ADAC Fahrsicherheitstraining in Nohra

Wer hier rutscht, rutscht später seltener in den Graben

MOTOR-TALK

verfasst am Tue Mar 11 18:04:04 CET 2014

Die gefühlte Wahrheit ist doch die: Ein Fahrtraining brauchen immer nur die anderen, die fahren schließlich schlecht. Dachten auch MOTOR-TALK-Grafiker Marius Bauer und Reporterin Daniela Dabbars. Dazu passt die alte Binsenweisheit: Erst denken, dann lenken. Hinterher sind Denker und Lenker schlauer.

ADAC-Coach Thomas Seiffert erklärt MOTOR-TALK-Reporterin Daniela die perfekte Sitzposition. Klingt leicht, machen aber immer wieder viele Autofahrer falsch
Quelle: MOTOR-TALK

Von MOTOR-TALK-Reporterin Daniela Dabbars

Nohra - 1.878 Meter sind es vom ADAC-Kurs in Nohra bis zum Eingang des Ilmtals. Ein herrliches Stück Thüringen. So grün, so frisch, so lebensfroh. Doch keiner der 9 Piloten auf dem ADAC-Kurs denkt ans Grün, wo doch so wunderbares Grau darauf wartet, befahren zu werden.

7.52 Uhr,

Der Mann hat viele Furchen im Gesicht: Thomas Seiffert erklärt den Ungestümen die nächste Herausforderung
Quelle: MOTOR-TALK
die Ersten tippen nervös mit dem Gasfuß auf der Stelle. Acht Uhr, endlich kommt Thomas Seiffert, der Mann mit dem Schlüssel, Herr über die ADAC-Teststrecke und Coach für das Intensiv-Training.

Statt aufs Gas tritt Herr Seiffert erst mal auf die Bremse.Die Theorie kommt vor der Praxis. Man mag über den ADAC denken, was man will. Aber als die Einweisung nach 60 Minuten endet, stürmen die Erwachsenen wie Kinder aufgeregt gackernd zu den Autos.

Erste Sitzprobe an der Rüttelplatte

Die Gruppe startet ambitioniert mit dem Versuch, Slalom zu fahren. Er endet nach 15 Minuten mit einem gütig grinsenden Thomas Seiffert: „Keiner von euch führt das Fahrzeug richtig“, lautet sein routinierter Kommentar. Während der Fahrt lagen die meisten Fahrer fast im Auto. Kaum einer hatte beide Hände am Lenkrad, die meisten rutschten während der Fahrt mit dem Körper in die Kurven. Einer lenkte sogar einhändig im Tellerwäscher-Stil.

Kann man machen, bringt aber nix. Wer 1,3 bis 2,3 Tonnen im Zick-Zack-Kurs festhalten will, der muss richtig sitzen, das Lenkrad richtig halten. Sonst rutscht erst der Fahrer und dann das Fahrzeug weg. Wie richtiges Sitzen geht, sieht man auf jedem Rallye-Youtube-Video. Oder lernt es bei unserem Trainer.

Der sagt Folgendes:

Wer durch das Hütchen schaut, sieht in etwa so viel wie ein Kind zwischen zwei Autos. Der Blickwinkel ist stark eingeschränkt
Quelle: MOTOR-TALK
„Mit aufrechter Rückenlehne liegen die Handballenwurzeln bei ausgestreckten Armen auf dem Lenkrad. Beide Hände fassen in Zehn-vor-zwei-Haltung das Lenkrad. Die Knie sollten nicht zu nah am Armaturenbrett stehen und die Kopfstütze stützt den Kopf, nicht den Nacken.“ Alles schon mal gehört? Richtig. Fast jeder kennt das kleine 1x1 der Fahrschule, dennoch fährt kaum jemand vorbildlich.

Neu eingestellt geht es zurück auf die Slalomstrecke. Mit bis zu 50 km/h zirkeln wir über den Parcours. Und staunen: Ohne Liegestuhl und mit zweiter Hand am Lenkrad flitzt es sich viel besser. Plötzlich fliegen die Fetzen, aber keine rot-weißen Hütchen mehr.

