Sun Oct 16 23:27:01 CEST 2011
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Andi2011
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Kommentare (5)
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Ford
Karneval in Kölle – in den 50er und 60er Jahren sitzen Jungfrau,Prinz und Bauer dabei grundsätzlich in einem FORD...und zwar jeweils in einem weissen Ford-Cabrio.
Nun, die Zeiten wo Ford-Deutschland wunderschöne Cabrios im Programm hatte sind schön länger vorbei, aber es gab sie mal und wer in meinem Blog die Beiträge zu den Ford M(eisterstücken) gelesen hat, weiss auch woher diese Cabrios kamen – vom Karosseriebauer DEUTSCH Lehnt euch entspannt zurück, ich weiss diesmal folgt etwas viel Text, aber es lohnt sich durchzuhalten
Die „Kutschenbauer“ Firma Utermöhle mit Betrieben in Köln und Berlin fertigte 1901 für HORCH Fahrzeuge die Gestelle. Der Betriebsleiter in Köln war der technische Kaufmann Karl Deutsch, der 1913 Utermöhle übernahm und als Westdeutsches Karosseriewerk weiterführte.
Armeeanhänger waren der Hauptverdienst der Firma im ersten Weltkrieg. Im Jahre 1927 fertigte DEUTSCH dann für das benachbarte Citröen Montagewerk in Köln-Poll ….Rund 1000 Fahrgestelle des B14 liefert Citroën und sie verlassen das DEUTSCH Werk als Taxis, Lieferwagen und Cabriolets
Der Konkurrenzkamp der verschiedenen Karosseriebauerfirmen war groß, Karmann aus Osnabrück, Hebmüller oder Rometsch seien als Konkurenten genannt. 1932 entstand der erste FORD mit DEUTSCH-Karosse, ein MODEL-B und ihm folgte der FORD KÖLN (bis 1935). Nebenbei wurde von DEUTSCH auch der OPEL MOONLIGHT Roadster (1932) gefertigt und Der FORD EIFEL hatte dann schon ein gefüttertes Klappverdeck.
In den Kriegsjahren ruhte bei FORD Köln die PKW Produktion zugunsten der LKW Fertigung und damit auch die Produktion bei DEUTSCH.1948 kam mit dem weltberühmten FORD BUCKELTAUNUS auch DEUTSCH wieder zum Zuge und fertigte das Zugehörige Cabrio.Rund 8500 Mark kostete 1950 ein Buckeltaunus als 2+2 Sitzer – ein extrem hoher Preis, der nur für sehr solvente Käufer zu berappen war. Schnell wächst die Karl Deutsch GmbH zum Haus-und-Hof-Lieferanten für Cabrios aus dem Ford-Programm, die bei jedem Vertragshändler bestellt werden können.
"Für die Freunde sportlichen Fahrens, die Landschaft und Sonne zugleich genießen wollen" So lautete das Verkaufsprospekt für das 12m Cabrio. Der rahmenlose Aufbau von 12m und 15m war für DEUTSCH eine echte Herausforderung – Stichwort Festigkeit. DEUTSCH verbaute zusätzliche Bleche z.B. im Schwellerbereich und einem Stahlrohr, dass mit dem Armaturenbrett und mit dem Kardantunnel zu einer Einheit verschweißt war. Mit dem wunderschönen 17m P2 präsentierten sich alle Ford-Cabrios von DEUTSCH nicht mehr als Viersitzer, sondern als 2+2-Sitzer. Der Grund war einfach, es sah nicht nur schicker aus und war kostengünstiger, sondern die Karosserie war dadurch auch stabiler.
1957 kostete ein offener 17m P2 rund 10.500 Mark. Das Barock-Cabrio bot aber eine Menge Gegenwert und lies sich wie viele DEUTSCH Anfertigungen auch noch nett ausstaffieren. Der 17m P3 , 12m P4. wurden dann auch ebenfalls von DEUTSCH angeboten Vom 12m Cabrio sind heute noch drei überlebende offene Exemplare bekannt. Vielfältig gestaltete sich 1960 der Generationenwechsel weg vom Barock-Taunus zur neuen "Linie der Vernunft". Deutsch bot den FORD P3 in drei schicken Versionen an: Als Cabrio, als Cabrio mit Hardtop und als Coupe mit Panorama-Heckscheibe. Am 30. Juni 1957 starb Karl Deutsch und seine beiden Söhne Karl Jun. und Werner Deutsch führten das Unternehmen weiter.
Etwas allerdings verändert sich zunehmend: Immer mehr Autos setzen auf selbsttragende Karosserien ohne separates Fahrgestell – was die Umrüstung zum Cabrio kompliziert und teuer machte. Die Verkaufszahlen brachen spürbar ein und DEUTSCH versuchte 1954 mit der „Öffnung“ der Borgward Isabella neue solvente Käuferschichten zu gewinnen und gleichzeitig aus geschäftlichen Verknüpfungen mit OPEL Profit zu schlagen. 1961 allerdings ging Borgward in die Pleite – der Anfang vom Ende auch für DEUTSCH? Ja und Nein, für DEUTSCH brach ein solventer Kundenkreis weg als Borgward in die Pleite ging, aber es gab ja noch FORD und OPEL Kunden die sich für den KADETT, REKORD oder COMMODORE (davon gibt es heute noch 5 Exemplare) als Cabrio entschieden und Geld einbrachten.
Auch AUDI wollte sich mit einem Cabrio schmücken und gab Ende der 60er bei DEUTSCH einen AUDI 100 zum Umbau ab, allerdings legte Wolfsburg letztlich sein Veto ein, da man kein Cabrio in größerer Serie auflegen wollte und so blieb es bei einem 100er Cabrio. Den es bis allerdings bis heute in privater Hand ist (sehr zum Ärger von AUDI, die schon diverse Kaufangebote erfolglos gemacht haben).
