Classic Driving News
Zwitterwesen - halb Lkw, halb Limousine
Der Chevrolet El Camino ist halb Limousine, halb Lastwagen - und für viele weder Fisch noch Fleisch. Einem ehemaligen Austauschschüler sind solche Spitzfindigkeiten egal. Denn ohne diesen Wagen wäre der Sommer im Jahr 1980 ein anderer gewesen.
Wie ein Messer durchschneidet der Highway die unendlich erscheinende Prärie im US-Bundesstaat Nord Dakota. Ehemaliges Indianerland, durch das bis vor nicht allzu langer Zeit riesige Büffelherden zogen, jetzt eingezäuntes Farmland, bibelfest und patriotisch.
Die schönste Art, Weizensäcke zu transportieren
Kaum ein Haus, von dem nicht die Landesfahne weht, wo hölzerne Kirchtürme neben riesigen Getreidesilos die einzigen Bauwerke mit mehr als zwei Stockwerken sind und wo Männer es lange Zeit für ein Gerücht hielten, dass man in Detroit auch Autos ohne Ladefläche baut. Dorthin hatte es mich 1980 als Austauschschüler verschlagen, nach Belcourt, einem Nest nahe der kanadischen Grenze. Bis zur nächsten nennenswerten Stadt waren es 100 Meilen. Kurz nach meiner Ankunft erstand mein Gastbruder Steve einen 1971er Chevrolet El Camino. Nun waren also auch wir standesgemäß motorisiert. Besser noch: Dieser Chevrolet El Camino wirkte zwischen all den plumpen, unbequemen Lastwagen, die kaum mehr Charme versprühten als eine heruntergewirtschaftete Blockhütte, so fein und einladend wie eine Loge in Nashvilles Gran Ole Opry. Auf einmal waren wir Helden, zumindest in diesem Sommer.
August 2008. Die Aussicht, abermals einem 71er Chevrolet El Camino zu begegnen, lockt mich zu einem Händler in die Pfalz. Ein mutiger Mann. Denn in den USA traut sich schon lange kein Autoverkäufer mehr, einen Chevrolet El Camino auf den Hof zu stellen. Der El Camino ist in der automobilen Hierarchie weit nach unten durchgereicht worden und leidet in der Neuen Welt nachhaltig unter einem massiven Imageproblem. Dabei will so ein Chevrolet El Camino streng genommen gar kein richtiges Arbeitstier sein.
Wer wie Chevrolet 1959 aus der Impala-Limousine einen Lastwagen schneidert, ohne gleichzeitig Fahrwerk und Rahmen dem neuen Aufgabenbereich anzupassen, kann nicht ausschließlich Nutzwert im Sinn haben. Beim Design der ersten Chevrolet El Camino-Generation verzichtete man nicht einmal auf die damals modischen Heckflossen. Ein Heavy-Duty-Pick-up sieht anders aus, aber viel stylischer als mit einem Chevrolet El Camino ließen sich ein paar Säcke Weizen auf einer Pritsche bis dahin nicht transportieren.
Lasche Verkaufszahlen des ersten El Camino, der zweite kommt viel besser an
Sehr viel schneller auch nicht, denn auf Wunsch wuchtete ein 348er-Bigblock mit über 300 PS den Chevrolet El Camino von Ampel zu Ampel. Dieses Konzept hatte schon beim großen Konkurrenten Ford funktioniert, der bereits zwei Jahre zuvor den Ranchero vorgestellt hatte - einen Pick-up auf Basis eines Pkw. Angesichts der immensen GM-Absatzzahlen war der Chevrolet El Camino jedoch ein Flop. Nach nur zwei Jahren Bauzeit und rund 36.000 verkauften Exemplaren stoppte Chevrolet 1961 dieses Projekt - der erste Chevrolet El Camino wurde beerdigt.
Doch wie man gerade auch im Wilden Westen weiß, leben Totgesagte länger - auch der Chevrolet El Camino. Der anhaltende Erfolg von Ford mit dem Ranchero hatte General Motors dann offensichtlich doch keine Ruhe gelassen. 1964 überraschte Chevrolet die Nation mit einer neuen El Camino-Generation, jetzt auf Basis der Chevelle-Baureihe. Pritschen-Fans konnten bald auf deren sämtliche Ausstattungs- und Motorvarianten zurückgreifen. Dazu gehörte ab 1968 auch ein 396er-Super-Sport-Triebwerk mit rund 375 SAE-PS. Warum nun auf einmal die Verkaufszahlen des Chevrolet El Camino stimmten, gehört zu den Unberechenbarkeiten im Automobilgeschäft. Die Händler konnten sich nicht einmal beklagen, als der Chevrolet El Camino ab 1978 in Sachen Ausmaß und Leistung allmählich einer Schrumpfkur unterzogen wurde und bis zur Produktionseinstellung im Jahr 1987 ein verkappter Chevrolet Malibu war.
