VDI-Tagung zur Verkehrssicherheit
Wie wichtig sind Menschenleben?
Bis 2020 will die EU die Zahl der Verkehrstoten gegenüber 2010 halbieren. 200 in Berlin tagende Ingenieure kommen nun zu dem Schluss: Nur mit Technik wird das nichts.
Berlin – Wenn 200 Ingenieure drei Tage lang die Frage umtreibt: Wie können wir in den nächsten fünf Jahren die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland und Europa deutlich senken? - dann stoßen sie immer wieder auf ein Kernproblem. Verkehrssicherheit ist nicht sexy.
Zwar möchte jeder Mensch am Ende des Tages heil nach Hause kommen, egal ob er mit dem Auto, einem Lkw oder zu Fuß unterwegs ist. Dennoch finden die meisten die Entlassung eines Bundesligatrainers spannender als das diffuse Thema Sicherheit im Straßenverkehr.
Europa beschloss im Jahr 2000: Im Jahr 2050 soll niemand mehr im Straßenverkehr sterben. 2020 soll die Zahl der Verkehrstoten nur noch halb so hoch sein wie 2010. In Berlin stellt der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) auf seiner nach eigenem Bekunden "größten Konferenz zum Thema Verkehrssicherheit" nun die Frage: „Sind wir auf dem richtigen Weg“? Nein, sagen die Techniker. Die Verkehrsopfer-Zahl sinke nicht schnell genug. Die Zahl getöteter Radfahrer, Fußgänger und Motorradfahrer steige sogar.
Neue Technologie "nicht der Hauptweg"
Jahrzehntelang verließ man sich beim Thema Verkehrssicherheit auf die Ingenieure. Mit Erfolg, denn technische Innovationen wie Sicherheitsgurte, Airbags, ABS oder ESP trugen viel dazu bei, dass die Zahl der Verkehrsopfer seit Anfang der 1970er um etwa 84 Prozent schrumpfte.
Soll jedoch das „Ziel 2020“ erreicht werden, könne neue Technologie im Fahrzeug nicht der Hauptweg sein, sagt Rodolfo Schöneburg von Daimler. Zu wenig Menschen leisten sich die neueste Technik seiner Ingenieurskollegen im eigenen Fahrzeug. Die Flotte erneuert sich zu langsam, das Durchschnittsalter deutscher Pkw beträgt derzeit neun Jahre und steigt.
Zwar erhöhte sich der Anteil von Pkw mit ESP in Deutschland von 36 Prozent im Jahr 2008 auf 68 Prozent im Jahr 2014. Und das, obwohl die Technik erst seit September 2014 für alle Neuwagen vorgeschrieben ist. Doch laut Prognosen von Sicherheitsexperten wird 2020 erst jeder fünfte Neuwagen über ein Notbremssystem verfügen.
Senioren sind Risikogruppe
Bis komplizierte technische Lösungen Wirkung zeigen, dauert es also. Dabei wäre es so einfach. 60 Prozent der im Pkw Getöteten saßen in einem vor 2001 gebauten Auto, sagt der Mercedes-Ingenieur Michael Fehring. Der Anteil dieser Autos an der Flotte betrage aber nur 25 Prozent.
Das Risiko, in einem maximal fünf Jahre alten Auto zu sterben, sei dagegen statistisch gesehen 72 Prozent geringer. Würde man also 16 Millionen Fahrzeuge der Baujahre 1990 bis 2004 durch Neuwagen ersetzen, könnten in Deutschland bis zu 36 Prozent der bei Unfällen getöteten Pkw-Insassen überleben.
Für kurzfristig besser umsetzbar halten die Experten Maßnahmen, die die Sicherheit „ungeschützter Verkehrsteilnehmer“ wie Fußgänger und Radfahrer erhöhen. Insbesondere die Zahl getöteter Senioren steige überproportional, sagt Klaus Rompe, ehemaliger Leiter des TÜV Rheinland: in 10 Jahren um 10 Prozent.
Das liege natürlich am generellen Zuwachs der Bevölkerungsgruppe und ihrer glücklicherweise steigenden Mobilität. Aber auch daran, dass ältere Menschen einfach „körperlich weniger robust“ seien und damit Unfallfolgen schwerer ausfallen. Schon heute seien 57 Prozent der als Radfahrer getöteten Verkehrsteilnehmer Senioren, bei Fußgängern sind es knapp 50 Prozent. Rompe plädiert daher für spezielle Seniorenangebote: Fahrtrainings, Schulungen zu Fahrassistenten und vor allem Fahrradhelme.Helmpflicht und Tempolimit für Radfahrer?