Bremsen ist nicht gleich Bremsen

Wer schneller fährt, muss besser bremsen. Wir üben, was man sonst nie übt: eine Vollbremsung nach der anderen, bis das Dutzend voll ist. Zwischendurch ein wenig Theorie. Wir schätzen Bremswege und Reaktionszeiten. Thomas erklärt, wie ESP wirkt und warum man niemals versuchen soll, um Wild auf der Straße herumzufahren (wegen der Gefahr, die Kontrolle zu verlieren), sondern stets den Bremsschlag ausführen soll.

Bremsschlag? Ja, beim Bremsen gibt es Abstufungen. Das Schlagbremsen, die höchste Stufe der Gefahrenbremse, bedeutet: Zutreten, als wolle man eine volle Cola-Dose zertreten.

Dazu die einfachste Rechnung der STVO. Bei Tempo 30 km/h beträgt der Bremsweg 13,5 Meter vom Erkennen bis zum Stillstand (4,5 m Gefahr-Bremsweg + 9 m Reaktionsweg). Bei Tempo 50 km/h verdoppelt er sich bereits.

Wasser und der rutschige Belag verhindern, dass der Pick-up hier seinen Hinterreifen hebt
Quelle: MOTOR-TALK

Driften im Kreisverkehr

Die Fähigkeiten der Einzelnen steigen mit dem Sonnenverlauf. Mit 50 km/h stürzen sich die Fahrer den Hang hinunter, unten gilt es bei voll zupackenden Bremsscheiben Hindernissen auszuweichen. Ein Traum für ESP und ABS. Wer hart zutritt, wird besser. Dann wechseln wir in den Kreisverkehr.

Die Anweisung klingt wie Musik. „Nun gibt mal jeder richtig Gas und macht alles, was er immer mal machen wollte“, sagt Thomas. Lauernd, verhalten ziehen die Teilnehmer ihre Kreise. Alles ist erlaubt, vielleicht nimmt deshalb keiner Tempo auf. „Schneller werden, auf 50 km/h gehen“, fordert der Trainer. Erst quietschen einige Gummis zaghaft, dann bricht das erste, dann das zweite Auto aus. Untersteuern bedeutet Fuß vom Gas und sanft bremsen, sonst rutscht der Wagen stumpf geradeaus. Übersteuern ist komplexer: Bremsen oder nicht? Lenken oder nicht? Wenn ja: wie viel oder wie lange? Einige werden übermütig, ziehen die Handbremse, driften durch die sprühenden Wasserfontänen. Es wird gerutscht und gerudert, die Autos folgen brav. So also fühlt sich echtes, richtiges Autofahren an.

Heck weg

Mit frischem Selbstvertrauen geht es an das letzte, spektakulärste Trainingsmodul:

Das Auto rutscht, Wasser spritzt und die Lenkerin bremst - der ganz normale Alltag auf dem ADAC-Gelände in Nohra
Quelle: MOTOR-TALK
die Dynamikplatte. Sie reißt die Hinterräder beim Überfahren nach links oder rechts. Das Auto bricht aus, schleudert und der Fahrer muss es halten.

Im Alltag werden Autofahrer beim plötzlichen Schleudern durch den Schreck geradezu gelähmt und verlieren die Kontrolle über ihr Auto. Die Platte versucht, den absoluten Ernstfall zu simulieren und die richtigen Reaktionen zu trainieren. Das kann helfen, Unfälle zu vermeiden oder deren Ausmaß zu beschränken.

Nach dem ersten Schreck und den folgenden Drehungen gewinnen die Teilnehmer zunehmend an Sicherheit und bemerken: bis 50km/h kann man so eine Situation mit Übung und schnellem Gegenlenken durchaus meistern. Vor allem, wenn der Fahrer vom ESP unterstützt wird. Für alle, die sich mehr zutrauen, gibt es weitere Trainingskurse mit mehr Tempo.

Uns reicht die heutige Einheit und so schleudern wir tollkühn über die Strecke, drehen uns im Kreis und genießen das Adrenalin, das durch die Blutbahnen flutet.