Gegen Ende der 60er begann aber unaufhörlich der Untergang von DEUTSCH. Das lag neben den schon erwähnten Problemen auch an zunehmend mangelhafter Rostvorsorge und Materialqualität – DEUTSCH liefen die Kosten davon. Zusätzlich begann eine Sicherheitsdebatte zu Cabrios, die zunehmend als „gefährlich“ galten. DEUTSCH selbst schaffte es aber auch immer weniger, seine Rolle als eleganter „Dachöffner“ nachzukommen, die letzten Baureihen vom FORD P7 Umbau sind lange nicht mehr so schön geraten wie in den 50er und 60er Jahren und auch die extrem unwirtschaftliche Fertigung von Hand tat damals ihren Teil – da sie zwar das Bedürfnis nach Exklusivität fütterte,aber eben nicht die notwendige Qualitätssteigerung mit dem Fortschritt stand hielt. Die Konstruktion von selbsttragenden Karosserien löste immer mehr den Aufbau auf ein Rahmengestell ab und die verschiedenen Karosseriebauer sahen sich nach Möglichkeiten um, ihre Geschäfte sicher zu stellen. Karosserie-Modifikationen waren ein machbarer Weg, den auch DEUTSCH mitging z.B. mit der Entwicklung von Cabriolets und Coupés aus serienmäßigen Limousinen, so entstanden beispielsweise die ersten Isabella-Coupés auch bei DEUTSCH.
1969 zeigte DEUTSCH das Capri Cabrio und setzt darin seine letzten Hoffnungen als eigentlich letztes richtiges DEUTSCH Cabrio – vergebens, denn die Verkaufszahlen entsprachen keinesfalls den Notwendigkeiten und so kommt für DEUTSCH dann 1972 das Aus. DEUTSCH gibt es allerdings auch heute noch - als Immobilien-Verwaltungsgesellschaft, die nichts mehr mit Cabrios zu tun, der Enkel von Karl Deutsch ist bemüht im kleinen Rahmen die Erinnerung an einen der größten deutschen „Aufschneider“ am Leben zu erhalten – ich versuche ihn mit meinem heutigen Artikel dabei zu unterstützen.
Abschliessend gilt mein Dank meinem Blog-Kollegen „Norske“ und seinem Days of Thunder Blog, der mich zu diesem Artikel motivierte und diverses Recherche-Material zur Verfügung stellte. Es hat sich gelohnt wie ich finde, DEUTSCH....eine spannende Geschichte des deutschen Automobilbaus und ich hoffe euch gefällt mein kleiner Exkurs in die Geschichte deutscher Cabrios auch ...
genutzte Quellen:www.fomcc.de/AutoBild Klassik |
Mon Oct 17 17:52:13 CEST 2011 |
italeri1947
Lieber Andi, das ist ein schöner Artikel: Informativ und in deinem typischen lesenswerten Stil geschrieben, da liest man gern! Weiter so! Die Firma Deutsch hatte ich längst vergessen, aber deine Artikel, speziell zum Thema Ford-Geschichte, sind immer wieder hervorragend! Eine interessante Geschichts-Stunde!
Mon Oct 17 20:02:37 CEST 2011 |
Standspurpirat38000
Die Gemeinschaft der Bestatter lies meines Wissens nach, in den 30ern Anhänger bei Deutsch produzieren, PKW und Transporter bei Deutsch zu Bestattungswagen umrüsten.
Nach Kriegsende übernahm das die Gemeinschaft selbst, begann mit Anhängerbau, mit Anlauf der Automobilindustrie nahm sie den Umbau zu Leichenwagen vor, ua. wurde auch mancher Ford Vedette aus franz. Produktion zu einem Leichenwagen..
Mon Oct 17 22:27:28 CEST 2011 |
Andi2011
@italerie
Danke Hans, freut mich wenn ich dir als altem "Autofuchs" noch was näher bringen kann!
@Hartgummiflege
Das ist sehr gut möglich,da DEUTSCH zu diesem Zeitpunkt Hänger fertigte,nach dem Krieg gab es durchaus viele Karossiers die sich neben Cabrios auch auf den Umbau von Kombis zu Leichenwagen spezialisierte so z.B. Hebmüller
Fri Dec 17 11:06:37 CET 2021 |
Osib1
Hallo Andi, das ist ein sehr interessanter Artikel. Es gibt eine Geschichte von einer Messe aus 2016. da hätte ein angeblicher Enkel des Firmengründers ein Foto von einem OSI Cabrio gezeigt, welches angeblich 3-4 mal von Deutsch gebaut worden sein solle. Dem OSI Club und in der Literatur ist aber nur der Cabrio Prototyp (auf gekürtem Fahrgestell) bekannt. Haben Sie eventuell Informationen, ob Deutsch jemals OSIs „aufgeschnitten“ hat? Gruß Burkhardt
Tue Sep 19 19:36:29 CEST 2023 |
ValentinL
Zwei kleine Anmerkungen:
1. Das Citroen Montagewerk steht in Porz-Westhoven (damals noch kein Teil von Köln) und nicht in Poll
2. Es ist auch noch ein von Deutsch gebautes Ford Rheinland Cabriolet aufgetaucht, angeblich eines von ehemals 3, das das Ford Werksmuseum vergeblich zu kaufen versuchte.
Aber ein sehr schöner und informativer Artikel
Deine Antwort auf "FORD - Deutsch für Anfänger: Einer der größten Aufschneider seiner Zeit"