Neue Trends beschäftigen die Techniker ebenfalls. „Wir wissen nicht, warum anteilig 10 Prozent mehr Pedelec-Fahrer als Fahrradfahrer sterben“, sagt Jürgen Bönninger von der Fahrzeugsystemdaten GmbH Dresden. Dies könne daran liegen, dass eher ältere Menschen Pedelecs fahren. Oder daran, dass Pedelecs vom Fahrer unterschätzt werden – oder schlicht an der höheren Durchschnittsgeschwindigkeit gegenüber Fahrrädern.
Dennoch fordert Bönninger eine Helmpflicht für Pedelec-Fahrer und wünscht sich mehr Helm tragende Radfahrer. Fast jeder zweite tote Radfahrer sei an einer Kopfverletzung gestorben. Auch ein Tempolimit auf manchen Radwegen („15 km/h auf dem Elbe-Radweg“) hält Bönninger für sinnvoll. Leider sei dies gegenüber der Fahrradlobby nicht durchsetzbar.
Eines wird deutlich im Gewitter der Zahlen, das die neun Referenten in Berlin vortragen: Verkehrssicherheit ist kompliziert. Jeder Verkehrsträger und jede Unfallart sind speziell. Ja, man müsse die Chancen der Radfahrer erhöhen, kritische Situationen mit Lkw zu überstehen, sagt Christian Kohrs von MAN. Jedoch dürfte man den Lkw-Fahrer nicht überfordern, der schon heute sieben Spiegel im Blick haben müsse. „Ob da ein zusätzlicher Monitor die Lösung ist“?
"Opferzahlen in der Größenordnung eines Airbus"
Motorradfahrer gehören zu den besonders gefährdeten Verkehrsteilnehmern. Hier sinke die Zahl der Opfer seit Jahren nicht mehr, sagt Felix Deissinger von BMW Motorrad. Besonders hoch sei die Zahl der Todesopfer ohne Unfallgegner sowie bei Zusammenstößen mit Pkw.
Deissinger begrüßt daher, dass 2010 endlich Tagfahrlicht für Motorräder zugelassen wurde und Motorrad-ABS ab 2017 für neue Maschinen ab 125 ccm Hubraum Pflicht wird. Dennoch müsse sich der Fahrer auch selbst schützen, zum Beispiel durch eine neue Airbag-Jacke oder ein Fahrtraining.
Unter dem Strich müssen die Experten feststellen: „Das Ziel 2020 ist nicht mehr erreichbar“. Die Gesellschaft akzeptiere jeden Monat „Opferzahlen in der Größenordnung eines Airbus“ auf Deutschlands Straßen, sagt Markus Lienkamp von der TU München. Eine „Kultur der Sicherheit“ wie in skandinavischen Ländern fehle den Deutschen. Immerhin habe die Politik kürzlich die Einführung von Tempo-30-Zonen erleichtert. Und dann folgt ein typischer Ingenieur-Satz: Dies sei „hilfreich, aber nicht ausreichend“.
Natürlich soll die Senkung der Unfallzahlen alleine von den Endverbrauchern gezahlt werden (während die Industrie bei Assistenzsystem abkassiert), man käme wohl nie auf die Idee die Straßen besser zu bauen. Teilweise wird ja schon auf Seitenmarkierungslinien auf Landstraßen verzichtet (die man wie auf Autobahnen erhöht machen könnte, damit es rattert beim drüber fahren), weil es zu teuer ist.
Man kann es auch echt übertreiben. Sorry, aber die Frage "Wie wichtig sind Menschenleben" ist völlig Falsch gestellt.
Wie wichtig sind uns unsere Freiheiten - DAS ist die viel wichtigere Frage. Nehmen wir dafür auch das Risiko in kauf, dafür zu Sterben? Die Frage ist bei weitem nicht so Banal wie sie klingt. Denn inzwischen nimmt das Philosophische Ausmaße an. Ausserdem wünsche ich mir gerade hier bei dem Thema mehr Sinnvolle Dinge, als blinden Aktionismus.
Das, was Herr Ferhing da vor sich hin Palavert ist nämlich an Sensationsgeilheit kaum mehr zu überbieten.
Es gibt nur eine wirklich wirksame Möglichkeit, die Unfalltoten noch weiter zu verringern und das ist entweder den Mensch ganz aus der Gleichung heraus zu radieren (Das Wollen aber die wenigsten - ein weiterer Schritt hin zu Gläsernen Menschen und zum noch weiter unmündigen Bürger - hoffe ich zumindest) , oder die Ausbildung zu erhöhen. Ein Pilot aus den 50ern könnte einen mordernen Airbus bestimmt fliegen. Aber er hätte Probleme mit den ganzen Luftstraßen, wie man sich Verhält und so weiter.