Alles ist so wunderbar leicht, sicher, ohne jegliche Gefahr. Bis zum Schluss. Dann trifft die Teilnehmer der Schmerz doch wie ein Schuss in die Brust. Ausgelöst von Thomas. Der Schuss knallt durch das Walkie-Talkie: "So, wir machen Schluss für heute, die Teilnehmer verlassen nun bitte die Strecke".

Was am Ende eines ADAC-Sicherheitstrainings bleibt?

Drei Erkenntnisse, mindestens:

1. Ein sicherer Fahrer ist durch nichts zu ersetzen. Ein sicheres Auto auch nicht. ESP und ABS sind krass und können das Auto extrem stabil halten.

2. Respekt vor der Wucht des eigenen Autos schadet nie. Wenn ein paar Tonnen mal richtig Schwung haben, kann man sie nur mit Routine einfangen.

3. Ein Sicherheitstraining sollte jeder Autofahrer machen. Am besten sogar regelmäßig. Das Erleben und Kontrollieren von Gefahr unter Anleitung hilft Autofahrern gefasster und routinierter den Straßenverkehr zu meistern. Das würde allen helfen.

Lohnende Investition

Fahrsicherheitstrainings gibt es für alle Kompetenzstufen, vom Anfänger- bis zum Intensivkurs. Die Preise liegen zwischen 99 und 170 Euro für ADAC-Mitglieder, Nichtmitglieder zahlen pro Kurs zwischen 10 und 16 Euro mehr. Das oben beschriebene Intensiv-Training kostet 155 bzw. 165 Euro.

Das eigene Auto ist der ideale Trainingsbegleiter. Wer ein Auto gestellt haben möchte, bekommt das als Privatperson kostenfrei. Bedingung ist hier, dass anschließend ein Fragebogen zum Fahrzeug ausgefüllt wird.

Gewinnspiel

Wir verlosen je drei Gutscheine für ein Fahrsicherheitstraining für das ADAC-Gelände in Nohra (Thüringen) und Gründau (Hessen). Bitte eine Mail mit entsprechendem Betreff an redaktion@motor-talk-gmbh.de senden. Teilnehmen kann jeder, der 18 Jahre alt und im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist. Mitarbeiter von MOTOR-TALK.de und deren Angehörige sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Jeder Teilnehmer darf im Anschluss gern später dazu schreiben.

In der Kreisbahn: Der T5 neigt als Fronttriebler eher zum Untersteuern, seltener, wie hier, zum Übersteuern. Dazu muss man schnell das Gas lupfen
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Der weiße Untergrund ist der Freund der schwarzen Reifen. Sein Reibwert ist so gering, dass die Autos rutschen, ohne die Gummis zu ruinieren
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Wasser und der rutschige Belag verhindern, dass der Pick-up hier seinen Hinterreifen hebt
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Hütchenspiel: die kleinen gestreiften Pylonen müssen einiges aushalten. Hier justiert die Reporterin sie für den kommenden Bremstest
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Fast geklappt: Am Hütchen sollte das Auto eigentlich stehen
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Wer vorfährt, muss nicht unbedingt Vorbild sein. In den Gruppenübungen lernt man auch durch Anschauungsunterricht
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Wer durch das Hütchen schaut, sieht in etwa so viel wie ein Kind zwischen zwei Autos. Der Blickwinkel ist stark eingeschränkt
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Fontänen sind immer dabei, wenn die Fahrer flott bremsen, lenken, also das Auto kontrollieren sollen
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Der Mann hat viele Furchen im Gesicht: Thomas Seiffert erklärt den Ungestümen die nächste Herausforderung
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Klingt einfach: Bergab, durchs Hütchentor hindurch, um die liegenden Pylonen links herum und danach rechts am Hütchen vorbei
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Dieses Foto ist gestellt. Aber wahr ist, dass so ein Fahrsicherheitstraining verdammt viel Spaß macht
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Unsere Reporterin am Steuer. Man kann zu einem Fahrsicherheitstraining das eigene Auto nehmen. Man kann beim ADAC aber auch ein Auto bekommen
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Das Auto rutscht, Wasser spritzt und die Lenkerin bremst - der ganz normale Alltag auf dem ADAC-Gelände in Nohra
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