Fahrer und Beifahrer sitzen in Rufweite auf der Bank
Zurück in die Pfalz - mit dem Chevrolet El Camino. Riesige Heuballen auf den abgeernteten Feldern, hölzerne Strommasten, Pferdekoppeln. Blendet man den in langen Reihen gepflanzten Wein aus, erinnert das Land - eine gehörige Portion Fantasie vorausgesetzt - ein wenig an Wisconsin, Iowa oder Illinois. Nur sind die Straßen dort von einem anderem Kaliber und passen viel besser zu dem 1,91 Meter breiten Chevrolet El Camino, dessen einfache und schnörkellose Linie auf Anhieb gefällt. Fahrer und Beifahrer sitzen im Chevrolet El Camino auf der durchgehenden Bank gerade noch in Rufweite zueinander und genießen mehr Wohnraum als in den meisten mitteleuropäischen Kleinwagen mit zwei Sitzreihen.
Direkt hinter der Chevrolet El Camino-Besatzung erstreckt sich die Ladefläche. Zwei Meter lang und einsfünfzig breit. Sicherlich keine ernsthafte Arbeitsplatte für einen nordamerikanischen Farmer, der gewohnt ist, huckepack stets einen Mähdrescher mit umherzuschleppen. In Deutschland kommt man bei der Chevrolet El Camino-Ladefläche jedoch rasch ins Grübeln. Ob man beispielsweise ein Transportgewerbe aufziehen sollte.
Doch solche Planspiele haben Zeit bis morgen. Oder übermorgen. Im gleichen Moment, in dem der Automatikschalthebel am Lenkrad des Chevrolet El Camino auf D steht, der rechte Fuß das Gaspedal sachte in Richtung Bodenblech drückt und sich der Chevrolet El Camino nach einem kurzen Aufbäumen lässig wie ein Nashornbulle in Bewegung setzt, vermittelt dieses Triebwerk jene Art von grandioser Souveränität, die nur einem großen V8 zu eigen ist. Und die sich auf wundersame Art und Weise auf den Fahrer überträgt, der im nächsten Augenblick das Wort Stress zumindest für die Dauer der Fahrt im Chevrolet El Camino aus seinem Vokabular streichen möchte.
Für diesen Wohlfühlservice muss sich das gusseiserne Aggregat im Chevrolet El Camino, welches noch aus der automobilen Steinzeit stammt, nicht einmal anstrengen. Wer 176 PS aus fünfkommasieben Liter Hubraum zaubert, ist und bleibt ein fauler Hund. Eine Klimaanlage fehlt im Chevrolet El Camino. Ein Drehzahlmesser ebenso. Dieser wird allerdings auch nicht vermisst, weil der Chevrolet El Camino-Fahrer sofort spürt, dass dieser Motor quasi ab Standgas Berge versetzen könnte und es eigentlich auch niemand ernsthaft interessiert, ob er dieses nun bei 1.500 oder 2.500 Umdrehungen erledigt.
Dick und durstig - dennoch wird der El Camino rasch zum Freund
Auf die Tankuhr des Chevrolet El Camino will man dagegen gar nicht erst schauen. Ernsthafte Sorgen über den Benzinverbrauch waren 1971 in den USA ebenso undenkbar wie ein afro-amerikanischer Kandidat für das Amt des Präsidenten. Die restlichen Anzeigen und Bedienelemente sind großzügig über dem Kunststoff-Instrumentenbrett des Chevrolet El Camino verteilt. Eine Uhr, Zigarettenanzünder, drei Schieberegler für die Heizung, zwei Drehknöpfe für das Radio und einer fürs Licht. Moderne Autos verfügen über mindestens doppelt so viele Funktionstasten allein auf dem Lenkrad. Die Chevrolet El Camino-Bedienungsanleitung für einen ließe sich dagegen auf einem Bierdeckel verfassen.
Spätestens nach einer halben Stunde Fahrt kennt man den Chevrolet El Camino dann auch wie einen guten Freund. Trotz seiner Größe lässt er sich dank einer leichtgängigen Servolenkung mit zwei Fingerspitzen selbst durch die engen Gassen eines Pfälzer Weinorts zirkeln. Dabei klingt er nie aufdringlich oder bedrohlich, sondern einfach nur souverän. Wenden und einparken? Nicht viele Autos sind so übersichtlich wie der Chevrolet El Camino. Mit hohem Tempo oder zu schnell gefahrenen Kurven kann er dagegen nicht umgehen. Dann wehrt er sich, fängt zu schaukeln an, untersteuert leicht. Aber das verzeihen wir ihm. Weil er dieses würdevolle Über-die-Straße-Gleiten so gut beherrscht, dass sein Fahrer fast schon automatisch nach einem Umweg Ausschau hält. Damit die Chevrolet El Camino-Tour möglichst lange dauert. Auf einmal sind wir wieder Helden.
Quelle: Motor Klassik
Ja, so ein El Camino ist was Kultiges!
Einer der wenigen Amis was mir gefallen...