Ich bin deswegen - bevor man irgend welche anderen Gesetze erlässt - für ein jährliches Fahrsicherheitstraining. Wird das nicht gemacht, verfällt der Führerschein. Senioren müssen zwei mal eins machen. Ich bin mir Sicher, dass die meisten Senioren vernünftig genug sind, ihren Führerschein selbst ab zu geben, wenn sie Gefahrensituationen - die man Ihnen ganz deutlich vor Augen führt - nicht mehr einschätzen können.
Wie wichtig angepasste Geschwindigkeit ist, muss man in diesen Fahrsicherheitstrainings auch deutlich vor Augen führen. Auch 30 können an manchen Punkten viel zu schnell sein.
Und Ingenieure sollten zumindest einen Grundkurs in Philosophie und Sozialkunde belegen...hab ich damals bei meinen Kommilitonen schon gemerkt. (Auf die Frage "Hättest du die Atombombe der Wissenschaft wegen mit entwickelt?" kam erstaunlich oft ein "Ja!"...)
Die Verkehrsunfalltoten sind doch absolut zu vernachlässigen. Prozentual gesehen ist das Teilnehmen am Straßenverkehr eine sehr sichere Angelegenheit. Warum alle - gerade beim Auto - so auf Sicherheit fixiert sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist eine Art Hysterie im Umlauf, die rational nicht zu erklären ist.
Die meisten Unfälle passieren nach wie vor im Haushalt. Es sterben jährlich so viele Personen an Arztfehlbehandlungen, oder an Krankenhauskeimen. Aber anstatt die Etats der Krankenhäuser aufzustocken wird dort gekürzt. Stattdessen verfällt man lieber in puren Aktionismus und pumpt das Geld in Programme zur Senkung der Verkehrsunfalltoten. 🙄
Ja, da wird man schwer verletzt aus seiner mit 500 Assis voll gepackten S-Klasse geschnitten und stirbt dann im Krankenhaus an einer Wundinfektion.
Weniger Tote bei Autofahrern, aber mehr bei Fußgängern und Radfahrern? Liegt es am SUV? 😆
"Überleben" sollte es richtig heissen. Ein Unfall der in einem Fahrzeug Bj. 2000 tödlich ist bringt bei einem Auto Bj. 2010 bestenfalls lebenslanges Rollstuhlfahren. Überleben ist nicht alles. Bei den meisten Unfällen würde sich aber schlicht garnichts ändern. LKW mit 80km/h ins Stauende bedeutet den sicheren Tod egal ob das Auto von 1925 oder 2015 ist. Ebenso Einschlag in den Baum mit Tempo 120.
Ein paar Unfälle lassen sich vermeiden, die meisten sind einfach natürliches Grundrauschen. Menschen sterben nunmal und das muss man akzeptieren. Die meisten Unfälle würden sich vermeiden lassen wenn die Leute ihren Denkapperat mal nutzen würden. Radfahren oder spazieren gehen in schwarzen Klamotten ohne Reflektoren im Winter ist genauso dumm wie mit 120 bei Eis über die Landstrasse zu fahren oder bei 200km/h auf 5m Abstand zum Vordermann aufzuschliessen. Aber Menschen sind eben so und tun oft dumme Dinge.
Die ganzen Maßnahmen sind alles Blödsinn. Helme bringen keine Sicherheit auf dem Fahrrad, sie sorgen nur dafür das der Kopf optisch schön bleibt. Hilft aber nichts wenn das Genick bricht. Ein Tempolimit für Radfahrer ist nicht durchsetzbar und wäre auch eine Frechheit. Wir können gerne über 30km/h reden um die Rennradler auszusperren, die nerven wirklich. Aber ich fahre gerne zwischen 20 und 30 auf der Geraden, bei 15 schläft man ja ein. Das ist was für Leute die ein Hollandrad mit ohne Gangschaltung haben. Ausserdem gibt es keine Tachopflicht für Fahrräder und wenn es sie gäbe, wer will sie abnehmen? Der TÜV? Wer soll das bezahlen? Wird der Fahrradcomputer nicht exakt eingestellt zeigt er Phantasiewerte an. Also wie man sieht alles heisse Luft.
Ein Fahrverbot für Senioren die keine jährlichen Untersuchungen machen wollen würde ich aber begrüssen.
So überspitzt sollte man es nicht sehen.
Aber alleine schon die Zahlen sprechen für sich.
