützung
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Dieser PGO fährt mit E85. Erlaubt, aber nicht wirklich alternativ
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
VW E-Up: Hannoveraner Kennzeichen, aber kein Werksteam
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Die Startnummer 1 überholte uns nach einer komplizierten Formel noch in der Effizienzwertung: Fiat 500 Abarth
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Der wenig überraschende Sieger: Der Tesla S hat genug Reichweite für alle Etappen und genug Leistung für jede Situation. Fahren konnten die Jungs auch
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Für uns reichte es am Ende für Platz 65 in der Gesamtwertung, wegen zu vieler Zeitstrafen. Immerhin: Platz 11 beim Spritsparen, als zweitbestes Auto ohne Hybrid- oder Elektroantrieb
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Siegel am Tank: Frischen Sprit gab es nur gegen Protokoll und Unterschrift an speziellen Renn-Tankstellen
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Der letzte Tag: Die Sonne scheint, als wäre nichts gewesen
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Ein Slalomkurs war noch einmal auf Zeit zu absolvieren. Es zählte aber nicht mehr in die Wertung
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Ein letztes Mal geben wir eine Wertungskarte ab. Auto, Derk und Björn sind heil geblieben und nicht Letzte geworden
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Ein letztes Bild mit dem gesamten Team, inklusive Technikern, Übersetzer, Verantwortlichen. Matthias Kahle und Peter Göbel wurden am Ende neunzehnte
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Die Sieger: In ihrem Tesla Model S fuhren sie gleichmäßiger, flotter und effizienter als alle anderen
Quelle: Skoda/Daniel Roeseler
Verschnaufpause: Der_Derk genießt einen kurzen Blick auf die Kulisse von Monaco
Quelle: MOTOR-TALK