Al Camino: einer meiner Traumwagen, wenn es schon ein Ami sein soll!!!! Hat diesen Charme des rauhen amerikanischen Halbfarmers, der eigenwillig und ein bisschen hinterwäldlerisch rüber kommt, aber eigentlich wohl Stil hat😉 Südstaatenrock aus dem Radio, Cappy eines Landmaschinenherstellers auf dem Kopf, halblange Haare, Daunenweste, abgelatschte Bluejeans, Lederstiefel und ein Al Camino😊
Hardcore-Assikarre für das Fußvolk von Mexikanische Drogengangs an der Westküste!
Hat was - als Motorradtransporter gut zu gebrauchen, da Ladefläche ausreichend lang (für ein GESCHEITES Motorrad, nicht so ein Ami-Schluren "Bike"!). Noch ein Voreteil, gegenüber Toyota Hilux / Vw Taro und Konsorten: 3 Sitzplätze, Blubber-Benziner (gut mit AutoGas zu fahren), weniger Baustellencharme.
Leider sind die richtig teuer geworden... Selbst die von mehreren Generationen an Kalifornischen Latino-Vorbesitzern verunstalteten Spachtelgrotten...
Die Australier haben viel bessere Autobasierte Groß-Pickups, Die "Ute's" von Ford & GM (Holden), auf Basis der großen Heckantriebslimos Ford Falcon und Holden Commodore, oft bereits ab Werk mit den brutalen V8 aus Corvette & Mustang bestückt. Diese "Utes" werden heute noch massenhaft gebaut, inzwischen sogar mit richtig guten Fahrwerken! Mad Max lässt grüßen...
-> Ford Australia Falcon , gab es immer auch als "Ute"
-> Holden Ute
Ich hatte selbst mal einen 91er Ford Australia Falcon, allerdings in der Sparversion mit dem "kleinem", sparsameren 4.0l Reihensechszylinder 200PS Autogas BiFuel-Motor. War trotzdem sehr lässig zu fahren, der Idealwagen für Langstrecke durch den endlosen Süd- und West-Australischen Outback! 😉
IM FIlm "Alpha Dog" habe ich den Camino letztens gesehen, zufällig jemandem aufgefallen?
Ziemlich zu Anfang, als Johnny Rich den Stoff an der Tanke bekommt.
nö, aber mir fällt gerade auf, dass ich mir Alphadog mal ziehen muss😉
@modem: die "Ute´s" sind aber keine Caminos. Ein Camino hat flair, die Ute´s (für mich) mal gar nicht.
Es gibt viele verschiedene Ford & Holden Utes, dutzende von Generationen.
Meinst du wirklich sowas hat keinen Flair? 😕
-> Ford Falcon XB Ute
-> Ford Falcon XC Ute
-> Holden HZ Ute
-> Holden WB Ute
-> typischer "Bauern" WB
Ok, ist halt Geschmackssache, aber die Australischen Utes stehen den El Caminos in Nichts nach. Erst recht nicht im "Flair", wenn es sich um die richtigen Farmerversionen mit Outback- Roobar und V8 handelt... 😉
Klar, die neuen Utes sind im heute üblichem Seifen-Aerodynamikdesign, bzw. ab Mitte der 80er in Ford Granada / Scorpio / Opel Senator Design. Die meinte ich gar nicht... 😊
Hihihi😉 Ich muss immer wieder darüber schmunzeln mit was die Amis durch die Gegend fahren. Die ganzen Pick Ups mit ihren schönen, dicken V8 Motoren, sowas liese sich hierzulande niemals verkaufen.
Nichts desto trotz, spätestens seit "My Name is Earl" find ich die Karre einfach nur genial!😎
Mich würde ja mal interessieren, ob man die Motoren auf den Vor-EPA-Stand zurückbauen kann. Die haben ja damals enorm Leistung verloren durch die Veränderungen zum Einhalten der Abgasnormen.
Wenn Dich interessiert, was mit den El Caminos so alles geht, dann nimm doch mal Kontakt mit den Usern elhomer und/oder Al Kamino auf. Beide fahren so ein Auto und ich würde mich mit keinem von beiden auf einen Ampelsprint einlassen… 😉
Grüsse
Norske
na toll, 396 Maschine gleich Himmel und Hölle😆 Aber kommt ein Camino ohne Zuladung überhaupt mit guter Traktion aus dem Stand weg oder ist der auf der Hinterachse relativ leicht?
der erste ist OK, die anderen sehen mir alle an der Front zu sehr nach 80er Jahre Toyota Crown aus
jepp. El Camino.
Im Sommer kommt immer einer in unsere Nachbarschaft zu Besuch. Ich kann da nie so einfach vorbeigehen.
Herrliches Auto.
Gruss
Steffen
Ich finde das keins der Australischen Beispiele auch nur ansatzweise an den 2. ElCamino rankommt. Der hat sowas eigenes ...
Aber Gott sei dank sind ja Geschmäcker verschieden, und mir persönlich macht es nicht aus, dass du, go_modem_go , einen anderen hast als ich 😉