40.000 Tote / Jahr in Deutschland durch Krankenhauskeime:
http://www.taz.de/!5047524/
Dagegen wirken die knapp 3.500 Verkehrstoten pro Jahr in Deutschland garnicht mehr so groß.
Ich bleibe dabei: Es ist extrem unwahrscheinlich bei einem Verkehrsunfall (gerade in Hinblick auf das Verkehrsaufkommen!) zu sterben. Und meist muss man beim eigenen Verhalten anfangen, und nicht von der Politik oder von der Industrie fordern. Umsichtig sein ist das A und O - egal wie ich unterwegs bin. Ich achte bei Stürmen als Fußgänger bspw. auch gerne auf Dächer und Äste.
100%ige Sicherheit wird es NIEMALS geben.
Aber was wollen Wirtschafstvertreter auch anderes sagen? Irgendwie müssen sie ja ihre neuen Produkte an den Mann bringen.
Was für ein Bananenbieger Artikel.
Wie gut, das sich so viele einen Neuwagen "kaufen" könnten um mal eben so die 25% Altfahrzeuge zu ersetzen.
Würde ich auch fordern wenn ich bei einem Autobauer arbeite.
Ne Leute, weniger SUV Fahrzeuge in der Stadt (aus Platzmangel).
Einfach einen kleinen Verkehrs-Gesundheitscheck für Leute ab 60 Jahren alle 5 Jahre.
Würde viel helfen und kostet fast nix, vielleicht ein bisschen "Ego" bei bestimmten Menschen.
Das werden sie uns mit den autonomen Fahrzeugen sowieso eines Tages aufzwingen. Selbst fahren wird entweder ganz verboten, oder es wird uns madig gemacht, etwa durch die Versicherungen. 🙄
Der Tag wird kommen, und ich werde an diesem Tag meine Auswanderung beschließen. Wartet es nur ab.
Ja wie wichtig sind nun Menschenleben wirklich?
Hier im Autoland Deutschland bezieht man Verkehrtote ausschließlich auf direkt zuordenbare Unfallereignisse, aber wie sieht es damit aus?
> http://www.welt.de/.../...urch-verpestete-Luft-als-durch-Unfaelle.html
Bin sehr gespannt auf Erklärungen!
Tempolimit für Radfahrer?
Solange ich an mein Rennrad kein Nummernschild montieren muss, werde ich solche Gängelungen notgedrungen ignorieren. Ich lass mir ja nicht das sportliche Freizeitvergnügen aus völlig verquerten Sicherheitsüberlegungen heraus verbieten. Wo soll das ganze noch hinführen? Hat noch niemand über Helmpflicht und Tempolimit für Fußgänger nachgedacht?
Die Wahrheit ist: Der Straßenverkehr fordert nun mal seine Todesopfer. Genauso wie der Sport, das Partymachen, das Essen, das Trinken, das Rauchen und überhaupt alles im Leben, das dem Individuum Spaß macht.
Wer Motorrad fährt ist sich des erhöhten Verunglückensrisikos bewusst. Wer ohne Helm Fahrrad fährt ebenso. In einer liberalen Gesellschaft mit eigenverantwortlichen Bürgern sollte man das dem Individuum auch zugestehen.
Und wenn einige Hundert Personen pro Jahr im Straßenverkehr aufgrund von Leichtsinn, Unaufmerksamkeit etc. sterben, muss man das eben akzeptieren. Wie viel ist das schon im Vergleich zu allen anderen Todesursachen in diesem Land?
Menschenleben als solche sind total unwichtig. Bei 80 Millionen/8 Milliarden.
Es ist nur blöd, wenn selbst betroffen ist. Muss man halt besser aufpassen. Und dann stirbt man nach einer Mandeloperation an Streptokokken.
35.000 Tote durch Feinstaub und Ozon. Aber wodurch der Feinstaub und das Ozon verursacht wurde, ist nicht bekannt. Das Ozon bis zu einem gewissen Grad auch einfach Natürlich entsteht, fehlt in dem Artikel komplett. Und das der Hauptverursacher von Feinstaub und Ozon der Personenverkehr ist, wage ich immer noch sehr zu bezweifeln. Klimaanlagen verursachen auch Ozon und Feinstaub, genau so wie extrem viele Laserdrucker in Büros. Die genaue Todesursache ist dort auch nicht angegeben.
Die Zahl an sich ist einfach nur Belanglos ohne weitere Fakten.
Bis das autonome Fahren da ist, würde es schon helfen, die aktuellen Sehschlitze wieder gegen Fenster auszutauschen und die Dachsäulen auf das technisch notwendige zu verschmälern.
Aber dann sähen die Autos ja nicht mehr cool aus.